Die Trump/Harris-TV-Debatte

Wer als Kind zu den Kämpfen von Muhammed Ali aufgestanden ist, für den waren die 3.00 MEZS heute morgen bei Trump/Harris keine so schwere Übung. Schwer verdaulich war eher – wie allerdings auch zu erwarten – das Auftreten Trumps.

Wenn Problemorientierung und sachliches Argumentieren wahlentscheidend wären, dann lautete das Ergebnis 95 zu 0 für Harris. Auch bei Harris waren für die Faktenchecker zwar einige sachliche Fehler auszumachen, aber bei Trump war – an rationalen Maßstäben gemessen – das Allermeiste schlicht falsch oder wenn, dann nur in homöopathischen Dosen mit Fakten belegbar. Am skurrilsten war Trumps These, wonach Migranten in den USA den Amerikanern die Hunde und Katzen rauben, um sie zu aufzuessen … very weird.

Harris hielt sich gut, war in aller Regel sachlich, traf den Egomanen Trump mit spitzem Florett aber dann auch mal am Gemächt – der Guardian spricht von „symbolischer Kastration“. Sie setzte Wirkungstreffer, die Trump sichtlich verwirrten und die er mit doppeltem Furor zu beantworten suchte. Nicht souverän.

Für jemanden, der versucht, sich an Inhalten, Problemlagen und sachlichen Erwägungen zu orientieren ist, ist Harris also die klare Siegerin. Aber das muss ja nicht unbedingt auch in den Wählerpopulationen der USA und im Sinne eines möglichen späteren Wahlerfolgs so sein. Dennoch sehen auch Umfragen in den USA Harris als Siegerin. Sie hat sich

1. Persönlich profiliert und gezeigt, was von ihr zu erwarten ist

2. Sie hat auch die schwankenden Republikaner angesprochen und so ihre mögliche Anhängerschaft erweitert

3. Stattdessen hat Trump voll auf die Mobilisierung der Trump-Heads gesetzt und die WählerInnen der politischen Mitte eher abgeschreckt

Vielleicht wird wahlentscheidend sein, dass Trumps Ultraanhängerschaft nicht groß genug ist, um Wahlen zu gewinnen. Dass er hier heute in eine falsche Richtung marschiert ist, könnte noch einige Bedeutung erhalten.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.