… und weil ich nicht weiß, wo die herkommt melde ich mich bei meiner Hausärztin an, die schüttelt den Kopf und schreibt eine Überweisung . Ich ahne, das wird spannend. Wie die passende Ärztin oder Arzt finden?
Ich habe mittlerweile einen Tipp, wer für die Behandlung in Frage kommt. Kurzer Blick ins Internet sollte helfen, denke ich. So technikaffin wie ich bin, gebe ich Namen, Dienstgrad und Einheit an – und was finde ich? Alles über die Fachärzte, die ich suche. Vorbewertet von Patienten, die ihre profunden medizinischen Kenntnisse von gruselig bis wunderbar aufschreiben. Wenn ich den Stuss komplett lesen will, dann verendet meine Suche ergebnisfrei. Zumindest erfahre ich nebenbei, welcher Arzt oder Ärztin freundliche MFA hat, also medizinische Fachangestellte. Darauf kommt es an! Was will ich bei einem Arzt, der einen Drachen zur Abschreckung schon Telefon bereit hält.
Ich klicke weiter, bei irgendeinem Klicki-Doci kann ich (ganz ohne Drachen) einen Termin online buchen. Kommt aber drauf an, bei welchen Portal mein Doc seine Telefonistin ersetzt. Doch Hilfe ist selbst dann in Sicht, denn das Portal schlägt mir gleich andere Praxen vor, die ich nehmen soll.
Zu Doctolib, die auch schon den BigBrother Award für die Missachtung der ärztlichen Vertraulichkeit der Patientendaten gewonnen haben, urteilt der Marktcheck vom SWR : wer als Arzt Doctolib einsetzt, handelt unverantwortlich – also lasse ich die Finger davon.
Google schlägt noch clickdoc vor, das ist wie Pest oder Cholera. Um einen Termin zu buchen, muss ich auch die Google-reCAPTCHA akzeptieren, steht ganz unten, fällt nicht auf: „Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt, es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google.“ Damit schützt vor allem Google seine Pflicht alle Daten zu bekommen. Und was ist clickdoc? Das ist die milliardenschwere Datensammel- und Ärzteverteilstelle von CGM, das ist so eine Art milliardenschwerer Feudalherr im Medizinumfeld, klären wir noch.
Wagenmutig versuche ich lieber die Seite im Internet meiner gewünschten Fachärztin zu finden. Glück, wenn sie oder er eine hat, selbst wenn die Seite aussieht, als würden die Proteinshakes verkaufen müssen. Nicht genug dieser Abschreckung, die Telefonnummer ist fast immer besetzt, es läuft ein Anrufbeantworter, der nicht abgehört wird oder es klingelt bis zu der Mitteilung: „Der Teilnehmer ist nicht erreichbar – bitte versuchen Sie es später wieder!“ Dabei können die doch noch gar nicht wissen, dass ich Kassenpatient bin, das wollte ich dem Drachen Telefon schonend beibringen!
sachdienlicher Hinweis:
Wer in Bonn eine Ärztin der vielleicht auch einen Arzt sucht, der wird im Ärzteverzeichnis Bonn fündig. Auf der Seite von dentumed.de finden sich weitere Regionen/Angbote, sicherlich mit dem Charme eines alten Telefonbuches, aber ich komme ohne Brechreiz zum Ziel.
So fühlt sich das aus der Perspektive des Patienten an. Dies liegt daran, dass es mehr Patienten gibt, als Ärzte. In ihren Praxen sind die Ärzte Alleinunterhalter, nicht nur verantwortlich für alles, sondern – viel schlimmer noch – auch zuständig.
Die durchschnittliche Ärztin oder Arzt hat Medizin studiert, allein das hält ziemlich auf. Dazu noch eine Facharztausbildung, die fliegt auch nicht einfach so ans Türschild, wie bei einem Immobilienmakler. Und allein mit diesem Wissen kann er oder sie die Patienten versorgen. Weil das heutzutage kaum reicht, gibt es hochqualifizierte Berater, die nicht nur sagen können, wie der Rubel rollt, sondern auch gleich mit reingreifen, üppig sogar.
Vom Stil her sind das alles gerissene Immobilienmakler, die auch selbstreinigende Wärmflaschen oder den Wackeldackel für die Hutablage verkaufen. Wenn die gefragt werden, was sie beruflich machen, dann müssen sie nix mehr von Heizdecken erzählen, sondern einfach: „ich zocke die Ärzte ab!“ – äh ne, „Ich bin im Gesundheitswesen tätig“.
