Hartmut Kiewert in der Zitadelle Spandau
In Berlin gibt es einige Kunstorte, die zu besuchen sich immer lohnt. Dazu gehört die Zitadelle Spandau mit gleich mehreren Ausstellungsorten, betrieben vom Bezirk Spandau. Schon das alte Gemäuer lohnt die Anreise in diese Berliner Randlage. Der Bau dieser Festung begann im Jahr 1557 und wurde 1594 vollendet. Einer der schönsten Ausstellungsorte ist die Bastian Kronprinz, wo noch bis zum 18. August 2024 die Einzelschau von Hartmut Kiewert zu sehen ist.
Der 1980 in Koblenz geborene und in Leipzig lebende Künstler studierte zunächst Architektur an der TU Berlin und wechselte dann zu Grafik und Malerei an der Burg Giebichenstein in Halle (Saale), wo er 2010 diplomierte. Seine Kunst wurde in Wikipedia so treffend dargestellt, dass ich es einfach zitiere:
“Seit 2008 beschäftigt er sich monothematisch und aus einer herrschaftskritischen Perspektive mit gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnissen, insbesondere dem Verhältnis zu so genannten ‘Nutztieren’. Zunächst thematisiert er die Gewaltförmigkeit der Tierindustrie ganz direkt, in dem er etwa Fleischwerbung persifliert und auf die empfindungsfähigen Tierkörper verweist, welche meist aus dem Bewusstsein der Konsumierenden verdrängt werden. Ab 2011 entwickelt er utopische Szenarien eines herrschaftsfreien Mensch-Tier-Verhältnisses und bricht den objektivierenden Blick auf andere Tiere auf. Schweine, Kühe, Hühner und andere Tiere sind in seinen Bildwelten den Mastanlagen und Schlachthöfen entkommen und erobern menschliche Wohnräume, Parks, Einkaufszentren und Straßen und begegnen Menschen auf Augenhöhe. Hartmut Kiewert lebt seit 2001 vegetarisch und seit 2008 vegan. Auch bei den verwendeten Materialien für seine Werke, wie Pinseln und Farben, achtet er darauf, dass keine tierlichen Bestandteile zur Anwendung kommen.”
In seinen oft sehr großformatigen Gemälden werden die wichtigsten Schlachthöfe auch genannt, sind in Kiewerts Bildern präsent – was sicher nicht unbedingt verkaufsfördernd ist.
Kiewert nennt Namen
In einigen seiner Bilder sind im Vordergrund Menschen und Tiere in trauter Gemeinsamkeit zu sehen, während im Hintergrund Gebäude mit den deutlich lesbaren Namen großer Schlachtbetriebe und Fleischverarbeiter wie etwa “Tönnies, Westfleisch, VION, Wiesenhof, Herta” verfallen, im Sumpf versinken oder sonstwie untergehen. Diese Deutlichkeit gefällt nicht jedem. So heißt es in der Email-Antwort auf meine Anfrage an einen – mit Ernährungsfragen befassten Abgeordneten, ob er sich für eine Ausstellung der Arbeiten Kiewerts im Bundestag einsetzen möge: “…verbindlichen Dank für Ihre Email vom 21. Februar 2024 und Ihren Hinweis zu diesem Künstler. Es handelt sich um sehr eindrückliche Kunstwerke, die jedoch auch die Logos/Namen einiger Unternehmen beinhalten. Dies macht es schwer, sie in Bundesbehörden auszustellen.”
Richtig bemerkt, Kiewert nennt Namen, wird konkret, genau deshalb schreibe ich über ihn und empfehle seine Arbeiten. So auch für Ausstellungen und für den Ankauf von Werken durch den Deutschen Bundestag – die Kunstsammlung oder auch Ausstellung und/oder Ankauf durch das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Aber Hartmut Kiewert ist trotz seiner provokativen Kunst gut im Geschäft, seine Arbeiten sehe ich oft. Sein Galerist, Klaus Kiefer in Essen, kümmert sich ganz ordentlich um die von ihm vertretenen Künstler, und natürlich um das Geschäft. So kann Hartmut Kiewert in Ruhe weitere Kunstwerke produzieren. Auch in der Cubus-Kunsthalle in Duisburg war und ist Kiewert oft zu sehen.
In Berlin wurde übrigens bisher nicht oder nur sehr wenig über die Ausstellung in Spandau berichtet. Im Rahmen der Ausstellung findet am 8.8.2024 von 19.00 bis 20.00 h in der Bastion Kronprinz eine Podiumsdiskussion statt zum Thema “Transformation und Zukunft von Mensch-Tier-Verhältnissen – Wie kann ein Wandel hin zu einer multispeziesgerechten Welt aussehen?” mit Melanie Bujok, Dr. Friederike Schmitz und Hartmut Kiewert. Eine gute Gelegenheit sich mit dem Künstler zu unterhalten.
ZAK
Lohnend ist natürlich auch ein Besuch des von Ralf F. Hartmann geleiteten Zentrums für Aktuelle Kunst (ZAK). Dieses großflächige Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst befindet sich in den Räumlichkeiten der Alten Kaserne. Auf 2500 qm Ausstellungsfläche werden in Wechselausstellungen Gegenwartskunst aber auch Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gezeigt. Hinzu kommen auf einzelne Ausstellungen abgestimmte museumspädagogische Angebot und ein jeweliges Rahmenprogramm.
Dieser Kommentar zu Hartmut Kiewerts Ausstellung spricht mir aus der Seele.
Woher nehmen wir Menschen das Recht, Tiere zu quälen?
Herr Kiewert zeigt uns einen Ausweg.
Ich hoffe, viele Leute finden noch Zeit, um diese wunderbare Ausstellung in Spandau zu besichtigen.
Renate Kratz, Ratingen
und hier noch der Hinweis auf eine weitere Veranstaltung zur Ausstellung:
15.8.: https://www.zitadelle-berlin.de/ev_event/podiumsdiskussion-animal-turn-in-der-kunstwelt/