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Gesetzwidrige Bedenkenlosigkeit

Die Bedenkenlosigkeit mit welcher Friedrich Merz oder auch Jens Spahn sowie CSU-Boss Söder nach den Morden und Mordversuchen in Solingen reden, die ist erschreckend. Auch das publizistische „Umfeld“ der teils völlig gesetzeswidrigen Forderungen aus den Unionsparteien ist erschreckend. FAZ-Kommentator Jasper von Altenbockum schrieb am 26. August in der Zeitung über ein „linkes Axiom“, wonach die Willkommenskultur „über alles geht“. Darin steckt eine beweisfreie Behauptung, eine Minimierung der mit der Immigration verbundenen Probleme, die – nach meiner Auffassung – zuerst Mal der AfD nutzt. Wir wissen heute aus vielen – auch entsetzlichen Taten -, dass unter den nach Deutschland flüchtenden, strebenden Menschen auch potenzielle Verbrecher, Bösewichte stecken. Wahrscheinlich ist das seit den ersten Flüchtlingsbewegungen seit dem Entstehen islamistischer Gruppen so.

Kein Land, in das solche Gruppen wollen, ist vor den Gefahren gefeit, die von ihnen ausgehen. Das haben die USA erlebt und erlitten, Spanien, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Österreich – auch Russland und die Türkei. Nirgendwo ist eine Ordnung entstanden, die Anschläge auf die Bevölkerung sicher verhindern könnte. Das allerdings ist etwas, das mit dem Wort Axiom belegt werden könnte. Die Bundesrepublik Deutschland ist nun mal kein Polizeistaat – und nicht mal ein Polizeistaat kann letztlich Anschläge verhindern.

Unter den heutigen Bedingungen ist es richtig, das Mitführen von Waffen und waffenähnlichen Gegenständen in der Öffentlichkeit zu verbieten. Schaue ich mich in meinem weiten Bekanntenkreis um, finde ich niemanden, der einen Grund hätte, ein Messer beim Spaziergang, beim Besuch der Eisdiele, während des Einkaufs, während eines Treffens mit Bekannten „beim Italiener“ oder während man im „Drehwerk“ zu Adendorf im Kinosessel sitzt, mitzuführen. Man wartet seit Monaten auf eine überzeugende Begründung des Bundesjustizministers Buschmann, warum er sich gegen eine Messer-Sperre wehrt. Wahrscheinlich hält er eine solche Sperre für eine schwerwiegende Freiheitseinschränkung: Nach dem „freie fahrt für freie Bürger“ das „freie Messer für freie Bürger“ – oder so ähnlich.

Oppositionsführer Merz erklärte am Wochenende dazu: „Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Menschen, die damit herumlaufen.“ Söder möchte „anlasslose Kontrollen auch in Fußgängerzonen“ – sofern es solche in nennenswerter Größe in der weiteren Zukunft noch geben sollte, da die FDP diese einschränken will. Der sächsische Innenminister Schuster sprach sich gegenüber der FAZ dafür aus, den Asyl-Zuzug „auf nahezu Null“ zu reduzieren. Nicht die Asyl-Inanspruchnahme, sondern den Zuzug.

Es sieht nach all diesen Wortmeldungen und Forderungen so aus, als ob die Bundesrepublik eine Art „el Dorado“ für Gesetzesbrecher sei. Was geschieht tatsächlich? Ich folge hier einer Darstellung der Bundeszentrale für Politische Bildung aus dem Juli 2024, die sich auf Drucksachen des Bundestages stützt.

„2023 wurden aus Deutschland 16.430 Menschen abgeschoben, die meisten in ihre Herkunftsländer. Im Jahr 2022 waren es 12.945 Menschen, 2021 waren es 11.982 und 2020 insgesamt 10.800 Menschen. Damit gab es in den vergangenen drei Jahren deutlich weniger Abschiebungen als in den Jahren zuvor: 2019 wurden 22.097 Menschen abgeschoben, 2018 waren es 23.617. Die Abgeschobenen stammten 2023 vor allem aus Georgien, der Türkei, Afghanistan, Nordmazedonien und Albanien. … Unter all den abgeschobenen Menschen waren 2.863 Minderjährige, deutlich mehr als noch im Jahr 2022 (349 Minderjährige).“

Der nächste Schritt zeigt auf, in welchen Bundesländern wie viele abgeschoben werden. Ich folge hier wieder einer Darstellung der Bundeszentrale für 2023 und 2022:

Nordrhein-Westfalen      3663       3118

Bayern                                       2364       2046

Baden-Württemberg        2087      1650

Berlin                                          1375         890

Hessen                                       1344      1018

Niedersachsen                      1115        789

Sachsen                                        855        565

Daraus folgt, dass die Zahl der Abschiebungen wenig bis nichts mit dem Parteibuch des Ministerpräsidenten zu tun hat, aber vielmehr mit der Zahl der Zuweisungen von Menschen durch die Bund und Länder selber.