Jameda, das führende Praxisbewertungsoportal, versucht es mit lockerer Heimtücke und verleiht gleich Urkunden, die auf der Homepage des Arztes für Vertrauen sorgen sollen, was dann so klingt: „Ihre Praxis wurde über jameda für TOP 10 positive Patienten-Bewertungen in Ihrer Region ausgezeichnet. Als Ihre neue Ansprechpartnerin in der Region würde ich mich sehr freuen, Ihnen diese Urkunde zu überreichen. Sie können dieses Siegel auch auf Ihrer Homepage als Snippet einbinden. Wie dieses geht werde ich Ihnen gerne darstellen. Der Termin wurde bereits in Ihrem Terminkalender eingetragen.“ Nun, die MFA, die den Termin eingetragen hat, wird er deswegen nicht rauswerfen.
Weil ich der bevorzugte Dekadenzberater von ein paar Ärzten bin, wurde ich angerufen: „Meine Helferin hat da einen Termin zugesagt, was soll ich machen?“ Ich: „Kurzfristig absagen, am bestem so, dass die schon auf dem Weg zu Dir sind, dann können sie in der Zeit keinen weiteren Schaden anrichten!“ Hat geklappt, die haben sich nicht mehr gemeldet – aber Vorsicht, die bleiben dran!
Jameda setzt jetzt voll auf KI – sogar Ende-zu-Ende verschlüsselt – und schreibt mit der KI die Arztberichte, schöner Propaganda-Artikel in Arzt und Wirtschaft (wo sonst). Genüßlich zu sehen, dass alles Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Nur was soll das? Der Arztbericht darf die Praxis nicht verlassen, und wenn er es doch tut, dann ist die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung so überflüssig, wie meine Beule am Arsch, denn auf der anderen Seite (wo immer die auch ist) muss es, um den Inhalt zu bearbeiten – na was wohl – entschlüsselt werden!
Aber dieses digitale Ungemach lässt sich abwenden, anders hingegen wenn des Morgens die Rechner hochlaufen und die PVS – das ist die Praxisverwaltungssoftware – an den Start kommt, da rollt der Rubel richtig – allerdings nicht in der Arztpraxis. Denn ohne PVS läuft keine Praxis.
Wie sich Krankenkassenbeiträge in AfD-Propaganda verwandeln
Angefangen hat es in Koblenz, Frank Gotthard entwickelte Software für die Fleischwarenindustrie, wäre da nicht seine Frau, Zahnärztin, die ihn auf neue Gedanken brachte. Was ist draus geworden? Ein milliardenschwerer Konzern CGM (CompuGroup Medical), der ganz im Stil von Microsoft: „Buy it or destroy it“ den Markt der Verwaltungssoftware für Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheken durch Zukauf und Zerschlagung aufgesogen hat. CGM ist der Herrscher, mit allen Attitüden eines Feudalherren: monopolartige Preise, technische Abschottung, proprietäre Schnittstellen – die müssen sich noch nicht mal mehr Mühe geben, ohne ein PVS ist jede Arztpraxis handlungsunfähig. Und zwischendurch gönnen die sich noch einen Extra-Schuss aus der vollen Pulle – von unseren Krankenkassenbeiträgen – wie im vorletzten Jahr mit dem sinnlosen, teuren Tausch der Konnektoren in den Arztpraxen.
Bei so viel Erfolg und Wohlstand legte Gotthardt sein Amt als CEO der CGM nieder, er begnügt sich mit dem Vorsitz des Verwaltungsrates. Da bleibt mehr Zeit für politisches Engagement als Medienunternehmer. Ihm gehört praktisch die Vius Management SE, als geschäftsführenden Direktor hat er Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt in Stellung gebracht, der darüber sein rechtspopulistisches Portal Nius verbreitet. AfD-Propaganda könnte nicht besser in Worte und Bilder gepackt werden, scheint seinem persönlichem Geschmack zu entsprechen. Der Mann hat scheinbar auch russische Oligarchen zum Vorbild, die sich ganze Fußballvereine kaufen, aber die arme Sau kann sich leider nur die Kölner Haie leisten.
Wenn unter Ärztinnen und Ärzten sich berechtigterweise eine gewisse Übelkeit ob der braunen Soße verstärkt, ist das nachvollziehbar. Die Software zu wechseln ist möglich, zumal bei CGM jede kleine Änderung großzügig entlohnt werden muss, kann das ein Anreiz sein. Nur allein der Wechsel des PVS schlägt gerne mit einem 5-stelligen Betrag zu Buche.
Rein technisch gesehen, ist CGM nicht schlecht, der Server arbeitet mit Linux, (wie Microsofts Azure-Cloud auch), Clients gibt es nicht nur für Windows, sondern für Mac und Linux. Das hat den charmanten Vorteil, dass die Praxisrechner nicht getauscht werden müssen, nur weil Microsoft Windows 11 darauf nicht mehr will. Einfach ein Linux auf dem ollen Rechner installieren und den Linux-Client vom PVS draufspielen, erledigt. Der Teil ist einfacher als sich das Wort Linux schreibt, glaubt nur niemand. Naja, und viel sicherer ist das sowieso.
