Volkswagen hat seiner Belegschaft den Krieg erklärt, weil das Management unfähig war, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Der Konzern verdient im Moment ca. 12 Milliarden Euro im Jahr und schüttet 4,5 Milliarden an Dividenden aus. Jahrzehntelange soziale Kompromisse, die der Konzern mit satter Staatsbeteiligung früher einführte (z.B. 5000 Mitarbeitende für 5000€) sollen der Vergangenheit angehören. Erstmals seit über 30 Jahren soll es betriebsbedingte Kündigungen geben. VW ist symptomatisch für die Lage in der Automobilindustrie, der FDP und CDU derzeit mit irrlichterndem Blödsinn die Rahmenbedingungen verunsichern.
Im Automobilbau gibt es aufgrund der Klimakatastrophe nur eine realistische Option: Umstellung der gebräuchlichen Flotten auf E-Mobilität, Forschung an neuen Antrieben mit Wasserstoff und – nicht mehr als ein Nischenprodukt – sündhaft teure und wenige E-Fuels für Oldtimer, Nischenfahrzeuge und vielleicht den Rennsport. Und wahrscheinlich Polizei, Feuerwehr, Rettungsfahrzeuge, Katastrophenschutz und – Panzer.
FDP und Union in Europa weigern sich, drei einfache physikalischen Tatsachen zu akzeptieren
1. Der Wirkungsgrad eines Elektromotors liegt bei 65%, d.h. aus 1 kW Energie – Strom – macht er 65% Fortbewegung, Wärme, Kühlung Entertainment, Navigation etc.- das effizienteste bekannte System.
Der Gesamtwirkungsgrad hängt natürlich davon ab, ob 100% Ökostrom oder Braunkohlestrom (32% Wirkungsgrad), Steinkohlestrom (39%) oder Atomstrom (Klimabilanz mit Bau, aber ohne Endlagerung ca. 35%). Der BUND beziffert die Kilowattstunde Atomstrom auf 190mg CO2 Immissionen.
2. Der Wirkungsgrad eines Dieselmotors liegt bei 45% und der eines Benzinmotors bei 20%. Sie stoßen genau deshalb in erheblichem Maß CO2 aus. Zuviel, um noch nach 2030 bestehen zu können.
3. Alternative Antriebssysteme wie die Brennstoffzelle mit Wasserstoff bringen es auf 28% Wirkungsgrad und bei direkter Verbrennung des Wasserstoffs im Verbrennungsmotor, steigt der Wirkungsgrad erstaunlicherweise auf 35%. Für den Autor, der sich in der Vergangenheit engagiert für die Brennstoffzelle eingesetzt hat, selbst eine bittere Erkenntnis.
Alternative Kraftstoffe so “alternativ” wie die AfD
Die gesamte Diskussion über “alternative Antriebe” und “Verbrenner mit e-Fuels” ist deshalb wegen physikalischer Tatsachen eine Luftnummer. Denn selbst wenn es Biofuels oder synthetische Kraftstoffe, die ökologisch hergestellt werden könnten, einmal in nennenswertem Umfang verfügbar geben könnte, werden sie dringend in der Luftfahrt gebraucht, denn dort liegen E-Flugzeuge etwa auf dem Entwicklungsniveau des Motorwagens, den Bertha Benz 1886 von Stuttgart nach Pforzheim chauffiert hat. Die Vergangenheit zeigt, dass alle Versuche, solche Kraftstoffe einzuführen, massiv subventioniert und letztlich gescheitert sind. So haben um die Jahrtausendwende Daimler, Ford, General Motors und Volkswagen eine Methanol-Brennstoffzelle geplant. Die scheiterte an der Weigerung der Ölkonzerne, Methanol als zusätzlichen Kraftstoff anzubieten. 2004 dann verkündeten Daimler und VW gemeinsam eine “Sundiesel”-Ökosprit-Offensive. 900 Millonen flossen nach Sachsen in die Firma Choren, die diesen Diesel aus Baumschnitt, Holzabfällen und anderer Biomasse herstellen wollte. Mit nichts anderem als dem alten Fischer-Tropsch-Verfahren, mit dem die IG Farben den Panzer-Sprit für Hitlers Kriege aus Kohle synthetisiert hat. Um 2009 herum versank das Projekt sang- und klanglos im Shell-Konzern. Diesel aus der Ölpflanze Jatropha wurde 2008 sogar mit Unterstützung des damaligen UNEP-Chefs Klaus Töpfer als “Alternativsprit” angekündigt. Ein Publicity-Irrweg.
Der Ausweg: leichte und kleine Verbrenner oder Hybride?
1999 lernte ich Dr. Axel Friedrich kennen Er war damals Referatsleiter für Auto-Mobilität im Umweltbundesamt. Wir randalierten gemeinsam auf DaimlerChrysler-Umweltkongressen in Magdeburg wegen der Unwilligkeit der Daimler AG, Partikelfilter einzuführen, weil sie laut Motorenentwickler Prof. Kohler auch “ohne” die EU-Werte erreichten. Das zeigt, dass man immer nur das technologisch einsetzte, was der Gesetzgeber vorschrieb – niemals freiwillig mehr, als nötig. Die Technik, kleine und leichte Minimalverbrenner oder Hybride zu bauen, ist bekannt, Axel Friedrich forderte das immer ein. Aluminium, Kohlefaser, sparsame Antriebe – alles war möglich und erforscht, war 2000 schon marktreif. Aber A 2 und Lupo 3 liter wurden sang- und klanglos eingestellt, weil die PS-Protze daneben standen. Das prägt die deutschen Hersteller bis heute und das könnte nun für sie tödlich sein. Denn neben der fehlenden Umweltweitsicht haben alle drei Großkonzerne – BMW, Mercedes und VW – dieselbe rein kapitalistische Modellpolitik gefahren, nur noch große, teure Autos anzubieten und sind damit nach satten Gewinnen selbst in der Corona-Krise gegen die Wand gefahren. Denn in den Großstädten und Ballungsgebieten wie auf dem Land werden eben keine Audi A7, A8, BMW 7er und S-Klassen gefahren, sondern Brot-und-Butter-Nutzautos. Volkswagen, wie der Name schon sagt.
