Machen es den Rechten leichter – weltweit; IS als Partner?

“Eurasien” funktioniert in den USA als feindliche Projektionsfläche. Täten sich EU-Europa, Russland und China zusammen, quasi als “Super-BRICS”, wäre es um die weltweite Dominanz der USA und ihres Dollars, der ihnen eine unbegrenzte Staatsverschuldung ermöglicht, geschehen. Das “darf” also nicht passieren. Und passiert auch nicht. Stattdessen passiert etwas in den eurasischen Räumen, die schon für EU-Bürger*innen ein unbekanntes Land, also auch mehr Projektionsfläche als Partner sind.

Kai Kleinwächter/telepolis referiert eine Analyse von Dr. Malikov Kadyr Kurmanbekovich geb. 1972, Studium islamisches Recht und Politik (Universitäten Jordanien, Madrid, 2001-2007), tätig in Ministerien Jordaniens und Kirgisistans, Leiter Analysezentrum “Religion, Recht und Politik”, Lehre OSZE-Akademie, Berater des Innenministers Kamil_Malikov@mail.ru. Blind für die Gefahr: Der Westen unterschätzt IS in Zentralasien – Während sich der Westen auf die Ukraine konzentriert, erstarken IS-Gruppen in der Region unbemerkt. Sie nutzen Spannungen zwischen Nato-Staaten, Russland und China.” Das passt wie die Faust aufs Auge des grausamen Solinger Terroraktes.

Und wirft Fragen auf, die in ähnlicher Weise schon türkische Demokrat*inn*en an ihren Despoten Erdogan richteten, und für sie Flucht und Exil zur Folge hatten. Ist die Terrororganisation IS in der Praxis ein strategischer Partner “unserer” Geheimdienste, so wie es die Hamas für Netanyahu war und ist? Augenfällig ist ein gemeinsames Interesse und Bestreben nach Militarisierung, Autoritarismus und Kontrolle über widerständige oder nur abweichende gesellschaftliche Tendenzen.

Gemeinsam ist ihnen das Vorantreiben der KI/AI-Revolution, längst ein weltweites Daten-Wettrüsten aller gesellschaftlichen Systeme. Roland Benedikter/telepolis: Die Chatbot-Revolution könnte auch in Deutschland politische Folgen erzeugen – Die KI-Revolution erfasst Politik. Chatbots beeinflussen Wahlen und Meinungen oder treten als Kandidaten an. Wie wird sich das auf Deutschland auswirken?” Einerseits gibt der Autor einen informativen Einblick. Andererseits umschifft er entscheidende materialistische Fragen. Wer programmiert die Algorithmen? Wer verfügt über sie? Teil der Antwort: spezifische Kapitalinteressen, die analytisch näher zu identifizieren wären. Mit welchem Interesse? Antwort: es ist Profitinteresse. Was folgt inhaltlich daraus? Wie wäre darüber eine demokratische gesellschaftliche Kontrolle zu gewinnen und auszuüben?

Sachdienliche Hinweise – aber mit einer skandalös-naiven Leerstelle – von Rob Kenius/overton: Die Finanzmacht agiert und Krieg gehört dazu – Die Aggressivität der unendlichen Dollarvermehrung”. Wie kann ihm eine Redaktion das nur durchgehen lassen: “Was Demokratie im Marxismus ist, und wie Kapitalismus in China praktiziert wird, kann damit nicht erklärt werden und bleibt der ewigen Diskussion überlassen.” Tatsache ist: zweitgrösster ausländischer Gläubiger der USA ist – nach Japan – China! “Länder, die sich der Finanzmacht widersetzen” – ??? Richtig daran ist, dass China seine Gläubigerporsition in den letzten Jahren reduziert hat; es war einst grösster Gläubiger, und scheut verünftigerweise das Klumpenrisiko. Das als “Widerstand” zu bezeichnen, ist eine ungewöhnlich steile These, der ich nicht folge.

Widerstand wäre eine gute Idee

Staaten sind dafür jedoch die falsche Adresse. Sie haben keine Alternative zur Realpolitik. Widerstand kann zivilgesellschaftliche Basis organisieren und ausüben, Einfluss und Druck auf Innen- und Aussenpolitik ihrer jeweiligen Regierung geltend machen. Dafür sind unveräusserliche Menschen- und Bürger*innen*rechte erforderlich – andernfalls setzen sich immer nur marginale Sekten dafür ein. Solche Rechte gibt es nur in einer kleinen Minderheit von Ländern und Staaten. Und wo es sie gibt, sind sie zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für politische Wirksamkeit. Das ist vertrackt.

Und das Klima?

Das macht es noch vertrackter und überwölbt die relevant bleibenden Klassenfragen und -widersprüche. Das Klimaschutz ist nur durch ein klassenübergreifendes und systemübergreifendes Bündnis machbar. Klimaschutz rangiert in seiner naturgesetzlichen Dringlichkeit weit vor anderen demokratischen und Systemfragen. Im Klartext: er muss vor dem Sturz despotischer Regime beginnen, also mit ihnen. Das erfordert Verständigung, Diplomatie, Waffenstillstände, Verhandlungen noch und nöcher – und das alles sofort und mit hoher Geschwindigkeit. “Follow the science”!? Nichts daran ist einfach. Aber dringend.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net