Sie verhandeln weiter über die Abschaffung des Rechtstaates durch die sogenannte “Drittstaatenregelung” im Asylrecht. Die Länderchefs fordern vom Bund wieder munter das Unmögliche. Der Bund sichert energische Schritte hin zum Unmöglichen zu. Sie alle zusammen tun so, als ob das Unmögliche überhaupt kein Problem und damit erreichbar sei. Was ist das Unmögliche? Die Durchführung von Asylverfahren in Drittländern und die Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan zum Beispiel. Nahezu alle Maßnahmen, die derzeit auf der Ebene der Innenminister*innen diskutiert und vor allem von der CDU/CSU gefordert werden, sind offensichtlich verfassungswidrig. Sie widersprechen der Rechtswegsgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz, sie vereiteln absehbar das Recht der Asylbewerber, zu anwaltlichem Rat Zugang zu haben und Gerichte anrufen zu können.

Nach 75 Jahren Grundgesetz keinerlei Skrupel vor Rechtsbruch

Aber es sind nicht nur die Verkürzungen der Rechtswege, die die CDU/CSU-Länderfürsten fordern: Die machen sich schlichtweg die Forderungen der AfD nach rigorosen Abschiebungen zu eigen und werden damit scheitern. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand geglaubt, dass insbesondere Markus Söder sich die Positionen der Rechtsextremisten zueigen machen würde, aber im Angesicht der EU-Wahlergebnisse scheinen bei diesem Analphabeten der Rechtstaatlichkeit alle Dämme der Scham und der Bereitschaft zur Menschenrechtsverletzung gebrochen. Die “Ruanda-Lösung”, erklärte er den “Tagesthemen”, halte er für denkbar. Was ist das? Für Milliardenbeträge, die wesentlich höher liegen, als die Kosten von Asylsuchenden in Deutschland, sollen Länder im Trikont oder im Grenzbereich der EU gekauft werden, um Flüchtlinge aufzunehmen, die sie weder kennen, noch dass sie von dort kommen, um die lästigen Asylantragsteller irgendwie loszuwerden. Warum sollen Staaten wie Ruanda das machen?

Bestechung oder unmenschliche Behandlung?

In Wirklichkeit handelt es sich bei diesen Plänen um nichts als hilflose, von Fremdenfeindlichkeit gesteuerte und rassistische Versuche, das Flüchtlingsproblem, das untrennbar mit Kriegen, Armut, Bürgerkriegen und Naturkatastrophen, Umweltzerstörung und Klimawandel verbunden ist, deren Verursacher die Industrieländer sind, auf Staaten des globalen Südens abzuwälzen. Die unschönsten Beispiele zeigen die Pushback-Delikte der sogenannten “Libyschen Küstenwache”, bezahlt von der EU, und die gleichen Aktionen von der EU-eigenen Frontex-Polizei. Diese Methode hat einen eindeutigen Namen. Es handelt sich um  nichts anderes, als eine besonders perfide Form des Neokolonialismus. Die Ungeheuerlichkeit dieser Scheinlösungen scheint ihren Protagonist*inn*en schon gar nicht mehr aufzufallen. Beispielsweise hat ja die Vorreiterin der “feministischen Außenpolitik”, Annalena Baerbock, die Eu-Asylregelung über den grünen Klee gelobt, obwohl sie vorsieht, Frauen und Kinder ebenso wie alle Flüchtlinge in Lager an den Außengrenzen der EU zu inhaftieren. Sehr feministisch, Hut ab!

