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Reklame für Klimakiller

Wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt – Kurzfassung der Studie

Allgemeiner Kontext zur Studie
Während derzeit ein Gesetzentwurf zur Einschränkung von Junkfood-Werbung diskutiert wird und Tabakwaren und Alkohol bereits gar nicht mehr bzw. lediglich strikt eingeschränkt beworben werden dürfen, gilt Ähnliches nicht für Produkte mit großem CO2-Fußabdruck. Dabei wäre dies angesichts des fortschreitenden Klimawandels und der verpflichtenden Klimaziele von Paris eine naheliegende Aufgabe für die Klima- und Medienpolitik. Zudem gibt es eine Vorschrift im Medienstaatsvertrag, dass Werbung keine Verhaltensweisen fördern darf, die den Schutz der Umwelt „in hohem Maße“ gefährden. Diese Norm gilt für den öffentlich-rechtlichen wie den privaten Rundfunk sowie für Online-Medien (bspw. Social- Media-Plattformen).

Ziel der Studie ist es, das klimaschädliche Potenzial von Fernseh- und YouTube-Werbung zu quantifizieren, um die Größenordnung des Problems zu ermitteln. Konkret fragt die Untersuchung, für welche Güter im TV und auf YouTube geworben wird, wie emissionsstark die beworbenen Produkte sind und mit welchen Strategien für klimaschädliche Güter geworben wird.

Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine quantitative Inhaltsanalyse von Werbespots im Fernsehen und auf YouTube in den Jahren 2022 und 2023 durchgeführt. Im TV-Bereich wurden fünf der sechs Sender mit den größten Marktanteilen im Jahr 2022 ausgewählt – Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1 und ProSieben – und deren Programm während zweier künstlicher Wochen zwischen 17:00 und 23:00 Uhr aufgezeichnet. Auf YouTube, der meistgenutzten Video-Sharing-Plattform der Welt, wurden während vier künstlicher Wochen Werbespots der aufrufstärksten Videos aus den 20 größten deutschen Kanälen nach Follower*innen erfasst. Insgesamt wurden 9.779 Werbespots mit einer Gesamtlänge von fast 52 Stunden aufgezeichnet und kodiert. Neben der Schätzung – bzw. wenn möglich: Berechnung (CO2-Fußabdruck) – der Klimaschädlichkeit der Produkte wurden die Werbespots auf die verwendeten persuasiven Strategien codiert.

Ergebnisse

Von den 9.779 erfassten Werbespots handelten 69,7 Prozent von Gütern, die als nicht-klimaschädlich eingestuft werden konnten. Fast ein Drittel der Werbeclips – 30,3 Prozent, rund 3.000 Spots – appellierte jedoch an die Zuschauer*in- nen, klimaschädliche Waren und Dienstleistungen zu erwerben bzw. zu konsumieren. Betrachtet man Fernseh- und YouTube-Werbung getrennt, so fällt auf, dass der Anteil der Werbebeiträge für klimaschädliche Produkte im Fernsehen höher ist.

Von den verschiedenen Produktgruppen, in die die Werbespots eingeteilt werden konnten, erscheinen einige als besonders klimarelevant. So wurden 86 Prozent der Spots aus der Kategorie „Schokolade, Eis & Gummibären“ klimaschädlichen Produkten zugeordnet, vor allem da Schokolade einen recht großen CO2-Fußabdruck hat. Aber auch die Güter der Gruppe „Autos & Autodienstleister“ (78 %) sowie „Körperpflege, Hygiene & Beauty“ (72 %) sind in großer Mehrzahl als klimaschädlich einzustufen. Es folgen „Gutscheine und Geschenke“ (62%) sowie „Reise & Tourismus“ (60 %).

