Nach der ersten Halbzeit hat sich der BVB gestern – die TV-Quoten des Münster-Tatortes wurden nur um 1-2 Mio. verfehlt – in die Favoritenrolle gespielt: 4:0 Torchancen (inkl. Pfostentreffer), NULL Chancen für den Favoriten mit dem grössten europäischen Baukonzern (ACS inkl. Hochtief) im Rücken. Umso tiefer und enttäuschender der Fall in der 2. Halbzeit. Als wollten sie mit souveräner Ironie überzeugen, liess Real den BVB ein komplett nutzloses Powerplay vor dem Strafraum auf- und abspielen, um dann in den letzten 20 Minuten alle offenen Fragen zu beantworten.
Der BVB kann sich autosuggestiv auf die eigene Schulter klopfen: den Gegner am Rand einer möglichen Niederlage gehabt, plus eine Zusatzeinnahme von ca. 40 Mio. €. Das stellt “die Börse” vorläufig zufrieden. Die Fans hingegen wurden kurz vor dem Spiel durch die westfälische Konzernführung brüskiert, und haben ihrerseits das Stadionduell gegen die erfolgsgewöhnten Spanier*innen klar gewonnen.
In der nun folgenden Sommerpause des Ligafussballs stellen sich zahlreiche Strategiefragen. Der vielbeschäftigte und längst abgehobene Konzerngeschäftsführer Watzke hat schon mal grossmäulig wie üblich eine “Transferoffensive” angekündigt. Kapitalmässig betrachtet hat der BVB gegenüber dem Fussballkonzern aus dem süddeutschen Raum, der in der Liga ähnlich gescheitert ist, nichts aufgeholt. Die Süddeutschen haben in der Champions League sogar geringfügig mehr eingenommen, weil sie in der langweiligen Gruppenphase mehr Siegprämien eingefahren haben.
Die sportlich enteilten Konkurrenten waren in der abgelaufenen Saison die Betriebsmannschaft von Bayermonsanto und der jüngst von Porsche gekaperte VFB Stuttgart. Sie hatten dabei geringfügigeres Kapital aufgewandt, aber offenbar ein klar besseres sportliches Konzept. Der üppige Kapitalfluss birgt also eine Gefahr: sportliche Nachlässigkeit, insbesondere gegenüber noch unausgereiften und scheinbar vernachlässigbaren Talenten. Was dem FC vom Dom Serhou Guirassy war, den der BVB jetzt angeblich kaufen will, das war dem BVB der junge Marco Reus, der jetzt so tränenreich verabschiedet wird, und der seine sportlich stärksten Jahre 2009-12 bei meiner Borussia in Mönchengladbach verbrachte.
Wenn wir aber mal vom Sportlichen absehen, wie es die meisten Konzernfunktionäre längst tun, dann kommt die weltweite geostrategische Spaltung des Fussballs näher. Die Frage ist, ob der Fussball der Entwicklung der Politik dabei weiterhin vorausgeht, oder ob er durch die atomare Eskalation eines der bestehenden Stellvertreterkriege überholt wird.
So lange das nicht geklärt ist – es kann Wochen oder, hoffentlich, etliche Jahre dauern – wird die Konzernführung der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA auch nach dem Abgang von CDU-Watzke bestrebt sein, im Zweifelsfall immer bei der höchsten Supderduper-Liga der Welt dabei zu sein. Bei der Fifa-Club-WM sind sie ja schon auf rätselhafte Weise als Tabellenfünfter “qualifiziert”. “Die Börse” will es so.
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