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Die ePA kommt!

Holt einen Kübel, einen großen Kübel!

Sicherheitshalber! Denn das, was jetzt kommt, wirkt bei Kassenpatienten nur in eine Richtung. Wer nicht leiden will (also zu Ende lesen), der klickt auf diesen Link  füllt es aus und schickt es seiner Krankenkasse. Privatpatienten werden – wie immer – bevorzugt behandelt und müssen gar nichts tun. Die können weiterlesen und amüsiert zusehen, wie den Kassenpatienten ein Würgreiz überkommt, der kaum zu unterdrücken sein wird, weil sie kräftig draufzahlen – müssen.

Von den 70 Millionen Kassenpatienten, die bis zum 31.12.2024 widersprechen müssen, erreichen wir zu wenig. Die Folterknechte des guten Geschmacks bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen haben nichts ausgelassen, um einen fetten Braten zur Plünderung weltweit freizugeben.

Klingt bereits verkrüppelt: „gematik“, soll heißen „Nationale Agentur für Digitale Medizin“. Prima, hat die Anmutung, als würde mein Arzt zum Cyberpunk und mich digital heilen können. In dem Fall sind mir Geistheiler oder Heilpraktiker lieber, da weiß ich, dass die im Kaffeesatz lesen können.

Die ePA – das ist die voll „elektrische Patienten Akte“  – quält uns schon länger als digitale Missgeburt. Deshalb wollten die Kassenpatienten den Krüppel nicht adoptieren, allein schon, weil unklar war, was diese Fehlgeburt überhaupt macht. Selbst die Propagandamaschinerie ging an den einfachen Geistern vorbei. Weil denen sonst die Daten für höhere Zwecke nicht zu entlocken sind, bleibt nur Erpressung. „Digitalisierung first, Bedenken second“ – so der Leitsatz des ehemaligen Häuptlings im „Bundesministeriums für Gesundheit“ (BMG) Jens Spahn. Den konnte Scholz zwar abschaffen, hat aber nochmal tiefer ins Klo gegriffen und aus dem Glibber Onkel Karl gezogen. Als ehemaliger Coronaflüsterer der Merkel erweckte der den Anschein, als sei er vom Fach.

Über die schmachvolle Ausgestaltung der ePA wurde und wird breit berichtet. Selbst die „Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit“ ( BfDI) hat die Ausführungen aus der Zeit von Prof. Ulrich Kelber (noch) nicht geschwärzt, dort heißt es unter anderem:

Besser wäre es, Menschen von den Vorteilen der Digitalisierung des Gesundheitswesens zu überzeugen, indem man die ePA mit nützlichen Funktionen ausstattet.“ und weiter: „Die ePA in der Telematikinfrastruktur (TI), wie sie heute existiert, ist im Wesentlichen eine Sammlung unstrukturierter Dokumente. Der Nutzen für Versicherte und ärztliche Praxen ist begrenzt.

Was Lauterbach nach Spahns Vorarbeit für Löcher gebohrt hat, ist durch eine breite Schneise digitaler Inkompetenz möglich geworden und beinhaltet die direkte Unterstützung profitorientierter Unternehmen –  alles auf Kassenkosten, versteht sich. Es ist nicht so, dass wir von der Datenplünderung einen Benefit hätten, wir zahlen einmal für den erpresserischen Datenraub und noch einmal, für das Ergebnis.

Nicht nur dafür hat Prof. Dr. Karl Lauterbach den „BigBrotherAward 2024“ in Kategorie  „Gesundheit“ abgeräumt. Hier der Link zum Festakt mit der Rede von Laudator Dr. Thilo Weichert.

Der Genuss dieser Zeilen erzwingt allerdings einen zweiten, vielleicht gleich einen etwas größeren Kübel. Denn Lauterbach hat nicht nur die ePA gnadenlos durchgeprügelt, sondern mit seiner aktiven Geburtshilfe entband er den nächsten veritablen Krüppel, einen rechten Homunculus, nennt sich „European Health Data Space“ (EHDS). Besser wäre ein „Europäisches Zentrum für Datenhygiene“ gewesen, damit hätte die Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht verhindert werden können.

Aber auch ohne EHDS bleibt viel zu verteilen, Lauterbach sieht in der ePA einen Datenschatz für KI-Innovationen und lädt gleich Google, Meta und OpenAI ein, die mussten sich nicht mal aufdrängen. Die ePA und das „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ (FDZ Gesundheit) bezeichnete er als Sonnen, „um die die anderen Planeten kreisen“. Mir wird übel, besser wir machen eine Pause und ich spiele „Vor Sonnenaufgang“ – damit sollte genug Zeit sein, einen neuen Kübel zu besorgen.

Damit sich das gelohnt hat, blicken wir schnell, auf das, was Lauterbach rausgefunden hat. Er sieht so viele wertvolle Klicks und überlegt: „wie groß dieser Datenschatz ist. Wir haben pro Jahr eine Milliarde Arzt-Patient-Kontakte in den Praxen” und das will er verscheuern, denn nur ohne die Widerspruchsmöglichkeiten seien diesen umfassenden Datenspenden möglich, ich wiederhole: Datenspenden! Er halluziniert von individuellen Therapieentscheidungen, die sich aller Wahrscheinlichkeit ausschließlich an den Kosten (und der Lebenserwartung) orientieren und orakelt weiter „Was sehr wichtig ist, mit Künstlicher Intelligenz wird dieser Datensatz so nutzbar sein“. Was zieht der sich eigentlich morgens rein, um den Tag zu überstehen?

