Der 3. Oktober ist in Deutschland ein besondere Datum. Es ist der „Tag der Deutschen Einheit“ und erinnert an die Wiedervereinigung Deutschlands. Es gibt noch sechs weitere staatliche Gedenk- und Feiertage: Am 27. Januar wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht, und der 11. März dient dem Gedenken an die Opfer terroristischer Gewalt. Der 17. Juni (bis 1990 Tag der deutschen Einheit) erinnert an die Opfer des Volksaufstands in der DDR im Jahre 1953 und der 20. Juni an die von Flucht und Vertreibung Betroffenen. Am 20. Juli wird der Widerstand von 1944 gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gewürdigt, und im November wird am Volkstrauertag der weltweiten Opfer von Gewalt und Krieg gedacht.
Gedenktage sind Teil eines Rückblicks in die Vergangenheit und des Geschichtsbewusstseins. Sie dienen der Besinnung und Erinnerung an bestimmte politische, gesellschaftliche, religiöse oder auch militärische Ereignisse oder an hervorzuhebende Persönlichkeiten. Sie sollen national oder gar international auf ungelöste Probleme und anstehende Aufgaben aufmerksam machen. In der Regel sind Gedenktage jährlich wiederkehrend und an ein festes Datum geknüpft.
Weltweit gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Fest- und Gedenktagen. Regionale, nationale und internationale. Religiöse, politische und ethnische. Manche werden von kaum jemandem, andere nur von begrenzten Gruppen zur Kenntnis genommen. Manche werden von anerkannten Institutionen wie UN-Organisationen, Staaten oder kirchlichen Autoritäten geschaffen, viele beziehen sich auf historische Ereignisse oder erinnerungswürdige Personen. Etliche beruhen auf Initiativen von Gruppen oder Vereinen oder auf Bestrebungen von Wirtschaftsverbänden und sogar Unternehmen.
Aktions- und Gedenktage sind nur selten gesetzliche Feiertage. Es geht bei ihnen darum, Aufmerksamkeit zu erhalten und für bestimmte Themen, Auffassungen und Ziele zu werben. Schlüsselereignisse und -erfahrungen sollen als erinnerungswürdig hervorgehoben werden. So gibt es eine Vielzahl von Aktions- und Gedenktagen, die von wissenschaftlichen und anderen Fachverbänden sowie von gemeinnützigen Organisationen zur Unterstützung und Publizität ihrer Arbeit eingerichtet wurden.
Eine ausführliche Liste von Gedenk- und Aktionstagen findet man bei Wikipedia. Erfasst sind nur Fälle, deren Einführung mindestens drei Jahre zurückliegt. Mehr als tausend Anlässe sind dort aufgeführt, vielfach allerdings Aktions- und nicht Gedenktage. Mindestens 250 sind offizielle Staatsfeiertage, die an die Gründung des Staates oder an wichtige politische oder militärische Ereignisse erinnern. Etwa 150 Gedenktage sind von den Vereinten Nationen bzw. ihren Sonder- oder Unterorganisationen geschaffen oder anerkannt worden.
Vorschlagsberechtigt für internationale Gedenktage der UN sind Mitgliedstaaten und UN-Organe. Das Thema muss globale Bedeutung haben und von der Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten befürwortet werden. Festgeschriebene Anforderungen oder andere Vorgaben gibt es nicht. Die Entscheidung fällt letztlich in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Als letzter Gedenktag wurde am 6. Juli auf Initiative von Bangladesch der „Welttag der ländlichen Entwicklung“ ausgerufen.
Einige Aktions- und Gedenktage stammen aus dem 19. Jahrhundert, fünf sind noch älter. Der Tag der Arbeit am 1. Mai wurde zum ersten Mal 1889 begangen. Die meisten Gedenktage wurden in den 50er und den 90er Jahren sowie im Zeitraum von 2000 bis 2010 geschaffen. Die ältesten aufgeführten Gedenktage sind die Gründung Roms am 21.4. des Jahres 753 v. Chr. sowie von San Marino am 3.9.301. Auf welcher Quelle sich die Angabe von Tag und Monat im Fall Roms gründet, wird nirgendwo erläutert.
