Die Deutsche Umwelthilfe versteht sich auf professionelle PR. Sie kennt den Ranking-Wahn deutscher Medien. Auf Rangordnungen verstehen sich die Deutschen, sogar Journalist*inn*en ohne Ausbildung, die nichtsdestotrotz zu wissen glauben, ihr Publikum sei noch dümmer, als sie selbst. Also: Ranking. Derzeit sind alle Bundesländer in Sommerferien. Also ist die nachrichtenärmste Zeit des Jahres, nur noch übertreffbar durch Heilichahmt/Erster Feiertag. Und gestern war zufällig deutschlandweit ein echt heisser Tag.

Passgenauer ging es nicht: “Zu viel Grau, zu wenig Grün: Viele deutsche Städte fallen durch im ersten Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe”. Kompliment also. Ein Fünferteam leitet 165 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stelle ich mir ziemlich gross und unübersichtlich vor. Fünf Geschäftsführer*innen – puuh, da will ich nicht dazwischensein. Aber entscheidend ist, was unten rauskommt.

Bonn gefällt das – ganz nach unten scrollen, die Besten kommen auf der letzten Seite. Es hat eine topgrüne Ampel bekommen: nur 44,8% Versiegelung und 4,07 “Grünvolumen” – “Die Grünvolumenzahl ist ein Maß für das Vorhandensein dauerhaft bedeckter Boden dreidimensionaler Vegetationskörper (Bäume, Blühstreifen) auf einer Flächeneinheit.”

Alles super also? Schön wärs. Klassenfragen werden mal wieder ausgespart. Da, wo ich wohne, ist es grün. Meine Wohnung steht auf einem ehemaligen Acker der “Wolfsburg”, der baumbewachsene Deich in Sichtweite, begrünte Gärten drumherum, eine Häuserzeile hält den Strassenlärm der Rheindorfer Strasse fern, wie eine Lärmschutzwand. Dort ist es übrigens baumlos und also: heisser. Bewegung zu Fuss oder mit dem Fahrrad bringt jederzeit fühlbare Temperaturunterschiede. Wer vom heissen Suttnerplatz und der Kennedybrücke zum Beginn des Schwarzheindorfer Deiches an der Kaiser-Konred-Strasse kommt, merkt den Temperaturunterschied von gefühlt 5 Grad sofort. Das war 25 Jahre eine optimale Dramaturgie für mein Berufspendeln – das Nachhausekommen als fühlbare Erholung.

Doch wie viele Bonner*innen wohnen so privilegiert? Wer in meiner privaten Wohnumgebung keine Wohnung hat, bekommt auch keine mehr. Weil sie nicht mehr bezahlbar sind. Wäre es heute auch für mich nicht mehr, Glück gehabt.

Diese Wohnungsfrage ist die Klassenfrage unserer Zeit. Ich kenne keine Partei, die das schon verstanden hat. Ausser die FDP, “die Agentur jener Kräfte, denen wir in unserer Gesellschaft die Macht abnehmen wollen” (Jungdemokraten-Bundeshauptausschuss 1980 in Bonn, Haus Steineck, in Anwesenheit von FDP-Generalsekretär Günter Verheugen, not amused).

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net