Zu Beginn der Juni-Ausgabe 2024 des Demokratischen Salons die sehr gute Nachricht: Julian Assange ist frei!
Im Editorial geht es um „Hasenfüße und Kaninchen – Eine ganz andere Bewertung der Europawahlen vom Juni 2024“. Vielleicht sollten wir mehr debattieren, wohin wir wollen, statt ständig unser Heil in der Defensive zu suchen? Wie üblich finden Sie in dem Newsletter die Hinweise auf Veranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe, unter anderem im Begleitprogramm einer Ausstellung der Bundeskunsthalle und in den Bonner Tagen des Exils. In der ukrainischen Zeitschrift Eksperiment erschienen weitere Übersetzungen von Texten des Demokratischen Salons.
Am 7. Juli 2024, 17 Uhr, findet in der Kulturkneipe der Beueler Brotfabrik die Vernissage einer Ausstellung rund um den Gedichtband „Aus dem Tagebuch eines Autisten“ von Norbert Reichel statt, den Firouzeh Görgen-Ossouli und Hans Peter Schaefer künstlerisch begleitten. Die Ausstellung ist bis zum 7. September 2024 geöffnet.
Die neuen Texte im Demokratischen Salon:
- Paul Schäfer benennt im dritten und abschließenden Teil seiner Trilogie zur „Friedenspolitik nach der Zeitenwende“ die „Konsequenzen für Deutschland und Europa“ in zehn Thesen: Angesichts der von Russland ausgehenden Bedrohung, die sich nicht in der Invasion in der Ukraine erschöpft, geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie deutscher und europäischer Friedens-, Verteidigungs- und Rüstungspolitik.
- Mykola Riabchuk, Ehrenpräsident des PEN Ukraine und führender Wissenschaftler in der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, thematisiert in seinem Essay „Jenseits der Fußnoten – Die wahre Tragödie Mitteleuropas“ die doppelte Zurückweisung der Ukraine, der Russland jede Eigenständigkeit abspricht, während der Westen sie zwar nach dem Zerfall der Sowjetunion als Staat anerkannte, nicht jedoch als Nation.
- Martina Winkler, Osteuropahistorikerin an der Universität Kiel, kommentiert die Genesung des slowakischen Premiers Robert Fico unter dem Titel „Hass oder Hetze? Wir doch nicht – nur die anderen!“ In einer Rede wenige Tage vor den Europawahlen verzieh er dem Attentäter, machte aber deutlich, was er will: einen illiberalen Staat nach ungarischem Vorbild, in der Medien und Kultur gleichgeschaltet werden, einen „Führerstaat“ mit ihm als „Heilsbringer“.
- Ines Skibinski wertet Kommunalwahlen und Wahlen zum Europaparlament in Polen aus, ihr Fazit „Ermüdender Wahl-Marathon“. Das Ergebnis: Niedrige Wahlbeteiligung bei den Europawahlen, Erfolge der Bürgerplattform bei Europa- und Kommunalwahlen, aber eine starke rechtsextremistische Partei bei den Europawahlen. Der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski hat gute Chancen, den Staatspräsidenten Andrzej Duda (PiS) abzulösen.
- Marina Weisband stellt ihr neues Buch „Die neue Schule der Demokratie“ vor, in dem sie die Erfahrungen des aula-Projekts dokumentiert: „Radikal, demokratisch, pädagogisch“. Die aula-Methode sorgt dafür, hilft aus „Konsumenten Gestalter zu machen“. Dieses Konzept ließe sich auch auf die großen politischen Debatten übertragen. Die aktuelle paternalistische Politik muss durch eine Kombination repräsentativer, deliberativer und direkter Formen der Demokratie zu ersetzt werden.