Bemerkenswert häufig sind Aktions- oder Gedenktage, die von Interessengruppen – nicht zuletzt aus dem Wirtschaftsleben – kreiert wurden und es geschafft haben, in die Auflistung von Wikipedia (und in andere Verzeichnisse) aufgenommen zu werden. Manchmal ist die Werbeabsicht für konkrete Produkte eindeutig erkennbar. Hier einige Beispiele:
Der Tag der offenen Töpferei (Mitte März) wurde von deutschen Keramikwerkstätten begründet, der Record Store Day (Ende April) von Plattenläden, der Tag des Deutschen Bieres (23.4.) vom Brauerbund, der Welt-Passwort-Tag (Anfang Mai) von Intel u.a., der Deutsche Diversity-Tag (23.5.) von Arbeitgeberverbänden, der Internationale Tag der Milch (1.6.) vom Internationalen Milchwirtschaftsverband, der Tag der Lebensmittelvielfalt (31.7.) vom Deutschen Lebensmittelverband, der Internationale Tag des Eies (Mitte Sept.) vom Verband der Eierproduzenten und der Welttag des Brotes (16.10.) von der Internationalen Bäckerunion.
Offenbar kommt man mit ein bisschen Einfallsreichtum und Dreistigkeit auch bei abwegigen Themen zu internationaler Aufmerksamkeit und zur Aufnahme in eine Gedenkliste. Hier eine Auswahl für diejenigen, die sich gerne mal amüsieren oder vielleicht eine Anregung für einen eigenen Aktionstag suchen.
Weltknuddeltag (21.1.), Tag der Jogginghosen (21.1.), Tag des Regenwurms (15.2.), Dicker-Pulli-Tag (Febr.), Weltmundgeruchstag (20.3.), Ehrentag des Unkrauts (28.3.), Internationaler Tag der Asexualität (6.4.), Internationaler Kiffertag (20.4.), Anti-Diät-Tag (6.5.), Tag des Handtuchs (25.5.), Internationaler Hurentag (2.6.), Weltstricktag (Anfang Juni), Ich-liebe-meinen-Zahnarzt-Tag (2.6.), Tag des Hotdog (Mitte Juli), Tag der Hängematte (22.7.), Weltlinkshändertag (13.8.), Tag des deutschen Butterbrots (Ende Sept.), Wolkenkratzertag (3.9.), Internationaler Händewaschtag (15.10.), Weltnudeltag (25.10.), Welttoilettentag (Ende Nov.), Kauf-nix-Tag (Ende Nov.), Krimitag (8.12.) und Welt-Orgasmus-Tag (21.12.).
Wer neugierig ist, welche seltsamen Festtage es weltweit noch so gibt, sollte sich in den Kalender von „kuriose-feiertage.de“ vertiefen. Es ist erstaunlich, welche Anlässe es gibt, die mit einem eigenen absonderlichen Feier- oder Aktionstag gewürdigt werden. Teils finden wir sie schon in der Wikipedia-Liste, teils in dieser rund 700 Beispiele umfassenden Sammlung. Auch wenn die meisten dieser Gedenktage recht sinnlos erscheinen, so greifen sie doch fast immer einen Aspekt auf, mit dem sie gerechtfertigt werden. Hier einige Beispiele:
Tag des Glücksschweins (1.1.), Tag des Pfützenspringens (11.1.), Nackt-zur-Arbeit-Tag (2.2.), Ehrentag der Daumen (18.2.), Finde-Dich-damit-ab-Tag (9.3.), Tag des Schluckaufs (16.3.), Internationaler Kissenschlacht-Tag (6.4.), Tag der Gummibärchen (27.4.), Tag des Bilderrahmens (5.5.), Ententanztag (14.5.), Gott-sei-Dank-ist-Montag-Tag (3.6.), Tag der Armbanduhr (19.6.), Wackelpuddingtag (12.7.), Erzähl-einen-alten-Witz-Tag (24.7.), Tag der Unterwäsche (5.8.), Tag der Fehler (15.8.), Tag der Zebrastreifen (1.9.), Mach-was-Du-willst-Tag (13.9.), Glücklich-trotz-Glatze-Tag (14.10.), Heul-den-Mond-an-Tag (26.10.), Krümelmonster-Tag (2.11.), Tag des Tannenzapfens (16.12.), Ab-auf-die Waage-Tag (29.12.).
