Die Ermordung von deutschen Jüdinnen und Juden in Kaunas/Litauen im November 1941

Die FAZ berichtet heute (Paywall) über die Ermordung von deutschen Jüdinnen und Juden im litauischen Kaunas im Spätherbst 1941. Die Aktion wurde von Nazibesatzern angestoßen und befehligt, aber weitgehend von litauischen Nationalisten ausgeführt. Für die Nazis wurde sie ein “Testfeld für den Holocaust“, für Litauen ist sie noch immer der wunde Punkt im historischen Selbstverständnis des Landes.

Der amerikanische Historiker Timothy Snyder hat in seinem wichtigen Buch „Bloodlands“ nachgezeichnet, wie in den 1930er und 40er Jahren im Spannungsfeld von Nationalsozialismus und Stalinismus in Ostmitteleuropa millionenfach gemordet wurde. Von litauischen Nationalisten wurde der Judenmord in Kaunas als eine Art antistalinistische „Befreiungstat“ angesehen. Auch deswegen sind die Taten immer noch ein wunder Punkt im historischen Selbstbild der Litauer.

Ich bin froh und stolz, dass ein Onkel von mir, ein litauischer Intellektueller im amerikanischen Exil, zu den ersten gehörte, der diese Taten öffentlich machte – und dafür dann auch einige Anfeindungen erfuhr. Die Dinge müssen vorbehaltlos erforscht und aufgeklärt werden. Gut, dass Litauen einen solchen Weg beschritten hat. Bedenklich ist, dass der neuen, sozialdemokratisch angeführten litauischen Regierung wieder eine rechte antisemitische „Morgenröte“-Partei angehört.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.