Im FAZ-Wissenschaftsteil (mit Safari eingemauert, mit Firefox paywallfrei) berichtet ein Oliver Weber über eine Tagung: “Warum sehen wir den Pfadwechsel mit Unwillen? – Hier endet der lange Weg nach Westen: Zwei junge Politikwissenschaftler holen mit prominenten Rednern aus Amerika und Großbritannien die Debatte über den Postliberalismus in die Mitte Deutschlands.” Warum ist die “liberale Demokratie” in der Sackgasse? Eine berechtigte Frage, der sich ein neuer Denkpanzer angenommen hat. Wie eine Tagung in der Gegenwart – jedenfalls diesem FAZ-Bericht zufolge – ohne die Erwähnung der asozialen Konzernnetzwerktechnologien, die die menschliche Kommunikation völlig unkontrolliert neu konfigurieren, auskommt? Das weiss ich auch nicht. Sie hätten es dann auch seinlassen können.
Vor so einer Dummheit sind die weit klügeren und minderbezahlten Kolleg*inn*en von netzpolitik.org geschützt. Während hierzulande die “Kinderbeschützer” irrlichtern, statt einen angemessenen Menschenschutz in der Demokratie zu organisieren, weiss das grosse Grosskapital, wo die Musik spielt: bei den Massenvernichtungswaffen. Ben Bergleiter: “Big-Tech und das US-Militär: Ein verlockendes Geschäft – Immer mehr Tech-Giganten wie OpenAI, Meta, Google und Palantir liefern ihre Technologien an das US-Militär. Das einstige Tabu wird zur Normalität – trotz interner Proteste und ethischer Bedenken. Was treibt die Tech-Branche in die Arme des Rüstungssektors?” Galten die kalifornischen Multimilliardäre – mit Ausnahme von Peter Thiel – lange als “Liberale” und Spender des edlen Barack Obama, entdecken sie nun auch an Donald Trump irgendwelche guten Seiten – in seinen staatlichen Auftragsbüchern.
Olaf Scholz nannte das in seiner Jugend staatsmonopolistischer Kapitalismus. Aber das meinte er nicht so, sondern musste es, um in den 70ern und 80ern bei den Jusos voranzukommen. Aber genau darum handelt es sich in der zweiten Trump-Ära noch offener und brutalehrlicher, als es bei Ronald Reagan und Margret Thatcher gewesen ist.
Mit Liberalismus hatte die Denkwelt dieser Weltbeherrscher in spe noch nie das Geringste zu tun. Sie wollen den Feudalismus zurück, mit sich selbst als Sonnenkönig. Und wenn jemand behaupt, er habe einen Längeren, kann das in zeitweilige Feindschaft bis hin zum Krieg umkippen.
Das Weltbild dieser weltfernen Figuren wird heute “Transhumanismus” genannt. Sie sind halt was Besseres, als wir gewöhnlichen Menschen. Bei telepolis haben dazu mal eine Menge interessanter Texte gestanden. Aber die hat der Heise-Verlag alle gelöscht (25 Jahrgänge). Übriggeblieben ist immerhin Andreas v. Westphalen, der dazu im März dieses Jahres schrieb: “Transhumanismus und KI: Bedrohung des Menschen – Partystimmung in Silicon Valley: Die Grenzen des Lebens werden gepusht. Mit einer erschreckend simplen Vorstellung des Menschen – und gravierenden Folgen?”
Pflege und Markt passt nicht zusammen
Auch das hat der emsige Kollege Westphalen richtig erfasst. Hier sein zweiter Interviewteil mit Studienautor Joß Steinke: “Die unsichtbare Krise: Was ist uns der soziale Sektor wert? – Was passiert, wenn Kitas schließen und Pflegekräfte gehen? Die besorgniserregende Lage des sozialen Sektors und Lösungsvorschläge.”
Eine puzzlestarke Ergänzung dazu von Guido Sprügel/Jungle World: “Arme Pflegebedürftige bangen um ihren Platz im PflegeheimSozialhilfeempfänger müssen draußen bleiben – Wegen steigender Kosten melden einige Pflegeheime Insolvenz an, andere erhöhen ihre Preise. Die Folge: Immer mehr Pflegebedürftige sind auf Sozialhilfe angewiesen. Verbände beklagen allerdings enorme Zahlungsrückstände seitens der Sozialämter. Es ist ein Teufelskreis, unter dem vor allem ärmere Menschen leiden.”
Eine lebensnahe Reportage von ver.di-publik hatten wir hier: “Der Allesmacher”.
Olaf hatte es gemacht, wie Donald Trump: er liess sich von den Medien dazu treiben, einen Lobbyisten zum zuständigem Minister zu machen. Selbst für unabhängige Geister glich das zuständige Ministerium einem Himmelfahrtskommando. Besser geworden ist nichts. Postcorona findet es keinen Platz mehr im deutschen Mediendiskurs. Da muss sich dann niemand mehr über “Postliberalismus” wundern.
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