Werden wir diese Champions League noch vermissen?
Beim ZDF kriegten sie sich gestern Nacht (23 h) gar nicht mehr ein. Die Champions League der Uefa, für uns Oldies der Europapokal der Meister, absolvierte eine bemerkenswerte Hinrunde ihres Viertelfinales der besten Acht. Teilnehmende sind die üblichen Verdächtigen aus England, Spanien, Deutschland und Frankreich. Das heisst, die Runden davor waren ungefähr so langweilig, wie es die Geldtabelle der deutschen Bundesliga ist. Was diese Acht aber gestern und vorgestern an Fussballkunst zeigten, war sehenswert und zu keiner Sekunde langweilig.
In voller Länge habe ich nur Atletico-BVB gesehen (2:1). Für beide war mehr drin, und ist im Rückspiel vor 80.000 in Dortmund noch alles drin. Der schwerste Gegner für Atletico war der Schweizer Gregor Kobel im Dortmunder Tor. Er hielt seine Mannschaft fast alleine im Spiel. Tragisch für ihn, dass er in der Schweizer Nati an Yann Sommer nicht vorbeikommt, der mit 35 Jahren in bester Schaffensblüte steht, und bei Inter Mailand mit 15 Gegentoren in 31 Spielen seine vielleicht beste Saison spielt. Der Fussballkonzern in Süddeutschland, dem er “zu klein” war, weist bereits 36 Gegentore auf. Aber ich schweife ab.
Was aber wesentlich beim Torwartspiel ist, ist die Autorität und Regiefähigkeit des letzten Mannes gegenüber den Mitspielern vor ihm. In dieser Disziplin ist Sommer einer der respektiertestenen und besten. Fragen Sie mal in Mönchengladbach, wie er vermisst wird. Hier haperte es gestern beim BVB besonders. Die zwei Atletico-Tore wurden von den Reportern als “Geschenk” aufgefasst. Dabei würdigten sie jedoch völlig unzureichend das Weltklasse-Pressing, zu dem Griezmann und Co. insbesondere in den Anfangsphasen ihrer Spiele in der Lage sind, und womit sie in Spanien auch Real und Barca jederzeit derangieren können.
Gestern hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass der BVB Jamie Bynoe-Gittens rechtzeitig einwechselte. Der Kerl ist so antrittsstark und gleichzeitig so technisch perfekt am Ball, dass er eine müde gespielte Abwehr in der letzten halben Stunde zur Not auch alleine auseinandernehmen kann.
Das gibt dem BVB Hoffnung fürs Rückspiel. Denn die Atleti-Abwehr ist in dieser Saison nicht mehr Spitzen-, sondern nur noch Mittelklasse.
Mittelklasse ist in dieser Spielzeit meistens auch nur noch der FC Barcelona. Von kriminellen Vereinsführungen wurde ihm ein Schuldengebirge hinterlassen, das seinesgleichen sucht. Und von den spanischen Regierungen mit der ihnen verbundenen Baumafia wurde und wird er weit weniger gepampert, als die Konkurrenz in Madrid. Trainer Xavier Hernández, einer der achtbarsten Sportsmänner der Gegenwart, steht also unter dem sportlich absolut gesunden Zwang, auf den Nachwuchs aus La Masia zu setzen. Und siehe, die haben gestern bei der Emirats-Milliardärstruppe in Paris mit ihrem Superduperstar Mbappé 3:2 gewonnen.
Das hat mich am meisten gefreut.
Ist es das letzte Mal?
Denn den fettesten Geldsäcken im europäischen Fussballentertainment der Männer genügt die Profitrate nicht. Sie wollen mehr, mehr, mehr. Statt der monatelang langweilenden Gruppenphase haben sie sich einen Modus mit noch mehr Spielen ausgedacht, der noch fettere TV-Verträge nach sich ziehen soll. Wer soll das alles gucken? Ich weiss es nicht.
Wenn ich es verstanden habe – ich glaube, eher nicht – soll jede qualifizierte Mannschaft (wie die sich qualifizieren, lasse ich jetzt lieber mal weg, es sollen auf jeden Fall immer die üblichen Verdächtigen werden) vier Heim- und vier Auswärtsspiele haben, alle gegen unterschiedliche Gegner – der Manipulation entsprechender “Auslosungen” sind also Tür und Tor geöffnet. Daraus wird dann eine Gesamt-Tabelle errechnet, aus der sich die folgenden KO-Runden (beste 16) und ihre Paarungen ergeben. Hoffnung der Funktionäre und Geldsäcke: Planungssicherheit durch ständige Reproduktion der europäischen Fussball-Meritokratie.
Daraus kann sich gelegentlich spektakulärer Spitzenfussball ergeben, wie gestern und vorgestern. Muss aber nicht.
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