Statt eine Vermögenssteuer einzuführen, lässt sich der Staat beklauen

Die Aufgaben sind riesig. Die Erderwärmung nimmt dramatisch zu und damit Überschwemmungen, Stürme und Dürren. Die Bundeswehr soll Diktatoren wie Putin künftig Paroli bieten können, zugleich bröckelt die Infrastruktur. Bildungschancen hängen enorm vom Elternhaus ab, der Pflegebedarf wächst. 600 Milliarden Euro beträgt der Investitionsbedarf in Deutschland in den kommenden zehn Jahren – das haben arbeitgeber- und gewerkschaftsnahe Wissenschaftler*innen gemeinsam ausgerechnet. Doch die FDP besteht darauf, die Schuldenbremse einzuhalten. Dabei ist klar: Wenn jetzt nicht massiv investiert wird, sind die Folgekosten umso höher.

An das notwendige Geld könnte die Regierung freilich nicht nur durch neue Kredite kommen. 90 Prozent des Privatvermögens liegt heute in der Hand von 20 Prozent der Bevölkerung. Müssten sie sich angemessen an den Staatskosten beteiligen, wären die notwendigen Investitionen kein Problem. Doch tatsächlich werden die Reichen immer reicher, während der Staat unterfinanziert ist und die Spaltung der Gesellschaft in Deutschland so groß ist wie kaum in einem anderen EU-Land.

Das liegt zum einen an der ausgesetzten Vermögenssteuer. Doch auch viele anderen Regelungen kommen den Wohlhabenden zugute. Dafür sorgt eine starke Finanzlobby. Sie wendet allein 42 Millionen Euro im Jahr auf, um die Gesetzgebung im Bundestag zu beeinflussen, wie die Bürgerbewegung Finanzwende kritisiert. Auch kriminelle Steuerhinterzieher profitieren. So wurden mit sogenannten Cum-Cum-Geschäften 28,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse geklaut.

Obwohl Gerichte die Methode eindeutig als Betrug identifiziert haben, ist bisher kaum etwas an die Finanzämter zurückgeflossen. Das liegt nicht nur an unterbesetzten Staatsanwaltschaften, sondern auch daran, dass sich keine Behörde systematisch mit solchen Themen beschäftigt. Zwar will Finanzminister Christian Lindner jetzt ein Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) gründen. Das aber soll sich nur mit Geldwäsche beschäftigen – was bereits das Bundeskriminalamt tut. Steuerbetrug wird beim BBF hingegen kein Thema sein. Die Lobbyisten können jubeln.

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