Nancy Faeser auf ebenso krummen Wegen

Auch die Bundesinnenministerin befindet sich derzeit auf politischen Abwegen. Man prüfe, so räumt sie ein, die Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan über Nachbarstaaten wie Usbekistan, Tatschikistan und Turkmesnistan. Usbekistan werden nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen Oppositionelle zu Tode gefoltert, es gibt weder eine unabhängige Justiz, noch regierungsfremde Gerichte. Das gilt in ähnlicher Weise für die Nachbarn Tatschikistan und Turkmenistan. da diese ehemaligen Sowjetrepubliken alle das gleiche Problem mit der Transformation nach dem Zerfall der Sowjetunion mit sich herumtragen, sind sie natürlich anfällig für finanzielle Zuwendungen aus der EU oder Deutschland. Soweit politische Aktivitäten durchsickern, versucht die Bunderegierung ad Personam Faeser, diese zweifelhaften “failed States” mit entsprechenden finanziellen Versprechungen zu einer Unterstützung von Abschiebungen aus Deutschland zu bewegen. Abgesehen von den juristischen Problemen muss sich Faeser die Frage gefallen lassen, was dies alles soll. Der Straftäter von Mannheim, an dem sich alles festmacht, wird die Zeit seiner Verurteilung absitzen müssen. Wenn er nach ca. 20 Jahren entlassen wird, stellt sich die Frage, ob bis dahin ein Regimewechsel in Afghanistan stattgefunden hat oder er letztendlich von den Islamisten als Held gefeiert werden wird.

Die Quittung folgt wie das Amen in der Kirche

Wie können Politiker*innen der CDU/CSU, FDP und Teilen der SPD und Grünen so naiv sein zu glauben, mit diesen politischen Placebos durchkommen zu können? Wieso finden Migrationsforscher, die nachweisen, dass sich die Migratiopnsquote weltweit seit 40 Jahren kaum verändert hat, dass bisher kein Staat ernsthaft und nachhaltig versucht hat, Migrationsursachen zu bekämpfen, in dieser Regierung keinerlei Gehör? Dass natürlich in absoluten Zahlen bei einer gleichzeitig verdreifachten Weltbevölkerung damit viel mehr Migration stattfindet, ist so logisch wie sich der Mond 384.000 km von der Erde befindet.  Es ist also absehbar, dass auch diese absurden Pläne, die Innenministerin Faeser fleißig “prüft”, zum Scheitern verurteilt sind. Verfassungsrechtlich, weil Grundgesetz, Europäischer Menschenrechts- und Genfer Flüchtlingskonvention solches staatliches Willkürhandeln nicht zulassen werden. Und politisch, weil die AfD schon heute nicht nur darauf lauert, dass Ampel wie CDU/CSU mit diesen Plänen scheitern werden, sondern sich freut, dass die bürgerliche Mitte damit die Forderungen der Rechtsextremisten vollumfänglich übernimmt und ihnen im Kern damit Recht gibt. CDU/CSU, FDP, BSW und SPD sowie Teile der Grünen verhalten sich so, dass sie sich verbal von der AfD distanzieren, aber ihr mit ihrer Körpersprache vollumfänglich Recht geben. Der Rechtsentwicklung in Deutschland wird erst Einhalt geboten werden, wenn sich CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne auf das Grundgesetz besinnen und aufhören, den Rechtsextremisten politisch nachzugeben.

Von Lösungen noch weit entfernt

Es ist nicht zuletzt die falsche Geschmeidigkeit der Grünen in der Ampelkoalition, die einer realistischen Flüchtlingspolitik entgegensteht und die ein Grund ist, der den Grünen ein Desaster bei der Europawahl beschert hat. Das wird sich nicht bessern, wenn die Partei nicht zu grüner Asylpolitik zurückfindet. Dabei muss die Partei radikal neu denken. Auch Kretschmanns bürgerliche wie realistische Politikvisionen reichen nicht aus, um wirklich in der Migrationspolitik einen Schritt nach vorn zu kommen. Dafür wären ganz andere Schritte notwendig, die ich hier bereits am 9. Juni diesen Jahres schon einmal skizziert habe:

Was tun? (Lenin)

