Die Fronten für den Bundestagswahlkampf 2025 sind klar: Die CDU hat mit Merz einen Trump-ähnlichen rückwärtsgewandten, zu jeder rassistischen Kampagne fähigen Kandidaten aufgestellt, der gegen Minderheiten, Armut, Liberalität, Diversität und die ökologisch dringend erforderliche Energiewende polemisiert. Merz und sein Spießgeselle Söder haben in den vergangenen zwei Jahren die AfD kopiert, indem sie die Grünen gebasht und verteufelt, sowie den Klimawandel geleugnet haben, indem sie AfD-Narrative und deren Flüchtlingspolitik übernahmen. Allein diese Positionierung schließt jedes Koalieren mit dieser Rechtsunion von vornherein aus und das sollten die Grünen auch inhaltlich deutlich machen. In einer solchen Konstellation können die Grünen nur verlieren. Das müsste nun als klares Signal auf Bundesebene ausgegeben werden. Laschet ja, Günther ja, Strobl ja, Wüst naja, aber Merz ist für uns der selbsterklärte politischer Gegner, ebenso wie Söder.
Denn die Grünen müssten inzwischen hinreichend verstanden haben, was ihnen Bündnisse mit der CDU, bei denen sie der Juniorpartner sind, einbringen: In Hessen waren sie so naiv, den CDU-Mann zum Ministerpräsidenten zu wählen, der sie ein Dreivierteljahr später aus der Koalition warf, weil Nancy Faesers SPD billiger zu haben war. In Sachsen-Anhalt hat Haseloff die Grünen zum Hauptfeind erklärt und gegen die FDP ausgetauscht. In Sachsen droht ähnliches mit dem BSW. Und wo sind sie in NRW? In der ThyssenKrupp-Stahlkrise haben wir Sigmar Gabriel und Hendrik Wüst gesehen. Wo war Wirtschaftsministerin Neubaur? Warum hat sie nicht da oben gestanden und an die Besetzung der Brücke von Rheinhausen erinnert und den Herrn Wüst tödlich umarmt, indem sie versprach, “dass das Land seine Stahlkocher nicht im Stich lassen wird?” Grüne in NRW werden zu oft über den Tisch gezogen – in der KiTa-Politik, in der Sozialpolitik, in ökologischen Fragen, und Josefine Paul bekam zuletzt in der Migrationspolitik unverdient den “schwarzem Peter” zugeschoben. Zudem hat die Union dem bisher weitgehend glücklosen grünen Justizminister Limbach immer wieder Fallen gestellt, in die er unerfahren tappte. Der Gipfel: die Personalpolitik des Opus-Dei-nahen Strippenziehers und Staatskanzleichefs Liminski, dessen Strategie zur Positionierung einer katholischen Lobbyistin an der Spitze des Landesverwaltungsgerichtshofs, für die Limbach sogar eine verfassungsrechtliche Ohrfeige aus Karlsruhe kassierte. In gescheiterten Beziehungen weiss man: “Du tust mir nicht gut”. Bis zu den Grünen in Bund und Ländern ist diese Erkenntnis bezüglich der CDU noch nicht durchgedrungen. Da steht die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur neben Wüst, der gerade auf einer Koalitionspressekonferenz seine Nicht-Kandidatur zum Kanzlerjob verkündet – eigentlich eine politische Unverschämtheit gegenüber der Koalitionspartnerin. Und reagiert – nicht.
Kompromissbereit bis zum Rückgratbruch?
Robert Habeck und die Grünen im Bund haben auch in der Ampel viele Kompromisse gemacht. Aber die waren oder hatten zumindest den Anschein, dass letztlich selbst mit dem Grünen-Basher Lindner auf Augenhöhe verhandelt wurde. Auch, weil seine Angriffe sich letztendlich gegen sich selbst gerichtet haben, die FDP an der 5%-Hürde herumkrebst. Aber nach zwei Jahren Grünen-Bashing durch die Union und rückläufiger Umfragewerte muss die Grüne Partei ihre Strategie überdenken. Das Paradebeispiel Baden-Württemberg ist auf Dauer nicht mehr tauglich. Denn zu sehr profitierten die Grünen dort von der Verbürgerlichung durch den populären Winfried Kretschmann, der die schwachen Gestalten der Südwest-CDU mühelos überstrahlt hat. Ob das sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin schaffen können, steht in den Sternen, zumal die nicht feststehen und sich nicht warmlaufen können. Zeit für eine neue Strategie und Konsequenzen aus der Ampel. Die “Schwampel” in Schleswig-Holstein wiederum ist ein Unikum. Denn Daniel Günther ist politisch Links von vielen Sozialdemokraten angesiedelt und die FDP in Kiel ist mit und trotz Wolfgang Kubicki immer noch linksliberal.
