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Was will Macron uns sagen?

Mein Herausgeber hat schon vor etwa zwei Jahren an dieser Stelle geschrieben, dass die deutsch-französische Achse gebrochen sei. Die Bemerkung Emmanuel Macrons vom Februar, dass man über die Beteiligung von Bodentruppen diskutieren müsse, weil man das noch nie getan habe, ist schon eine Art gezielter Tabubruch, der das bestärkt. Der Beitrag  Frankreichs ist gegenüber dem deutschen Beitrag zur Aufrüstung und Munitionierung der Ukraine eher gering bis zur Peinlichkeit. Auf der Rückfahrt vom Dreier-Gipfel-mit Scholz und Tusk wiederholte der Präsident sein Gedankenspiel.

Die Beteiligung von Bodentruppen aus einem NATO-Land würde dessen direkte Kriegsbeteiligung bedeuten. Das wäre auch seitens Russlands als Kriegseintritt der NATO in den Krieg interpretierbar. So weit, so hoch die Gefahrenhürde. Warum spielt Macron damit? Möchte er Putin zeigen, dass die “Grande Nation” auch anders könnte? Möchte er, ähnlich wie Putin mit Atomwaffen gedroht hat, nun ähnliche Bereitschaft zu Tabubrüchen zeigen, um Putin zu verunsichern? Es wäre eine Kopie dessen, was Putin auf jeden Fall zu Beginn seines Überfalls beim Westen erreicht hat. Aber verfängt das, und ist das wirklich klug? Meinte er vielleicht die Fremdenlegion theoretisch einsetzen zu können? Deren etwa 9.000 Mann starke Armee ist völkerrechtlich Teil der regulären französischen Streitkräfte, ihr Einsatz bedeutete den Kriegseintritt Frankreichs. Meinte er denkbare internationale Brigaden unter dem Kommando der Ukraine? So etwas hat es im Bürgerkrig mit dem faschistischen Franco-Regime in Spanien gegeben. Solche Batallione gibt es bereits in der Ukraine, in denen internationale freiwillige Söldner dienen, und dabei manche rechte Zeitgenossen rekrutiert haben.

Macrons Fokus ist innen – und europapolitisch

Macrons Vorstoß beinhaltet sicher Elemente der Unklarheit gegenüber Putin, die seine Unerschrockenheit und den Anspruch auf europäische Führung demonstrieren soll. Sicher ist seine Intervention auch der Versuch, gegen den deutschen Vorwurf, Paris liefere der Ukraine zuwenige Waffen, eine Antithese entgegenzuhalten. Dagegen bemüht sich laut “Tagesschau”-Hintergrundberichterstattung der Elyseé-Palast und seine Spin-Doctoressen, es gehe lediglich um Soldaten, die Minen räumen, ausbilden oder bei der Cyberabwehr helfen. Verteidigungsminister Sébastien Lecornu stellte richtig: “kämpfende Bodentruppen” in die Ukraine zu senden, sei keine Option. Dass derartige Hilfskräfte und Berater auch Kombattanten wären, fällt dabei unter den Tisch. Interessant ist aber neben der negativen Reaktion Olaf Scholz’ die befürwortende Begeisterung des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski, der sich durchaus für Macrons Vorschlag aufgeschlossen zeigte.

Macron schadet Europa mehr, als er ihm nützt

Der Vorstoß Macrons bringt damit im Grunde eine ganze Anzahl durchaus entscheidender Sachverhalte zutage, die die Europäische Union schwächen:

1. Die deutsch-französische Achse eiert nach wie vor, und auch das Dreiertreffen von Macron, Scholz und Tusk, obwohl es Gemeinsamkeiten gibt, kann niemand darüber hinwegtäuschen.

2. Die deutsch-französische Achse eiert in der Frage der Rüstungslieferungen an die Ukraine und es liegt an der Umsetzung der Ergebnisse der Vereinbarunbgen des Dreiertreffens, ob nun genügend Waffen und Munition von der EU an die Ukraine geliefert werden. Dass die Macron-Position, dies sollten nur EU-Waffen sein, geschleift wurde und nun international eingekauft wird, ist ein Erfolg für Scholz.

3. Die deutsch-französische Achse eiert, und solange sie dies tut, kann sich Putin sicher sein, dass seine Bemühungen, Europa und die USA durch die Unterstützung von Trump in direkter und indirekter Art, durch Cyberangriffe oder die Unterstützung der Populisten gegeneinander auszuspielen, Erfolg versprechen.