Deutschland braucht auf absehbare Zeit etwa 400.000 Einwander*innen pro Jahr, um den Lebensstandard, die Produktivität unserer Wirtschaft und die Sozialsysteme aufrecht zu erhalten. Es ist völlig illusorisch, dass eine solche Zahl von Menschen über das von Koalition geschaffene, höchst bürokratische und hasenherzige “Fachkräfte-Einwanderungsgesetz” nach Deutschland kommen werden.  Warum sollen Menschen aus Drittländern, die von den Ministern der Ampel umworben werden, die hohen Hürden – allein der deutschen Sprache – auf sich nehmen? Wer aus dem Senegal oder Kamerun kommt, spricht französisch und wird dorthin gehen wollen. Englischsprachige Inder*innen und Afrikaner*innen nach Großbritannien oder den USA. Südamerikaner*innen nach Spanien oder Portugal. Präsident Lula hat erst kürzlich erklärt, den bei Minister Heils Besuch postulierten Überschuss an Pflegekräften in Brasilien gebe es nun doch nicht. In Albanien – selbst an der Schwelle zum Beitrittskandidat der EU – werden derzeit systematisch hunderte Altenpfleger*innen für Deutschland ausgebildet, fehlen aber im eigenen Land. Dasselbe gilt für Vietnam oder Thailand.

Asylverfahren vermeiden, Alternativen anbieten

Eine realistische, mutige Einwanderungspolitik würde den hierher geflüchteten Menschen ein Angebot machen, den zum Teil jahrelangen und aussichtsarmen Weg des Asylverfahrens zu vermeiden, indem sich diese Personen nach einer Prüfung ihrer Vorbildung und Fähigkeiten verpflichten, eine Einwanderungsvereinbarung zu unterzeichnen, die sie zum unverzüglichen  Spracherwerb und Arbeit von der ersten Woche des Eintreffens verpflichtet und nach einer zu definierenden Frist und Straffreiheit die Möglichkeit zur Einwanderung in Aussicht stellt. Zu diesem Zweck sollten Migrationsschulen ähnlich oder auch in Kooperation mit den Berufsschulen errichtet werden, die zum einen die Ausbildung in Mangelberufen organisiert oder vermittelt, neben der Sprache politische und kulturelle Grundlagen, Verfassungs- und Rechtsgrundlagen unserer Demokratie vermitteln  und empfindliche Bußgelder oder Vertragsstrafen und den Verlust dieses Migrantenstatus bei Verstößen gegen diese Regeln vorsieht. Begleitet mit der Unterbringung in dezentralen, arbeitsnahen Unterkünften, bei deren Errichtung die Kommunen massiv unterstützt werden müssten. Das würde bedeuten, die Zahl der freiberuflichen und ehrenamtlichen Lehrkräfte in diesem Bereich drastisch auszubauen, mehr Geld als bisher in die Hand zu nehmen, was sich aber auch viel schneller rechnen würde. Nur dieser mutige Schritt würde schneller als bisher dem Mangel an Fachkräften, aber auch an ungelernten Kräften in der Gastronomie und anderen Mangelbereichen begegnen und die zähen und zum Teil jahrelangen Asylverfahren beenden.

Mut, die Probleme zu benennen und zu lösen

Der Gedanke ist im Prinzip nicht neu: Die “Spurwechsel”-Initiative, die z.B. der baden-württembergische Ministerpräsident  Kretschmann gemeinsam mit Unternehmern vor einigen Jahren für langjährig integrierte Flüchtlinge erfolgreich angestoßen hat, beruht auf demselben Grundgedanken. Nur, dass es in diesem Falle um den Mut ginge, einen Vertrauensvorschuss zu geben und viel schneller zum gemeinsamen Ziel zu kommen, Wohlstand zu sichern und Migration in berechenbare Bahnen zu lenken. Eigentlich eine klassische Win-Win-Situation, die aber erfordert, den rechten Parolen der sozialen Spaltung und des völkischen Rassismus mit Mut und Entschlossenheit tatkräftig entgegen zu treten. Und ich schließe jede Wette ab: Wenn es mit Wahrheit und Ehrlichkeit,  Menschenrechtlichkeit und Mut der Politik in der Flüchtlingspolitik vorangeht, klappts auch mit der Bekämpfung der AfD.

 

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net