Krankenhausreform — Kurskorrektur für bessere Versorgung und gute Arbeit wird dringend gebraucht
Ende 2022 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, eine „Gesundheitsrevolution“ ausgerufen. Seither diskutiert das Land über die Krankenhausreform. Die braucht es dringend. In kaum einem anderen Land werden so viele Kranke stationär versorgt wie in Deutschland. Dabei wird pro Fall im OECD-Vergleich nirgendwo weniger Geld ausgegeben als hier. Kein Wunder: Zwei Drittel der Betriebsausgaben im Krankenhaus sind Personalkosten – und bei der Ausstattung mit Personal bilden die deutschen Krankenhäuser in der OECD weiter das Schlusslicht.
„Im Gesundheitswesen muss der Mensch im Mittelpunkt stehen, nicht die Ökonomie.“
Die schlechte Personalausstattung schadet der Versorgungsqualität, das ist evident. Es lohnt sich, in die Schweiz oder nach Dänemark zu schauen, denn beide Länder gelten als Reformvorbild. In der Schweiz liegt die Personalausstattung im Krankenhaus um 60 Prozent, in Dänemark um 45 Prozent höher als in Deutschland. Eine grundlegende Neuausrichtung ist also überfällig. Dabei muss die bestmögliche Versorgung im Fokus stehen. Die steht und fällt damit, wie viel qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Deshalb sind Leistungsgruppen, für die Krankenhäuser zukünftig Mindestpersonalvorgaben einhalten müssen, ein guter Reformansatz. Doch der Gesetzentwurf greift hier viel zu kurz. Es braucht Qualitätskriterien für alle Berufsgruppen, nicht nur für die Ärzt*innen. Denn Arbeit im Krankenhaus ist Teamarbeit.
Mit der „Gesundheitsrevolution“ wirbt der Minister für eine „Entökonomisierung“. Richtig ist, dass die Finanzierung seit Einführung der Fallpauschalen – Diagnosis Related Groups, kurz DRGs – die falschen Anreize setzt. Es rechnet sich für Krankenhäuser, die Kosten der Versorgung mit allen Mitteln möglichst gering zu halten. Die Folgen waren und sind Tarifflucht, extreme Arbeitsverdichtung, Outsourcing und weniger Personal für mehr Patient*innen. Zudem stehen die Kliniken unter Druck, möglichst viele lukrative Fälle abzurechnen. Im Gesundheitswesen muss aber der Mensch im Mittelpunkt stehen, nicht die Ökonomie. Dafür ist die Abschaffung des überkommenen Fallpauschalensystems notwendig. Die Einführung einer Vorhaltevergütung ist dann der richtige Weg, wenn Krankenhäuser Fallzahlen senken und zugleich mehr Personal beschäftigen können. Die vorliegenden Pläne kommen dagegen einem Etikettenschwindel gleich, denn die Finanzierung basiert weiter auf Fallmengen.
Die Transformation kann nicht erfolgreich laufen, wenn sie am Reißbrett entworfen und umgesetzt wird. Die Menschen müssen mitgenommen werden. In den Krankenhäusern arbeiten über 1,3 Millionen Beschäftigte. Ihre Interessen müssen berücksichtigt werden, sie lassen sich nicht wie Schachfiguren auf dem Brett verschieben. Fachkräfte, deren Klinik geschlossen wird, bewerben sich nicht automatisch im nächsten, Kilometer entfernten Haus. Entscheidend sind die Arbeitsbedingungen. Alles muss getan werden, um qualifiziertes Personal zu halten und zusätzliches zu gewinnen. Die Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ zeigt ein Potenzial von mindestens 263.000 zusätzlichen Vollzeitstellen, die durch Berufsrückkehrer*innen mit Fachkräften besetzt werden könnten – wenn die Bedingungen stimmen.
Der Umbau des Gesundheitswesens kostet Geld. Dafür müssen die notwendigen Steuermittel von Bund und Ländern kommen. Es ist gut, dass die Bundesregierung nun einen Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro plant. Es kann aber nicht sein, dass den gesetzlich Versicherten die Hälfte dieser Summe aufgebürdet wird. Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP, darf sich hier keinen schlanken Fuß machen. Die Zeit drängt. Allein in den letzten zwei Jahren haben mehr als 50 Krankenhausstandorte Insolvenz angemeldet. Wird dieser sensible Bereich der Daseinsvorsorge ungesteuert abgebaut, wäre das eine Katastrophe. Notleidende Krankenhäuser brauchen kurzfristige, zielgerichtete Hilfe. Bund und Länder müssen sich ihrer gemeinsamen Verantwortung stellen und eine Reform auf den Weg bringen. Und damit sie gut wird, muss der Kurs deutlich korrigiert werden. Dafür machen wir weiter Druck.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
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