Die Rechten zerstören die Demokratie nicht, können es gar nicht – die Gefahr ist die Selbstzerstörung

In meiner Selbsterforschung zu meiner allergischen Reaktion auf die Ministerpräsident*inn*enkonferenz (MPK) zur Medienpolitik bin ich zu einem Ergebnis gekommen. Zum Leidwesen mancher unter Ihnen Leser*nne*n hat es wieder mit Fussball zu tun. Das Ergebnis, warum ich so reagiere, präsentiert mal wieder Alina Schwermer/taz:

Debatte um Gewalt im Fußball: Mehr so was wie ein Gefühl – Der Sicherheitsgipfel im deutschen Fußball ist Ausweis von gefährlich autoritären Tendenzen – und von Gleichgültigkeit.” Die Autorin beschreibt ein Fallbeispiel und ordnet es absolut angemessen gesellschaftspolitisch ein. In diesem Fallbeispiel, wie in so vielen anderen, wird eine regelrecht antikommunikative Vorgehensweise demokratischer Parteien und verfassungsmässiger Institutionen (“Staatsgewalt”) erkennbar, wie sie identisch bei den medienpolitischen Weichenstellungen der Bundesländer abläuft (und in der Coronakrise schon erprobt wurde? Die Frage muss erlaubt sein.) Bei den Medienentscheidungen sind Konsument*inn*en und Arbeitende so wenig gefragt, wie beim Fussball-Entertainment.

Dieser Mechanismus treibt mich (und nicht nur mich) – innerlich – auf die Palme. Denn er ist flächendeckend in der Arbeitsweise fast aller demokratischen Parteien erkennbar. Das ist eine viel grössere Gefahr für die Demokratie, als es Faschist*inn*en und fieses Grosskapital sind. Die waren nämlich schon immer da. Ich habe aber noch Zeiten erlebt, in denen demokratische Parteien – bei aller inhaltlichen Kritik – gesellschaftlich kommunizieren konnten. 2-3 (die dritte die alte PDS im Osten) konnten sogar mit Recht als Volksparteien bezeichnet werden. Das ist kein Urteil über ihre politischen Inhalte, sondern lediglich über ihr Handwerk und ihre Arbeitstechnik. Das ist alles weg. Wo das mal war, ist Leere. Das freut die Faschist*inn*en.

Ein lokales Fallbeispiel. Der Bonner Kreisverband der Grünen war bei früheren Kriegskonflikten (Kosovo, Afghanistan, Irak) ein verlässlicher Bündnispartner der Friedensbewegung, nicht zuletzt durch die intensive Arbeitsbeziehung mit dem Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Über diese Achse wurden auch viele erfolgreiche und friedliche Massendemonstrationen gegen Neofaschismus und Antisemitismus organisiert. Der tote Mani Stenner weiss, was ich meine.

Nun kann es einigen Bonner Grünen mit der Nato-Osterweiterung um ein zum Kriegführen genötigtes Land nicht schnell genug gehen. Sicher ist, dass die Grünen so nie wieder stärkste Partei in Bonn sein werden – das müsste auch der Oberbürgermeisterin Sorgen machen, wenn ihre Parteibasis davon nichts mehr merkt. Sie reissen die Brücken zu ihren Wähler*inne*n ab; das nützt auch der Ukraine und ihren hiesigen Kriegsflüchtlingen am wenigsten.

Nach all dem Ärger was Erbauliches

Im Ergebnis ist es ebenso traurig, aber auch lehrreich für die Gegenwart, jedenfalls für mich. Kurt Hollander/Jacobin: Wie Gentrifizierung die New Yorker Musikszene zerstörte – In den 1970er und frühen 80er Jahren kam es in den ethnisch diversen Arbeitervierteln von New York zur musikalischen Revolution: Rap-, Salsa- und Punkmusik entstanden und prägten jahrzehntelang die Kultur weltweit. Im Laufe der 1980er Jahre wurden durch Gentrifizierung und Immobilienspekulation jedoch die sozialen Gegebenheiten, die das Entstehen dieser Szenen erst ermöglicht hatten, schrittweise beseitigt.”

Und zur Wahl in Georgien

Abkühlung unwissender deutscher Mediengemüter, aber treffend (ich konnte mich in Georgien vergewissern): Sopiko Japaridze/IPG-Journal: Welcher Traum? – Vor der Wahl in Georgien dominiert die Debatte über die EU-Perspektive. Die tatsächlichen Probleme der Bevölkerung bleiben meist unbeachtet.”

Politische Sensation

Von der Wiederannäherung zwischen dem Mullahregime im Iran und dem Clan-Regime der Sauds in Saudi-Arabien wusste ich. Dass sie aber schon gemeinsame Militärmanöver (!) machen, das war mir heute morgen neu. Die FAZ berichtet ohne Paywall. Friederike Böge: Iran und Saudi-Arabien rücken enger zusammen – Die Sorge vor einer Ausweitung des Nahostkrieges bringt die Rivalen Iran und Saudi-Arabien näher zusammen. Nun gab es sogar ein gemeinsames Militärmanöver.”

Eine harte Nuss für Kamala Harris. Und wie viele Anrufe würde Donald wohl benötigen, um das unter Kontrolle zu bringen? Lange Zeit wurde er von Saudi-Arabien finanziert. Das hat nun Elon Musk übernommen …

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net