Am vergangenen Dienstagabend trafen sich exakt 1.335 Mitglieder des 1.FC Köln in der “Kölnarena” zur Mitgliederversammlung. Der Verein ist bekanntermaßen aus der Bundesliga abgestiegen, nachdem Vorstand und Geschäftsführung seit mehreren Jahren so agiert haben, wie Christian Lindner in der Ampel. Beim FC heisst es nicht Schuldenbremse, sondern schaffe, spare, kein Häusle (Vereinsheim) baue, aber absteige. Um zu verstehen, was da vor sich ging, ist noch ein gewisses Politikwissen (ich darf ja hier nicht über Fußball schreiben) erforderlich. Der FC hat neben dem Vorstand einen Mitgliederrat, der als eine Art Aufsichts- oder Kontrollgremium fungiert.
Den gibt es schon seit einigen Jahren, er fungiert seit dem letzten großen Vereinsdesaster vor etwa zwölf Jahren, als ein gewisser Wolfgang Overath Vereinsvorsitzender war, aber für den damaligen Niedergang des Vereins jede Verantwortung ablehnte. Etabliert wurde also ein Korrektiv zum Vorstand – eine Art “kleiner Parteitag” des FC. Wissen sollte mensch auch noch, dass der jetzige Vorstand des Vereins im Wesentlichen vom Mitgliederrat ins Amt gebracht wurde und dass der FC mit 140.000 Mitgliedern zu den mitgliederstärksten Fußballvereinen der Welt gehört. In der Mitgliedschaft haben die gut organisierten Fangruppen um den “Südkurve Köln e.V.” in vielen Fragen eine Mehrheit, so auch beim Paukenschlag der MV des vergangenen Dienstags. Nichtentlastung des Vorstandes mit 652:613 Stimmen und 70 Enthaltungen. Das ist ein klares Mißtrauensvotum. Aber der Vorsitzende Werner Wolf und mindestens ein Vorstandkollege denken gar nicht an Rücktritt. Und auch damit verhalten sie sich wie Christian Lindner nach den Wahlen in Ostdeutschland. Ist doch nix passiert!
Vereinsliebe und nahezu blinde Anhängerschaft
Gehen wir einige Jahre zurück. Der einstige Traditionsclub 1.FC Köln, erster Deutscher Meister der Bundesliga 1964, Meister und Pokalsieger 1978 entwickelte sich ab 1997 zu einer mit Fans gesegneten, aber unberechenbaren Fahrstuhlmannschaft. Das tut in Kölle der Vereinsliebe keinen Abbruch, im Gegenteil und von Wolfgang Niedecken (“FC jiff Jas!”) über die Höhner und alle möglichen anderen Kulturschaffeden genießt der Verein die ungeteilte Sympathie seiner Anhängerschaft. Ein Phänomen wie bei Donald Trump. Er kann die blödesten Sprüche tun, Frauen an die … fassen, Recht brechen, und die absurdesten Dinge behaupten, alle seine Fans hängen ihm an, egal, was passiert. Aber genau dieses Phänomen ist nun offensichtlich ins Rutschen geraten.
Personalpolitik wie die schwäbische Hausfrau
Kaum hatte Interimscoach und Altmeister Friehelm Funkel den im April 2021 vor dem Abstieg stehenden FC durch die Relegation gerettet, begann der FC unter Trainer Steffen Baumgart eine furiose Saison und endete auf einem Conference-league-Platz. Wesentlichen Anteil daran hatte Mittelstürmer Anthony Modeste. Der hatte um eine Verlängerung seines bis 2023 laufenden Vertrages gebeten, woraufhin ihm Geschäftsführung und Vorstand wegen zu hoher Forderungen die kalte Schulter zeigten. Folglich heuerte er im August 2022 bei Borussia Dortmund an, wo er nach wenigen Monaten auf der Ersatzbank landete. Seitdem hat der FC keinen Torjäger mehr, nicht einmal einen Mittelstürmer, und niemanden, der bis heute im durchaus druckvollen und dominanten Spielstil der Kölner Tore schießen kann. Der Abstieg war so letztlich unvermeidbar, Entlassung von Trainer Baumgart nebst Vereinswechsel wichtiger Stammspieler besiegelten den Untergang des FC. Aus 6 Millionen, die man nicht für Modeste ausgeben wollte, wurden so über 35 Millionen Verluste an Werbe- und Fernsehgeldern – eine Milchmännchenrechnung. Einer der Verantwortlichen, Geschäftsführer Alexander Wehrle, setzte sich zum Vorstandsposten beim VfB Stuttgart ab. Der Vorstand hatte von den Fehlern der Personalpolitik nichts gemerkt.