Keine preiswerten und keine Einsteigerautos mehr
Es fehlt vor allem auf dem Markt der Elektroautos ein oder mehrere Kleinwagen. Der E-Smart wurde eingestellt die heutige Marke Smart baut in China potthässliche SUV-ähnliche Vehikel und macht der eigenen Marke damit Konkurrenz. Außer dem Fiat 500 gibt es kein kleines europäisches Elektroauto. Zudem haben alle drei Konzerne angekündigt, die jugendlichen Einsteigerautos, mit denen u.a. Markenbindung erzielt wurde, nämlich A-Klasse, 1er BMW und Audi A1 ohne Nachfolger einstellen zu wollen. Sie haben den Markt der kleineren Fahrzeuge den Japanern, Chinesen, FiatChrysler und teilweise PSA überlassen. Die Krise ist hausgemacht und eigenverantwortet.
Politik auf Schlingerkurs und orientierungslos
Wenn die Wirtschaft umsteuern soll, braucht sie stabile und nachhaltig konstante Rahmenbedingungen. Was die EVP kürzlich im EU-Parlament gemacht hat, indem sie ihrer EU-Präsidentin von der Leyen bei der Elektromobilität in den Rücken gefallen ist, ist so ungeheuerlich wie unklug. Seitdem verbreiten FDP-, CDU- und natürlich AfD-Politiker gemeinsam das Märchen, dass angesichts des Klimawandels eine angeblich “technologieoffene” Fahrzeugstrategie möglich sei. Sie leugnen indirekt damit den Klimawandel, indem sie vorgeben, man dürfe doch den Wissensschatz über den Verbrennungsmotor nicht aufgeben. Vor 20 Jahren wäre das akzeptabel gewesen, wenn damals wirklich CO2-sparende Technik entwickeln und auf die Produktionsbänder gesetzt worden wäre. Technik, wie den Audi A2, den ich vor einigen Tagen trotz Baujahr 2000 und 340.000 km meiner Tochter gekauft habe. Dieses einzige echte “erwachsene” Ökoauto – neben dem winzigen 3l Lupo – für 4 Personen des VW-Konzerns und der deutschen Automobilhersteller hatte selbst als Benziner mit 142g/km und als Diesel 116g/km sensationell niedrige CO2-Emissionswerte, wog mit einer nicht rostenden Aluminiumkarosserie unter 1000 kg. Aber darauf setzte die europäische Automobilindustrie nicht. Erst die Schummelsoftware, dann die Plug-In-Hybride als PS-Protze der Mittelklasse bei Mercedes C- und E-Klasse, Audi A 4, 6 und 7, VW Golf und Passat sowie BMW 3er bis 7er Modellen. 400, ja 500 oder 600 PS Gesamtleistung wurden ab 2015 plötzlich “normal”. Und diese Fahrzeuge finden ihre Abnehmer, weil auch sie inzwischen mit Verbrauchswerten um 10 l/100km aufwarten. Es ist nicht die Technik, es sind die Anbieter und Käufer*innen, die wie Lemminge in den Abgrund laufen. Die einen aus Geldgier, die anderen aus Poserschwachsinn.
Die Seuche SUV
Und dann brach sie los, die Seuche der SUVs ebenfalls seit etwa 2015. In einem SF-Dokudrama über eine Gerichtverhandlung gegen die Politiker*innen der 2010er Jahre, bei dem auch Angela Merkel 2030 wegen Verbrechen gegen den Klimaschutz vor Gericht steht, heißt es seitens der Anklage: “Und ab etwa 2015 wurde es Mode bei den Mittelschichten, ihre Kinder mit Panzern zur Schule zu fahren.” SUVs scheinen nun das Prestigeobjekt der Menschen zu werden, sie vermitteln trügerische Sicherheit durch hohe Sitzpositionen und isolation von Umwelterfahrungen. Beduftung des Innenraums inklusive. Sie wiegen kaum unter zwei Tonnen, ob Plug-in-Hybrid, Verbrenner oder E-Auto. Die E-Autos müssen Reichweite bringen – deshalb Investitionen in Batterien und damit in Masse. Das geht inzwischen bis 1100 PS und drei Tonnen Gewicht. Sie emittieren als Feinstaubscheudern von Reifen und Bremsen mehr Teilchen, als ein alter 250 Diesel Mitte der 80er Jahre ohne Partikelfilter.
Lieber Roland,
Bertha Benz fuhr nicht von Stuttgart nach Pforzheim, sondern von Mannheim nach Pforzheim.
Bezüglich Deiner Einschätzung von SUV und sonstigen großen Fahrzeug bin ich voll bei Dir.
Bei Betrachtung Deines Fuhrparks fällt mir allerdings hierzu ein: Die Wasser predigen aber Wein trinken!
Freundliche Grüße
Klaus Richter