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Assange frei – um welchen Preis?

Einer der größten Skandale der sich demokratisch nennenden Staaten gegenüber der Pressefreiheit hat ein vorläufiges Ende gefunden. Julian Assange, Gründer von Wikileaks und Aufklärer von US-Kriegsverbrechen im Irak ist wohl freigekommen. Aufgrund eines Deals mit dem US-Justizministerium, dessen Folgen für die Pressefreiheit im Allgemeinen und Whistleblower im Besonderen derzeit noch nicht abgeschätzt werden können. Denn Voraussetzung seiner Freilassung war ein Verzicht der USA auf Auslieferung, wenn sich Assange der Veröffentlichung militärischer Geheimnisse schuldig erklärt. Der Deal bestand darin, dass ihn ein zuständiges Bezirksgericht in den USA dann lediglich zu fünf Jahren Haft verurteilt, die er aber in Großbritannien bereits abgesessen hat.

Was für Assange einen längst überfälligen Schritt in die Freiheit bedeutet, könnte jedoch für die Pressefreiheit und für Whistleblower in Zukunft einschneidende Kriminalisierungsgefahren nach sich ziehen. Zu beachten ist, dass das britische, vor allem aber das amerikanische Rechtssystem auf Musterurteilen beruht. Das, was der Deal nun beinhaltet, wäre ein solches und würde festschreiben, dass die Veröffentlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Folter im Internet auch zukünftig von US-Gerichten verfolgt werden wird. Berichte über Abu Ghuraib, Guantanamo, die illegalen Entführungen des US-Geheimdienstes nach und von Afghanistan – zum Beispiel die rechtswidrige Entführung und Gefangenhaltung des deutschen Staatsbürgers Murat Kurnaz und die Berichterstattung darüber könnte in Zukunft von und in den USA kriminalisiert werden. Das ist vor allem innerhalb der Vereinigten Staaten ein Riesenproblem. Wir alle kennen die Berichterstattung der Washington Post über die Watergate-Affäre und viele andere Enthüllungsstorys. Sie waren und sind der Stolz freier Presse in den USA. Die Frage ist, ob die Pressefreiheit durch das Assange-Urteile gefährdet ist, oder gar auf dem Spiel steht.

Es bleibt ein fader Beigeschmack

Trotzdem ist es ein Grund zum feiern, dass Julian Assange nach einem Martyrium der sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London, den unseligen, am Ende aufgegebenen Vorwürfen von Vergewaltigung, die ihm soziale Isolation auf engstem Raum bescherten, endlich entkommen ist. Danach fünf Jahre Isolationshaft im britischen Stammheim, dem Terroristengefängnis Belmarsh in Isolationshaft, die ihn zum gesundheitlichen Wrack gemacht haben. In der Sache haben die US-Regierung und die australische Regierung vereinbart, dass Assange sich auf den US-angehörigen Marianen vor Gericht als schuldig erklärt, um dann dafür zu einer geringfügigen Strafe verurteilt zu werden, und anschließend nach Hause fliegen zu dürfen. Das ist eine Niederlage der Pressefreiheit, denn Assange, der der Gerechtigkeit einen Dienst erwiesen hat, wird durch diesen schmutzigen Deal gezwungen, sich schuldig zu erklären. Mit der Folge, dass seine Verdienste in den Dreck gezogen werden und die USA allen Journalist*innen der Zukunft drohen, ja keinerlei militärische Verbrechen oder Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von der Justiz verfolgt zu werden. Insofern ist der Deal ein Rückschlag für die Pressefreiheit und ein indirekter Sieg für einen Lügner und Vergewaltiger der Wahrheit und Aufklärung namens Donald Trump.

Baerbocks Versagen auf der ganzen Linie

Auch einen faden Beigeschmack in Deutschland hat der jetzt beschlossene Deal in Sachen Assange. Die deutsche Außenministerin hatte sich im Wahlkampf 2021 intensiv für das Schicksal Julian Assanges eingesetzt. Mit Beginn ihrer Amtszeit als Außenministerin ist keinerlei Initiative bekannt, mit der sie versucht hätte, zu seinen Gunsten zu vermitteln, für die internationale Pressefreiheit und Rechte von Whistleblowern einzustehen. Auch der aktuelle Deal geht auf die Initiative der australischen Regierung zurück, Baerbock oder das Auswärtige Amt haben dazu nichts beigetragen. Der Einsatz Baerbocks für menschenrechtliche Aussenpolitik lässt in der Praxis zu wünschen übrig. Er entpuppt sich als Phrase ohne Inhalt. Das ist politisch peinlich, aber vor allem menschlich ein abgrundtiefes Versagen.

 

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. A.Holberg

    Das sollte m.E. klar sein: die USA, Herrin unserer “regelbasierte Ordnung” teilen eine der Regeln mit der N’drangheta, der Camurra und Mafia – die der “Omertá”. Nur Assange hat das Glück, noch zu leben, wenngleich gesundheitlich deutlich mitgenommen. Gutbezahlte Leute von der Art der Baerbocks und des Gros der Systhemmedien sind sich dessen offensichtlich bewusst

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