4. Macron hat in gewisser Weise populistisch mit seiner damaligen Bewegung “La Republique en Marche” den Grundstein für seinen politischen Erfolg als Nachfolger des glücklosen sozialistischen Präsidenten Francois Hollande gelegt. Seine Nachfolge ist offen, weil er es versäumt hat, diese auf ihn zugeschnittene Bewegung in eine dauerhafte, stabile Partei umzuwandeln. Seine Nachfolge und damit die Zukunft Frankreichs sind aus demokratischer Sicht unerträglich unbestimmt.

5. Weder Merkel, noch Scholz haben auf die Reform- oder Weiterentwicklungsvorschläge des frühen Macron für Europa eine Antwort gefunden. Das ist einer der wesentlichen Gründe, dass die deutsch-französische Achse eiert und die EU ziellos durch Krisen dümpelt. Nicht nur außenpolitisch.

6. Die Atomkraftpläne Macrons sind ein politisch völlig unterschätzter Affront gegen die Energiepolitik Europas, aller ökologisch orientierter EU-Staaten. Atomstrom ist nicht nur teuer, hyper-subventionsabhängig, gefährlich, entsorgungsresistent, entgegen aller Behauptungen im Bau und im Abbau hochgradig CO2-emissionsintensiv aufgrund der Betonmassen, die ihre Bändigung erfordert. Sie ist einzig und allein begründet in der Fähigkeit Frankreichs, eigene Atomwaffen zu bauen und wird obendrein von einem Staatskonzern verfolgt und vorangetrieben.

7. Und der Atomstrom von Frankreichs AKWs in der Grundlast verhindert, dass es ein flexibles, wind- und solarstrombasiertes, ausbalanciertes europäisches Stromnetz gibt. Und hier treffen ökologischer Fortschritt und Strategien der atomaren Bewaffnung – Atomkraft ist zu teuer, ist viel zu CO2-emissionsintensiv und hinsichtlich der Endlagerung eine Katastrophe für Generationen – direkt aufeinander.

So bleibt nur eine Aussage: Europa ist sich nicht einig.

Ja – genau das wollte Vladimir Putin hören.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Roland Appel schreibt: “Die deutsch-französische Achse eiert in der Frage der Rüstungslieferungen an die Ukraine und es liegt an der Umsetzung der Ergebnisse der Vereinbarungen des Dreiertreffens, ob nun genügend Waffen und Munition von der EU an die Ukraine geliefert werden.”
    Na ist doch prima, wenn Frankreich wenig Waffen liefert, je weniger Waffen, je weniger kann geschossen werden. Finde ich Spitze. Wenn diese Verrückten in Kiew keine Waffen mehr haben, werden sie wohl doch verhandeln müssen.
    ” Dass die Macron-Position, dies sollten nur EU-Waffen sein, geschleift wurde und nun international eingekauft wird, ist ein Erfolg für Scholz.” So, so, Waffen für die Ukraine einkaufen auf unsere Kosten ist also prima. Sehe ich anders. Wenn die NATO und Westeuropa zu wenig Waffen herstellen, können sie auch keine Liefern. Prima Sache. Was Macron sonst so erzählt ist doch egal, der will weder mit eigenen Soldaten noch mit Atomwaffen eingreifen. Das is doch alles nur leeres Geschwätz.

  2. Roland Appel

    Lieber Helmut, Du hast schon mal logischer argumentiert. Wenn “die Verrückten in Kiew” immer weniger Waffen haben, werden sie nicht eher verhandeln, sondern von Putin einfach platt gemacht. Wenn ich schreibe, dass etwas ein Erfolg für Scholz ist, bedeutet das nicht, dass das jemand prima findet. Und Chapeau! – wie gut Du Macron kennst…

  3. Helmut Lorscheid

    Lieber Roland, danke, wirklich nett von Dir – aber ich kenne den Mann
    da in Paris überhaupt nicht. Ich schau mir nur an, was er redet und was er macht. So viel, wie der
    von der Unterstützung der Ukraine gequasselt hat und was er dann tatsächlich geliefert hat,
    das spricht doch eine deutliche Sprache. Das verstehe ich auch ohne ein Wort französisch verstehen zu können. Aber unter dem Strich ist mir einer der nur rum labbert liefer als einer der Waffen tatsächlich liefert.

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