Ulrich Brand und Markus Wissen holen in „Kapitalismus am Limit“ die Leserschaft ab beim jugendlichen und zunächst emotional geprägten „Retten-Wollen der Welt” vor den Folgen der Klimakrise, das die großen Aktionen der Fridays for Future vor der Corona-Pandemie bestimmte. Die Autoren knüpfen an ihr 2017 erschienenes Buch an, das die „imperiale Lebensweise” beschreibt und analysiert.
In „Kapitalismus am Limit“ wagen Brand und Wissen eine Zeitdiagnose. Im Mittelpunkt steht die sozial-ökologische Krise. Umkämpft sehen sie die politischen Antworten auf die monströse Normalität des kapitalistischen Alltags: Richten es ein „grüner Kapitalismus“ à la European Green Deal, ein modifiziertes Update des „Weiter-so“, eine rechte autoritäre Politik oder ist ein Bruch mit den dominierenden Abläufen erforderlich? Ein Befund lautet: Das Ende des Kapitalismus stehe nicht bevor. Vielmehr vollzöge sich derzeit eine Phase des Übergangs, deren Verlauf und Dauer ebenso ungewiss seien wie das, was auf diese folge. Aktives Eingreifen bleibe unbedingt erforderlich.
Werden sowohl die Wachstumslogik nicht infrage gestellt als auch die globale Ausbeutung von Menschen und Natur nicht hinterfragt, gerate die kapitalistische Produktionsweise und mit ihr die imperiale Lebensweise an nicht überwindbare Grenzen. Das Neue an dieser Entwicklung bestehe darin, dass der Kapitalismus dabei die eigenen Existenzbedingungen untergrabe. Bei der Suche nach Auswegen und Lösungen entstünden rasant zunehmende geopolitische und geoökonomische Rivalitäten. Diese entzündeten sich nicht zuletzt am Zugang zu den Rohstoffen und Infrastrukturen, die für eine ökologische Modernisierung erforderlich seien. Mit einem solcherart modernisierten oder „grünen Kapitalismus“ seien die zahlreichen öko-imperialen Spannungen nicht zu zähmen; ebenso wenig gelänge damit die Abwehr der in vielen Teilen der Welt stärker werdenden autoritären Politiken, die vorgeben, einen Ausweg aus den Krisen und den damit verbundenen Ängsten vieler Menschen liefern zu wollen.
Ulrich Brand und Markus Wissen analysieren mit klarem Blick die gesellschaftlichen Verhältnisse und die oft als selbstverständlich oder natürlich hingenommenen Logiken, die unserer Lebensweise zugrunde liegen. Diese seien nicht selbstverständlich oder alternativlos. Die Autoren entwerfen wichtige Eckpunkte einer solidarischen und emanzipatorischen Alternative und orientieren auf transformative Strategien, die idealerweise Dynamiken in Gang setzen, die sich der Kontrolle der Herrschenden entziehen. Die beteiligten emanzipatorischen Akteure sollten sich des Spannungsverhältnisses bewusst sein, Politik in den und gleichzeitig gegen die Institutionen des kapitalistischen Staates zu machen.
Die Autoren denken das große Ganze. Ihr Buch – es glänzt zudem mit über fünfzig Seiten anregender Anmerkungen und Literaturhinweise – will zum Handeln für eine bessere Zukunft motivieren und Mut machen für ein gutes Leben für Alle.
Ulrich Brand / Markus Wissen, Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven; oekom verlag 2024, 304 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-98726-065-0
Schreibe einen Kommentar