Ein PVS zu finden, dass nicht direkt oder indirekt von CGM kontrolliert wird, ist schon schwierig genug. Wer aber sein PVS teuer wechselt und der neue Anbieter klickt sich nur bei Microsoft durch, läuft gegen die nächste Wand. Das geht so weit, dass die sogar den Server nur mit Windows betreiben (das macht noch nicht mal Microsoft, die verkaufen das nur), Client für Mac oder Linux gibt es eben nicht. Unterm Strich ist das teurer, sicherheitstechnisch eine Katastrophe, verursacht weitere Kosten und Wartungsaufwand, der zähneknirschend hingenommen wird – der Verkäufer muss ja nur glaubhaft machen, dass sie besser und billiger als CGM oder deren Ableger sind – und reden können die.
Einen Überblick, welche PVS-Systeme wie funktionieren, wovon sie abhängig sind, was sie kosten, wie es um die Im- und Exportfunktionen bestellt ist u.v.m, wäre sicherlich eine umfangreiche Recherche wert. Nur: wer soll das finanzieren, wenn sich rausstellt, dass ich moralisch nicht flexibel bin?
Alle PVS-Systeme eint, dass sie sich einen beträchtlichen Teil ihres Profits nicht nur durch die gnadenlose Bereicherung im Gesundheitswesen erwirtschaften, sondern durch sehr ansprechende Vereinbarungen mit der Pharmaindustrie. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, „die könnten die Software auch verschenken“. Ach so, ja, das ist auch ein Grund, warum es im OpenSource-Bereich so gut wie nichts gibt.
Unterm Strich sollten wir genießen, dass wir uns ein solch ausgeklügeltes System leisten können, es ist genug Geld im Topf, selbst die AOK hat noch so knapp 7 Milliarden auf der hohen Kante, das muss noch umverteilt werden.
Trotzdem: die Krankenkassenbeiträge müssen steigen, ab 2025 – darauf warten die IT-Dienstleister und Investmentgesellschaften im Gesundheitswesen, dringend! Ob da noch was für unsere Ärztinnen und Ärzte mit ihren Angestellten übrig bleibt, um die Patientenflut zu bewältigen, muss hier nicht besprochen werden. Hauptsache, die sind alle so krank, dass sie abgerechnet werden können.
Uups, Abrechnung, da gibt es treffsichere Dienstleister, die das Leben zwischen möglichen Abrechnungsposten leichter machen, die sprechen von „optimieren”, was anders übersetzt werden kann mit: „…”. Bekomme ich den Arztbericht in die Hand, nicht von mir, ich stand nur daneben. Alle Vitalwerte inclusive Sauerstoffsättigung waren ordnungsgemäß darauf vermerkt, so ein Klinikverbund hat Fachpersonal, in der IT der Investmentgesellschaft, die das automatisch optimieren, sobald der Arzt nur einen Klick macht. Gemessen oder untersucht wurde nichts. Warum auch, es ist ein Abrechnungsposten. Was sollen die auch sonst abrechnen.
In einer so dekadenten Welt zu leben, sei uns vergönnt! Da kommt es auf die eine oder andere Kröte nicht an – und was Probleme bereitet, können wir aussitzen, das habe ich mit meiner Beule am Hintern ebenso getan, ging schneller…
Nachtrag:
Jetzt kommt grad eine Mitteilung von meiner Marketing-Abteilung rein, als Hinweis für die Ärztinnen und Ärzte unter den Lesenden: Wer noch keinen eigenen Dekadenzberater hat, er möge sich bei uns melden, es sind noch (begrenzt) Termine frei!
Update:
Ich bekomme gerade aus informierter Quelle den Hinweis, dass bei der Praxisverwalrungssoftware das Pharmasponsoring reguliert und begrenzt ist, die Software alleine nicht kostendeckend von der Pharmaindustrie finanziert werden kann. Was so viel heißt, dass die schon mal übertrieben haben und eingegriffen werden musste – ich bin beruhigt.
Ich halte mich da an das gute alte Telefonbuch. Keine sonderbaren Bewertungen, keine Abwertungen, keine weiteren Infos außer: Hautarzt, Augenarzt, Internist, Zahnarzt, Röntgenpraxis, Kardiologe, Lungenfacharzt, Hausarzt usw.
Deswegen hatte ich auch den Link für das PDF von dentumed genannt, das hat tatsächlich den Charme von einem alten Telefonbuch, aber das reicht aus, finde ich.