Am Transfermarkt gestümpert
Dies alles wäre noch als normale Stümperei von Vereinsvorständen durch gegangen, hätte sich nicht im Bermuda-Dreieck des Geschäftsführerwechsels ein Jugend-Kaufdrama abgespielt. Geschäftsmodell des nicht von Großsponsoren wie Volkswagen oder Bayer am Leben gehaltenen Kölner Südweststadtvereins ist nämlich die Hege und Aufzucht talentierter Jugendkicker, die man entweder nach ihrer Bundesligareife verkauft oder in den eigenen Kader integriert. Dies allerdings nicht immer mit besonderem Geschick, denn als langzeitlicher Beobachter fragt man sich, wieso Riesentalente wie Florian Wirtz (Leverkusen), Justin Diehl (VfB Stuttgart), Serhou Guirassy, (Dortmund), Mitchell Weiser (Bremen) oft für kleines Geld oder gar ablösefrei den Verein wechselten, dann aber plötzlich aufblühten. Grund in einigen Fällen war sicher auch, dass der FC als Zweitligaverein jungen Talenten keine aussichtsreiche Karriere bieten konnte.
Das Transfer-Desaster Potocnik
So kam es um die Jahreswende 21/22 zum Vereinswechsel des damals 16-jährigen Jaka Cuber Potocnik von Ljubljana zum FC. Offensichtlich ist es – Details spielen heute keine Rolle mehr – zu Regelwidrigkeiten bei der Kündigung im Heimatverein, der Anbahnung und dem Vertragsabschluss mit dem FC gekommen. Über ein Jahr lang tobte in der Folge ein juristischer Stellungskrieg zwischen der FIFA und den beiden Vereinen, bei der dem FC eine jahrelange Transfersperre drohte. Die juristischen Winkelzüge der Geschäftsführung gipfelten in Strafanzeigen gegen Ljubljana und endeten in einem für die Kölner vernichtenden Urteil des internationalen Sportgerichtshofs CAS, das diesem eine Tranfersperre für Spieler bis zum 1.1.2025 auferlegte. Erst ab dem 2.1. wird der FC wieder neue Spieler von außerhalb des Vereins verpflichten zu können. Diese Katastrophe hätte abgewendet werden können, wenn der Vereinsvorstand einen außergerichtlichen Vergleich verhandelt hätte.
Auf Versagen folgt kein Rücktritt
Werner Wolf und seine Vorstandskollegen ficht das alles nicht an. Sie haben keine Spieler mehr gekauft, sitzen nun auf einem durchaus sympathischen Jugendkader ohne Mittelstürmer und ohne Torerfolge, der FC dümpelt inzwischen im Mittelfeld der zweiten Liga auf Platz neun, absehbar Jahre vom Wiederaufstieg entfernt. Da mag es ein Wunder sein, dass der FC sogar Schulden abbauen konnte – aber die eigenen personellen und finanziellen Fehler hat der Vorstand bisher gar nicht erkannt. Geschäftsführer Kellner hält seinen Sparkurs für zukunftsweisend. 2,4 Mio. € wollte Ljubljana für den Youngster haben, zählen wir das zu den 6 Mio. für Anthony Modeste hinzu, hat dieser glorreiche Vorstand und seine Geschäftsführung 8,4 Mio. gespart und gleichzeitig mindestens 35 Mio. Verlust eingefahren und wundert sich nun, auf der MV am Dienstag nicht entlastet worden zu sein. Dabei hat der Vorstand längst den Rückhalt im Verein verloren. Seit jenen üblen Tagen der Transferaffäre hat es keine Einsicht in die eigenen Fehler, keine Aufarbeitung und keinen der längst fälligen Rücktritte gegeben. Die stehen dann wohl spätestens auf der Mitgliederversammlung bei der turnusmäßigen Wahl 2025 an. Die 12 Mitglieder des Mitgliederrats wurden mit satten Mehrheiten gewählt, dem Vorstand die Entlastung verweigert. Die Fans der “Südkurve Köln e.V.”, das ist eine wichtige und die einzig tröstliche Erkenntnis, dominieren den Mitgliederrat und auch die Mitgliederversammlung. Es bleibt spannend im Fahrstuhl.
Kritik am FC vom Dom ist selbstverständlich in diesem Blog gestattet. Zensiert wurde lediglich der Begriff “Fohlenkader”, der urheberrechtlich dem VfL 1900 Borussia Mönchengladbach gehört.
Das sympathische an der Stadt mit dem Dom ist ja, dass die Qualität des Fussballs dort total egal ist – hauptsache Party.
Diese Rahmenbedingung existiert in Mönchengladbach nur alle 14 Tage bei Heimspielen. Und dann schnell wieder nachhause (mit direkter Bahnverbindung nach Beuel).
Ja, auch auf dem Blog “Beueler Extradienst” reisst nun die Zensur ein. Da muss ich als Autor dringend auf das Papier der F.D.P. zur “inneren Pressefreiheit” https://de.wikipedia.org/wiki/FDP-Bundesparteitag_1973 verweisen.
Danach sollten Redakteure ihre Meinung auch gegen den massiven Widerstand des Herausgebers vertreten können. Es ist bezeichnend, dass im gesamten Internet keine Textfassung dieses bahnbrechenden und fundamentalen Papiers zum Schutz der Meinungsvielfalt aufzufinden ist, um den Gedächtnislücken von FDP-Politikern und Herausgebern entgegenzuwirken.