- Isabella Hermann analysiert die Metaphern, mit denen wir versuchen, uns über Künstliche Intelligenz zu verständigen, in Wissenschaft, Politik und nicht zuletzt in der Literatur: „Techsolutionismus – KI – ein Bündel von Metaphern“. KI wirkt als „Projektionsfläche“ für in der Gesellschaft verbreitete Hoffnungen, Ängste und Fantasien und nicht zuletzt für politische Utopien und Dystopien, ein weiterer Beleg für die Ambivalenz von Technik und Technikrezeption, im Guten wie im Schlechten.
- Fritz Heidorn porträtiert Arthur C. Clarke, der die Vorlage und das Drehbuch zu dem Film „2001 – A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick schrieb und damit die „Odysseen in den Weltraum“ startete. Er beschreibt den Wissenschaftler, den Schriftsteller und den Weltbürger Arthur C. Clarke. In einem legendären Streit einigte er sich mit Isaac Asimov, wer in welchem Feld nun der bessere Wissenschaftler und wer der bessere Schriftsteller sei.
- Norbert Reichel befasst sich in dem Essay „It’s Imagination“ mit der konkreten Utopie menschlicher KI in Star Trek. Star Trek ist ein durchweg humanistisches Projekt. Selbst die Borg haben die Chance, sich als menschlich zu erweisen. In „Star Trek: Picard“ werden Einbildungskraft, Empathie und Sterblichkeit als Kriterien einer menschlichen KI genannt. Der Anhang des Essays bietet eine Sammelrezension zum Thema.
- Ines Geipel erinnert in der im März 2024 erschienenen Neuauflage des von ihr mit Joachim Walther herausgegebenen Buches „Gesperrte Ablage“ an die Autor:innen, die im „Archiv der unterdrückten Literatur der DDR“ zu entdecken sind. In diesem Archiv schlummert „Ein Klondike der Texte“. Veröffentlicht wurden unter anderen Susanne Kerkhoff und ihre „Berliner Briefe“, Edeltraud Eckert, „die Sophie Scholl des Ostens“, und Gabriele Stötzer.
- Michael Hänel dokumentiert in seinem Essay „Sowjetische Protokolle“ Entwicklungen und Echos des sowjetischen Antisemitismus und Antizionismus, die in der von Stalin verfolgten sogenannten „Ärzteverschwörung“ offensichtlich wurden und heute noch in der radikalen, insbesondere der sich antikolonialistisch und antiimperialistisch definierenden Linken nachhallen. Er beschreibt die Warnungen sowjetischer Funktionär:innen, auch in DDR-Organen, vor dem Zionismus, den sie als Rassismus markieren
Unter den Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen im Demokratischen Salon finden Sie Hinweise zu Statements und Texten rund um den 7. Oktober, zur Verleihung des Kurd Laßwitz Preises für die „Klimazukünfte 2050“ unter anderem an den Hirnkost Verlag, der dringend unserer Unterstützung bedarf, zum 100jährigen Gedenken an den Tod von Franz Kafka und zu einer Neuauflage der Werke von Mordechaj Gebirtig. Maximilian Probst geht den Debatten um Israel und Gaza anhand einer Analyse der „Philosophischen Untersuchungen“ von Ludwig Wittgenstein nach. Meron Mendel äußert sich zur Frage der Anerkennung Palästinas. Norbert Bisky und Elfriede Jelinek haben sich zum Zustand unserer Demokratie geäußert. Wolfgang Bauer dokumentiert die Hindernisse der Integration der afghanischen Ortskräfte, die ihn dort unterstützt hatten. Michal Hvorecky kommentiert die aktuellen Entwicklungen in der Slowakei. „I Love Russia“ ist der Titel des neuen Buches der oppositionellen Journalistin Elena Kostyuchenko, und wer auch nach dieser Lektüre immer noch nicht glaubt, was Putins Ziele sind, lese den von den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ dokumentierten Text von Dmitri Medwedew. Nicht zuletzt Nachdenkenswertes von Rabbi Akiva. Und die Fußball-EM? Dazu am Schluss eine Randnotiz.
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