Seriös und relevant ist dagegen die Auflistung „Internationale und Europäische Gedenktage“, die der Europarat zusammengestellt hat. Allerdings wird nicht begründet, warum gerade diese Anlässe ausgewählt wurden: Holocaust-Gedenktag (27.2.), Datenschutztag (28.1.), Internationaler Tag der Frau (8.3.), Welttag der Pressefreiheit (3.5.), Internationaler Tag gegen Homophobie (17.5.), Europäische Tage des Denkmals (Sept./Okt.), Europäischer Tag gegen die Todesstrafe (10.10.), Tag für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauchs (18.11.), Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (25.11.), Tag der Menschenrechte (10.12.).
Überzeugend ist die ausführlich erläuterte Zusammenstellung der Bundeszentrale für Politische Bildung. Nationale Gedenk- und Feiertage belegen den Umgang einer Nation mit der eigenen Geschichte und halten zentrale Ereignisse fest. Die deutsche Vergangenheit wird vor allem durch zwei Weltkriege, durch den Nationalsozialismus und durch die Teilung Deutschlands geprägt. Dies spiegeln die von der Bundeszentrale ausgewählten Gedenktage wider:
27.1.1944: Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, 8.3.: Internationaler Tag der Frauen (seit 1911), 18.3.1848: Märzrevolution, 21.3.: Internationaler Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung (UN-Beschluss von 1966), 8.5.1945: Ende des Zweiten Weltkriegs, 9.5.1950: Europatag, 23.5.1949: Tag des Grundgesetzes, 17.6.1953: Volksaufstand in der DDR, 20.6.: Weltflüchtlingstag (seit 2001), 20.7.1944: Attentat auf Hitler, 1.8.1914: Beginn des Erstes Weltkriegs, 11.9.2001: Terroranschlag in New York, 3.10.1990: Tag der Deutschen Einheit (Wiedervereinigung). 7.10.1917: Oktoberrevolution in Russland, 31.10.1517: Auftakt zur Reformation, 9.11.1918: Novemberrevolution, Ausrufung der Republik, 9.11.1938: Reichspogromnacht, 9.11.1989: Fall der Berliner Mauer, 12.11.1918: Einführung des Frauenwahlrechts, 968: Studentenbewegung, 10.12.1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Der Tag der Deutschen Einheit bewegt sich übrigens in einem angemessenen Rahmen:
# Am 1. Oktober findet der Weltmusiktag statt. Er wurde 1975 vom Internationalen Musikrat ins Leben gerufen, um jährlich Musik in allen Bevölkerungsgruppen zu fördern und den internationalen Erfahrungsaustausch im Bereich der Musik zu intensivieren.
# Der Internationale Tag der Gewaltlosigkeit am 2. Oktober wurde 2007 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen. Das Datum wurde gewählt, weil Mahatma Gandhi an diesem Datum geboren wurde.
# Der Tag der offenen Moschee in Deutschland ist ein seit 1997 bestehender Veranstaltungstag, der am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit stattfindet. Er soll das Ziel einer religionsübergreifenden Verständigung verdeutlichen.
# Am 4. Oktober wird der Welttierschutztag begangen. Dieser internationale Aktionstag soll auf das Leid der Tiere aufmerksam machen, das durch Menschen verursacht wird. Die Einführung erfolgte 1931 auf dem Florenzer Tierschutzkongress.
# Am 5. Oktober 1964 gelang 57 Männern, Frauen und Kindern eine spektakuläre Flucht durch einen Tunnel unter der Berliner Mauer. Ein halbes Jahr war an dem Fluchtweg zwölf Meter unter der Erde gebaut worden.
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