Die Ausmaße der Klimaschädlichkeit sind dabei stellenweise erheblich: Mit einem einzigen der angepriesenen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt ist das sogenannte faire Pro-Kopf-CO2-Budget eines Erdenbürgers für das ganze Jahr und alle Lebensbereiche (1,5 Tonnen) größtenteils bereits aufgebraucht, in vielen Fällen sogar weit überschritten. Weniger dramatisch, aber immer noch relevant sind die Unterschiede im Bereich der Lebensmittel und Drogerieprodukte: Rindfleisch, Kaffee oder Schokolade haben einen deutlich größeren Fußabdruck als andere, klimafreundlichere Nahrungs- und Genussmittel. Einweg-Babywindeln und viele andere Hygiene- und Beautyprodukte tragen zum Anwachsen von Müllbergen und der Anreicherung der Umwelt mit Treibhausgasen und Giftstoffen bei. Andersherum sind klimafreundliche Produkte von meist kleineren Produzenten in der Werbung oftmals nicht präsent: Die in den Werbespots dargestellten Smartphones der großen Hersteller haben beispielsweise einen größeren CO2-Fußabdruck je Lebensdauer als ein erhältliches (aber nicht beworbenes) langlebigeres Alternativprodukt.

Zudem arbeitet die analysierte Werbung oft mit Strategien, die die Klimaschädlichkeit des Produkts unsichtbar machen oder sogar ins Gegenteil verkehren: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein verbrauchsintensiver Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind, unter dem Klimaschutz-Aspekt betrachtet, zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen. Die häufigsten Argumente, mit denen klimaschädliche Güter angepriesen wurden, waren die sinnlichen Eigenschaften der Produkte wie Geschmack, Aussehen und Aroma (in 51,3% der Spots) oder die Verbindung mit Spaß, Geselligkeit und sozialer Beliebtheit (32,6%). In vielen Werbeclips wurden mehrere Strategien angewandt.

Handlungsempfehlungen

Angesichts der Studienergebnisse muss konsta-tiert werden, dass die Vorgabe aus §8 des Medienstaatsvertrages, die Werbung für in hohem Maße umweltschädigendes Verhalten für unzulässig erklärt, durch die gegenwärtige Werbepraxis verletzt wird. Es besteht dringender medienpolitischer Handlungsbedarf. Verpflichtende Warnhinweise bei Spots für klimaschädliche Güter, Werbeverbote für bestimmte Produktgruppen, die Vorgabe eines CO2-Werbe-Gesamtbudgets pro Sender bzw. Plattform oder die Entwicklung eines dynamischen Preis- bzw. Umlagesystems, beider Werbung für klimaschädliche Güter verteuert und solche für klimafreundliche Güter negünstigt wird: Die regulatorischen Möglichkeiten sind vielfältig. Es gilt, sie konsequent zu nutzen.

Dieser Beitrag ist die Kurzfassung der Studie “Reklame für Klimakiller” der Otto Brenner Stiftung. Die komplette Langfassung finden Sie hier.

Über Uwe Krüger, Katharina Forstmair, Alexandra Hilpert, Laurie Stührenberg / Otto Brenner Stiftung:

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2 Kommentare

  1. A.Holberg

    Was hier auffälligerweise fehlt, sind die Waren der Rüstungsindustrie, für die tagaus tagein in den Medien, insbesondere den TV- Nachrichten, mittels der – natürlich als der “Verteidigung” dienenden – Kriegspropaganda geworben wird. Solange das so weitergeht, sollte man von Klima- und Umweltschutz schweigen

    • Martin Böttger

      Nö, schweigen ist in diesem Zusammenhang komplett unsinnig, gerade wenn ich diesem Einwand ansonsten Recht gebe. Es ist grundsätzlich Quatsch, ein richtiges Handeln mit einem anderen richtigen Handeln in Konkurrenz zu setzen. Politische Kunst wäre es, beides zu verbinden. Dafür gründeten die Menschen einst – oft gegen feudalen Widerstand – politische Parteien. Dass die diesen Job heute so schlecht machen, spricht nicht gegen nützliches gesellschaftliches Diskutieren und Handeln. Im Gegenteil.

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