Der verdienstvolle Mediendienst Integration („Wir sind eine Informations-Plattform und Recherche-Service für Journalistinnen und Journalisten zu den Themen Flucht, Migration und Diskriminierung“) hat sich mit der Frage befasst, was geschieht, wenn die Abschiebung nicht geklappt hat:

„Rund 30.300 Abschiebungen sind 2023 vor der Übergabe der ausreisepflichtigen Personen an die Bundespolizei gescheitert. In den meisten Fällen lag es daran, dass die Abschiebeflüge kurzfristig gestrichen wurden. Etwa 1.000 Abschiebungen scheiterten nachdem die ausreisepflichtige Person an die Bundespolizei übergeben wurde. Nur in etwa ein Prozent der gescheiterten Abschiebungen wurden diese wegen des Widerstands der Betroffenen abgebrochen, nämlich bei 295 Abschiebungen; 77 wegen medizinischer Gründe. In 230 Fällen weigerten sich die Fluggesellschaft oder der/die Pilot*in, die Abzuschiebenden zu transportieren.“

Und:

„Wenn Ausländer*innen ‘von außen’ die Grenze der Bundesrepublik überschreiten wollen und dies von den Grenzbehörden verhindert wird, spricht man von ‘Zurückweisung’. Eine ‘Zurückschiebung’ findet hingegen statt, wenn Ausländer*innen bereits unerlaubt die Grenze überschritten haben. Im Jahr 2023 hat die Bundespolizei 34.860 Personen an den Grenzen zurückgewiesen. 4.776 Personen wurden zurückgeschoben. Im Gesamtjahr 2022 gab es etwa 25.500 Zurückweisungen (davon rund 16.000 von Personen aus sogenannten Asyl-Herkunftsländern) und rund 5.100 Zurückschiebungen.“

Das ist die Sachlage.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.

6 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Die Flüchtlinge, die all diese sauberen deutschen Abschiebedemokraten aus- oder abweisen wollen, sind Menschen, die vor solchen Tätern fliehen. Wer sich gegen sie wendet, besorgt also exakt das politische Geschäft dieser Täter. Gehts noch dümmer?

  2. Petra Hennicke

    Unabhängig davon, dass ich etliche Einschätzungen teile (unter anderem, dass kein Land, egal welcher politischen Ordnung ein Mittel gegen Terroranschläge gefunden hätte), so frage ich mich doch ernsthaft: Hätte ein bereits bestehendes Messerverbot diesen Anschlag in Solingen verhindert? Wie soll denn so ein Messerverbot kontrolliert werden? Security Checks an jeder Fußgängerzone? So, wie an Flughäfen, an denen ich auf Reisen bereits 2 Schweizer Taschenmesser in den Müll werfen musste und mir danach kein neues angeschafft habe (was ich auf Wanderungen schon mehrfach sehr bedauert habe).
    Die Fokussierung auf dieses politische Thema (die SPD ist ja heute schon darauf eingestiegen) halte ich für mindestens hilflos, wenn nicht so sogar gefährlich. Denn was passiert, wenn nach dem Messerverbot der nächste Anschlag kommt? Und der wird kommen. Mit einem Stein zum Beispiel oder einem Seil? Steineverbot in Deutschland? Seilverbot?

  3. Klaus Vater

    Wär´s nicht besser zuerst mal zu sehen, wie weit die Sicherheits-Behörden mit einem Messerverbot kommen, statt von vorn herein zu sagen, funktioniert nicht?

    • Helmut Lorscheid

      Lieber Klaus,

      das Ermorden anderer Menschen ist heute schon verboten, sollte auch weiterhin streng bestraft werden. Aber glaubst Du, das hält einen gestörten Menschen mit Mordlust davon ab? Warum nur denken Sozialdemokraten und insbsondere -innen (wie Frau Faeser) so oft nur so kurz. Schärfere Gesetze fordern ist doch genau so ein Stuss wie “schneller abschieben”. Abgeschoben werden sollen aktuell kurz vor Abschluss ihrer Ausbildung als Altenpfleger stehende junge Menschen aus – habe ich vergessen, ist mir auch egal –
      Die die gemeldet sind, die kann man ja auch einfacher finden, als Menschen, die untergetaucht sind…

  4. Petra Hennicke

    Das ist so ein typisch politisches Argument, mit dem man jede Idee erst mal umsetzen kann, egal, wie sinnvoll sie ist oder nicht. Aber dann lassen wir es jetzt einfach mal bei Ihrem Totschlagargument – und schauen uns die Sache später noch mal an. Ich schätze mal, in spätestens 6 Monaten haben wir die nächste Diskussion.

  5. Helmut Lorscheid

    Lieber Klaus, ich habe einen anderen Vorschlag – einfach keine Kriege führen, die Menschen nicht nur physisch sondern vor allem auch psychisch krank machen. Kein Geld und vor allem keine Waffen mehr an Israel, Ukraine u.a. liefern und nicht deren Kriege auch noch finanzieren,. Mich wundert es, dass es so wenig passiert. Meine Hochachtung vor den aus Kriegen geflohenen, dass sie sich so im Zaum haben. Auf die bekloppten Forderungen solcher unverantwortlichen Hasardeure wie die in der CDU braucht man an dieser Stelle gar nicht einzugehen. FAZ lese ich nicht, habe ich übrigens noch nie gemacht. Bin auch so ganz gut durchs politische Leben gekommen. Was ich von der Politik erwarte, ist dass sie den Menschen die Wahrheit sagt. Dazu gehört auch, dass traumatisierte Menschen durchaus auch Morde begehen können. Damit müssen wir rechnen. Das beste Mittel dagegen ist.. siehe oben – keine Kriege führen und den Flüchtlingen auch therapeutische Hilfe zu kommen lassen. Und ja – das kostet Geld, viel Geld. Aber Krieg führen kostet mehr, nämlich Menschenleben und dazu gehören auch “die Feinde” – sind auch Menschen – meistens welche, die selbst einfach nur gut leben möchten und selbst nie auf die Idee kämen, in einen Krieg zu ziehen… Irre Ideen haben übrigens nicht nur Christdemokraten, es gibt auch Typen
    in anderen Parteien, wie Pistorius, Hofreiter, Baerbock.

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