Leute, Leute, Leute, unterschreibt bitte nicht alles, was sich wohlmeinende, jedoch nicht besonders gut Informierte – vielleicht gar mit einem Rucksäckle Antiamerikanismus als Gepäck -, zu Papier bringen. Der Moment der Entscheidung, die sicherheitspolitische „Wasserscheide“ für uns in Europa, das war der Beginn des offenen und die Zerstörung der Ukraine insgesamt als Ziel erstrebenden Kriegs im Februar 2022. Da beißt die Maus nun mal keinen Faden ab.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es durchaus Überlegungen, aus den gefahrvollen Entwicklungen nach dem Ende des INF-Vertrages raus zu finden. Es gab russische Vorschläge im Oktober 2020, US-amerikanische, im Rahmen der NATO diskutierte Antworten bis hin zu gegenseitigen Verifikations-Ideen für neue Raketen-Typen und zum Rückzug russischer Raketen aus dem früheren Ostpreußen auf Positionen hinter dem Ural. Das kam nicht zum Ende, denn Putin begann einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine.

Mit diesem Krieg ist die – man sagt dazu – „Sicherheitsarchitektur“ Europas zerstört worden. Das heißt: Unsere Idee davon, wie äußere Sicherheit herzustellen sei in den immer wieder bekräftigten und beglaubigten Grenzen, die ist zerstört. Kaputt. Niemand kann – wie Wagenknecht und andere bis hin zu AfD-Leuten meinen – am Zustand vor Beginn dieses Krieges wieder anknüpfen, die Idee wieder zusammenfügen. Kitten. Kleben. Wann begreifen manche das endlich mal?

Dmitrij Medwedjew, diese Albtraum-Figur, hat das dieser Tage bekräftigt. Lest es endlich: „Bis zur vollständigen Vernichtung des Feindes“ könne es keine Gespräche geben. Vor dem Vorstoß der Ukraine in die Gegend von Kursk habe die „theoretische Gefahr“ bestanden, dass Russland in eine „Gesprächsfalle“ laufe. Vollständige Vernichtung. Und nun ist das vorbei.

Auf dem NATO-Gipfel wurde aus dieser Tatsache eine Schlussfolgerung gezogen. Es sollen ab 2026 neue Raketen gegen die russische Föderation in Stellung gebracht werden – auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland, die bis heute am schrecklichsten von Raketen bedroht wird, die ab 2018 atomar bestückt wurden, und die in der Gegend Kaliningrads bereitgestellt wurden. Man tut so, habe ich den Eindruck, als seien diese Raketen mit Konfetti geladen. Über das Zerstörungspotenzial in der Gegend Kaliningrads wird fast nicht geredet. Wie kommt das? Haltet Ihr – ich schreib das nicht mehr neutral – haltet Ihr Putins oder Medwedjews Drohungen und Festlegungen für so eine Art „Unterhaltungsprogramm“ für ängstliche Westler? Das sehen die Bewohner der Ukraine, Polens, Litauen, Moldawien etc. aber ganz anders. Zählt deren historisch festgebackene Furcht überhaupt nicht mehr?

Und auch jetzt gäbe es eine dicke Chance, die angekündigten neuen Raketen zu verhindern. Nämlich dann, wenn Putin und Co. einen Beleg liefern würden, dass sie ein neues Wettrüsten vermeiden wollten. Wlado der Große könnte doch demnächst die neue Präsidentin der USA anrufen, um ihr zu sagen: Wir transportieren unsere Raketen aus Kaliningrad ab, dann braucht ihr eure nicht aufzustellen.

Da kommt aber leider zum Tragen, was Frau Wagenknecht etwas irritiert auf eine Lanz-Frage, warum Putin nicht von seinem Kurs abwiche, sagte: Das würde man ja als Schwäche auslegen.

Leute, Leute, Leute. Der Text des Präsidiums der SPD und das gewählte Verfahren ist gewiss kein Glanzstück innerparteilicher Demokratie. Geschenkt. Lasst uns über Wichtigeres reden.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.