Der kennt keine Gnade, das ist so angelegt, dass es „KI-ready“ sei: „Zum Beispiel ist der Datensatz jetzt so aufgebaut, dass in dem Forschungsumfeld des Forschungsdatenzentrums ‘confidential Computing’ möglich ist, weil die Daten in diesem Umfeld […] nicht mehr verschlüsselt sind“.  Äh – und da darf dann jeder dran? Ja, der Forschungszweck sei entscheidend, und nicht, wer den Forschungsantrag stellt. Schränkt aber etwas ein und erklärt, „dass der Datensatz nie dieses sichere Umfeld verlässt“ und die Daten würden die vertrauenswürdige Ausführungsumgebung nicht verlassen. Ich habe jetzt keine Ahnung, wie das funktionieren soll, der lässt also KI auf die Daten los und die Daten – das wären also auch die Daten, von der die KI lebt – verlassen die vertrauenswürdige Umgebung nicht. Was machen die dann damit? Löschen? Oder noch ein paar Nebelkerzen zünden? Und wenn die trainierte KI zu Forschungszwecken in der freien Wildbahn auftaucht, braucht es nur etwas Rechenkraft, um die Trainingsdaten auch wieder herauszurechnen. Bei einer solchen Goldgrube lohnt sich das, zumal der Moloch immer weiter gefüttert wird.

Die Daten, die unser Gesundheitssystem abwirft, sollen pseudonymisiert sein, lassen sich aber mit wenig Aufwand wieder personalisieren. Es ist – so Lauterbach – der größte, repräsentativste und interessanteste Gesundheitsdatensatz der Welt. Klar, dass Meta, Google oder OpenAI zugreifen, die Forschungszwecke sind schnell gefunden. Kombinieren die den Datenschatz mit dem, was auf ihren Plattformen bereits gegen uns vorliegt, können wir die Geheimdienste abschaffen, wir sind nicht nur vollständig durchleuchtet, sondern eine berechen- und formbare Masse. Und jetzt laut mitsingen Life is Life  (wem dabei die Kröte nicht im Hals stecken bleibt, der kann mich in den Kommentaren dafür abwatschen.)

Fragt sich, was wir davon haben. Kurz gesagt: Nichts! Wir leisten uns mit den Krankenkassenbeiträgen das teuerste und ineffizienteste Gesundheitssystem, das Lauterbach als fantastischen Wirtschaftszweig bezeichnet –  hol den nächsten Kübel für Lauterbach: „Jeder sieht ja, wie wir derzeit wirtschaftlich stagnieren, aber in den Bereichen Medizin, Digitalisierung, Medizinprodukte, Pharma ist das nicht der Fall, da haben wir überall Wachstum.“ Unsere Gesundheit ist ein Wirtschaftszweig, spannend!

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen öffnet in erster Linie kommerzielle Scheunentore, die kaum zu schließen sind. Unsere persönlichsten Daten werden verschleudert. Besonders pikant, dass alles zentral verwaltet wird. Bei aller Absicherung gegen digitale Angriffe (sicherlich keine Kernkompetenz der gematik), genügt ein kleiner Fehler und es taucht dieser Datenschatz unverschlüsselt und personalisiert im Darknet auf. Aber selbst wenn kein Fehler die Ursache sein sollte, gibt es diese üblen Cyberanarchisten aus Russland, China oder Redmond, die Lücken kennen und absaugen, was da ist – wenn nicht heute, dann eben morgen. Merke: Wo der Trog steht, versammeln sich die Schweine!

Und die Umsetzung zeigt bislang, dass nur eine gebremste Kompetenz zum Einsatz kommt, in der ePA (das bemängeln auch die Ärztinnen und technikaffine Ärzte) landen unstrukturierte Dokumente und wenn ich einen Befund vom MRT bekomme, dann bleibt mir das als CD erhalten, weil die gematik so große Datenmengen nicht annimmt, 25 MB am Stück, mehr geht nicht durch den Schlitz. Ein anderer Begriff für das Gepfusche: agile Softwareentwicklung, heißt so viel wie, wir denken nicht zu Ende, sondern fummeln einfach los. Das sollte meine Bank mal versuchen …

Die PVS (Praxis Verwaltungs-Software) kann mit der ePA (noch) nicht umgehen, jede Krankenkasse hat eine andere App, mit der ich als Dateneigentümer steuern soll, wer etwas sehen darf. Und ob das bei den vielen Optionen, die es gibt, auch funktioniert, steht auf einem anderen Blatt. Und selbst wenn die Apps es richtig machen, der Moloch greift sich dennoch alle Daten!

Was hinzu kommt, welcher Patient oder Patientin wischt und klickt sich da durch? Babyboomerin Tante Gerda aus Gelsenkirchen bestimmt nicht, die ist froh, wenn sie über KlickiDocki  überhaupt einen Termin bekommt. Jüngere holen sich die Tipps auf TikTok, so zum rumprobieren. Life is Life …

Aber gibt es nicht eine Verantwortung für Tante Gerda oder die TikToker? Schließlich sind sie auch Teil des Wirtschaftszweiges Gesundheit. So traurig es ist, die können wir nicht retten – uns leider auch nicht, deshalb nochmal der Widerspruchslink um die Datengier zu meinem Nachteil etwas zu begrenzen. Sollte aber bis Ende des Jahres den eigenen Schreibtisch verlassen haben.

Wer bis jetzt nicht abgekübelt hat, der erfreut sich einer stabilen Gesundheit, Glückwunsch!

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)

2 Kommentare

  1. w.nissing

    Danke, done, lag zwar schon auf dem Schreibtisch aba jetzt endlich gemacht

    • Christian Wolf

      Vorbildlich! Ich hoffe, es machen noch mehr und schicken den Link an die weiter, die es – wie von den Strategen gewünscht – nicht mitbekommen haben und automatisiert dem Moloch zugeführt werden. Noch ist es nicht zu spät!

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