Wieder in grüne Angriffsposition kommen
Der Klimawandel wird fortschreiten und sich verschärfen. Die Asylpolitik braucht dringend die Grünen, die klar machen müssen, was mit ihnen NICHT geht und wo vor allem die Grenzen unserer Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention sind. Papiere wie die “Innenpolitische Zeitenwende” von Irene Mihalic und Konstantin von Notz sind ehrenwert und inhaltlich durchdacht. Sie senden aber zur falschen Zeit das falsche Signal. Die in der Sache richtigen Forderungen in den Zusammenhang mit den Reaktionen auf den Solinger Islamistenanschlag zu präsentieren, hat den Grünen nichts genützt, aber viele Bürgerrechtler an der letzten verbliebenen Bürgerrechtspartei zweifeln lassen. Die Grünen sollten selbstbewusst beginnen, herauszustellen, dass Rot-Grün immer noch der Kern der inhaltlich besseren Alternative ist, dass das Beharren auf der Schuldenbremse unsere Wirtschaft, den ökologischen Umbau, der immer existenzieller wird und soziale Reformen bis in die Kommunen hinein verhindert. Dass Kaputtsparen der Infrastruktur noch viel extremer künftige Generationen belastet, als die Überwindung der Schuldenbremse. All dies muss jetzt passieren. Ein Jahr VOR der Bundestagswahl, den Kern einer zukünftigen Regierung als 1. Grün, 2. Rot-Grün zu definieren, die, wenn es nicht allein reicht, offen für Mitarbeit sind. Um den Sozialdemokraten und sogar der FDP die Möglichkeit zu geben, ihre Positionen zu überdenken und abzustecken.
Was haben die Grünen zu verlieren?
Sie könnten und müssen ihr ökologisches, soziales, bürgerrechtliches und – ja realistisch – friedenspolitisches Profil zurück gewinnen. Eine faire, wirkliche Entspannungspolitik der Völker Europas unter Einschluss der Bürger*innen Russlands ist das, was Europa bräuchte. Warum nicht für Verhandlungen auf Augenhöhe plädieren, die Vertrauen wieder herstellen müssen, statt auf die ewige Leier setzen, dass Putin nicht verhandeln will – das wissen wir doch. Natürlich will er nicht verhandeln. Aber vielleicht gibt es diplomatische und außenpolitische Strategien, die ihn bloßstellen oder besser – so in Zugzwang bringen, dass er sich bewegen muss, wenn er nicht seine Glaubwürdigkeit in der blockfreien Welt verlieren will? Versucht wurde es noch nicht. Vielleicht könnte man ja sogar Bedingungen formulieren, denen er sich gar nicht verschließen kann, ohne sein Gesicht zu verlieren? Dazu muss man Waffenlieferungen nicht beenden, sondern nur sehr ernsthaft über die Möglichkeiten eines Waffenstillstands und Friedens nachdenken. Und es muss klar gegen rechts gehen und die Tatsache, dass die CDU unter Merz die AfD nicht halbliert, sondern verdoppelt hat und ihre Politik vertritt.
Wo bleibt der außerparlamentarische Arm?
Am 3. Oktober wird in Berlin eine “Friedensdemo” stattfinden, die diesen Namen nicht verdient und von der sich viele Demokraten fernhalten werden. Die Initiatoren sind zwei alte MSB-Spartakus-Aktivisten aus den 70er Jahren, der Aufruf ist eine Katastrophe (verkürzt: Kriege fallen vom Himmel, wir wissen nicht, wer sie angefangen hat, wir sind dagegen, deshalb keine Waffen für die Ukraine”) es reden Ralf Stegner, und Sahra Wagenknecht und die Querfront wird teilnehmen. Dass vom Friedensbüro in Bonn über die DFG-VK und viele Friedens- und Bürgerrechtsgruppen ein ganzes außerparlamentarisches Bündnis empört ist, diesen Wagenknecht-Trip nicht mitmacht, hat die Grüne Parteiführung vermutlich gar nicht mitbekommen. Dabei ginge es jetzt darum, von linksliberalen Anhängern der Entspannunspolitik wie Günter Verheugen über die nicht AfD- oder BSW-nahen Initiativen bis zu den Befürwortern von Waffenlieferungen an die Ukraine ein Bündnis zusammenzubringen. das an realpolitischer Entspannungspolitik interessierte Publikum anzusprechen und viele, die in SPD und Grünen mit den Zähnen knirschen, zu zeigen, dass die Grünen zwar regieren, aber ihre Utopien noch nicht fallen gelassen haben. Für neue Gedanken und Selbstkritik offen sind.
Alle, die im Frühjahr gegen rechts demonstrierten, sind zu gewinnen
Die Ampel wird ohnehin so nicht wiederkommen, weil die FDP beschlossen hat, rechte Blockpartei zu bleiben. Warum soll kein Rot-Rot-Grünes Bündnis, das in Wirklichkeit ein linksliberales Bündnis wäre, gegen die Populisten von AfD, CDU/CSU und BSW eine Chance haben? Die Grüne Partei hat ein weiteres Dilemma, das überdacht werden muss. Ihre Parteispitzen Ricarda Lang und Omid Nouripour sind so in den Regierungsapparat verstrickt, dass sie zur Entwicklung einer Parteistrategie, die die Grünen aus der Opferrolle herausführt, kaum fähig erscheinen. Sie sind so regierungsnah, dass sie z.B. zu einer ironisch-satirischen Plakatkampagne “JA, WIR SIND AN ALLEM SCHULD! – Die Grünen! gar nicht mehr fähig wären. Dabei haben die Grünen gegenüber SPD und FDP einen entscheidenden Vorteil. Sie verfügen (noch) über etwa 12-15% Stammwähler*innen, die auch ein grün angestrichenes Fahrrad wählen würden – wenn man das Grün daran noch erkennen kann!
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