Grundrechtseinschränkung und Rassismus als Politikkonzept

Die CDU/CSU hat einige Tage gewartet, dann den “alten Hut” der angeblichen “Sicherheitsgesetze” wieder aufgewärmt. Angeblich werden sie Gespräche mit der rot-grünen Restregierung führen, um ihr Paket und darunter vor allem die Vorratsdatenspeicherung wieder aufzuwärmen. Angeblich, so heisst es, sei das Kabinett bereits auf diese eingegangen, berichtet Heise Online. Die Grüne Bundestagsfraktion dementiert – schließlich war sie kurz davor, endlich das verfassungskonforme, seinerzeit von Peter Schaar als Bundesbeauftragter für den Datenschutz befürwortete “Quick Freeze”-Verfahren – die ad-hoc-Speicherung von IP-Adressen einzuführen – ein Gesetz, bei dem sich Grüne und FDP ausnahmsweise einmal einig waren. Deshalb könnten diese Gesetze noch von den ehemaligen Ampelparteien ohne den Bundesrat beschlossen werden.

Da der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anrufen kann, versucht die Union nun, das Kabinett unter Druck zu setzen. Sie hätte nur Erfolg, wenn die grünen Regierungsmitglieder in dieser Bürgerrechtsfrage umfallen. Der Fall zeigt, dass es der CDU/CSU keineswegs um Terrorbekämpfung geht, sondern um Wahlkampf mit dem Abbau von Bürger*inn*enrechten.

Fake News – von wem lanciert?

Am 30.12. meldete Heise Online, die verbliebene Bundesregierung habe sich auf die Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung geeinigt.  Die grün-interne Empörung schlug hohe Wellen und die parlamentarische Geschäftsführerin und Bürgerrechtlerin Irene Mihalic MdB machte klar, dass es weder einen Regierungsbeschluss, noch eine Zustimmung der Grünen im Kabinett und schon gar nicht in der Fraktion gibt.  Wer also mag diese verunsichernden Informationen lanciert haben? Was sagt das über das Vertrauen der verbliebenen Koalitionspartner aus? Könnten die Teile der SPD die Finger im Spiel haben, die wie GdP-Fuktionäre bekanntnermaßen ein sehr geschmeidiges Verhältnis zu den Grundrechten und der Vorratsdatenspeicherung pflegen? Es ist traurig aber für die Verfassung hoffnungsvoll, dass die Angriffe auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung weniger Erfolg haben werden, als zu befürchten war.

Instrumentalisierung des Anschlags in Magdeburg geht weiter

Diese üble Instrumentalisierung der Situation trifft gleichermaßen auf das Asylrecht zu. Nun war der Täter von Magdeburg kein Asylbewerber, sondern ehemaliger Moslem, scharfer Islamkritiker und stand der AfD nahe. Verbunden mit seinen Aufrufen zur Gewalt war er nichts anderes als ein gewaltbereiter Neonazi mit Migrationshintergrund. Das aber in aller Klarheit zu benennen, scheuen dieselben, die mit der Vorverurteilung eines vermutlichen islamischen Anschlags schnell bei der Hand waren. All dies ficht die CDU/CSU nicht an.  CDU-Generalsekretär Linnemann war sich einen Tag vor dem Jahreswechsel nicht zu schade, weiter der AfD-Politik den Rang abzulaufen. Er forderte, jeden Asylbewerber nach “zwei Straftaten” abzuschieben. Warum nach zwei, warum nicht nach einer oder drei, fragt sich der staunende AfD-Wähler. Natürlich geiferte die BILD-Zeitung mit Riesenschlagzeile auf der ersten Seite mit. Markus Söder legte am  2. Januar nach, und machte wieder Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtlingen. Sie dürften nur bleiben, wenn sie für ihr Auskommen selbst sorgen könnten, forderte wieder Zurückweisungen an den Grenzen und weitere Verschärfungen, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind.

Das Känguru stellt die richtige Frage

Das Känguru, bekannt durch den Komiker Marc-Uwe Kling, stellt in seinem neuesten Clip die berechtigte Frage, ob Friedrich Merz – man stelle sich vor, er wäre in der AfD – den Partei-Kameraden dort etwa als “unangenehm gemäßigt” auffallen würde?  Eine geistige Brandmauer zur AfD in Asylrechtsfragen scheint es auch für ihn und Söder nicht zu geben. Die Vorwegnahme der AfD-Politik im vorauseilenden Gehorsam oder gleicher Geisteshaltung  durch die CDU/CSU geht trotz “Fairnessabkommen” zwischen den demokratischen Parteien weiter. Diese Fairness bezieht sich für die Union wohl nicht auf den Umgang mit dem Grundgesetz, der europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention.

Wahlkampf auf Kosten von Rechtstaat, Flüchtlingen und sozial Schwachen

Das ist insofern kein Wunder, als die Union alles tun muss, im Wahlkampf nicht die Diskussion aufkommen zu lassen, was das Wahlprogramm mit expandierender Aufrüstung, brutalen sozialen Einschnitten aufgrund ihrer Fixierung auf die Schuldenbremse für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland bedeutet. Und dies alles angesichts eines Wirtschaftskrieges, den der Autokrat Donald Trump der EU androht. Denn die Union will ja nicht etwa ein Konjunkturprogramm starten, das unter Modifizierung der Schuldenbremse die Wirtschaft mit neuen Impulsen versorgt, sondern mit voller Kraft zurück in die Vergangenheit der 50er Jahre. Merz’ neuestes Märchen: schon Kinder ab sechs Jahren sollten mit staatlicher Hilfe privat für die Rente sparen. Dass Blackrock den Rest erledigen würde, hat er nicht dazu gesagt. Was die heute Hunderttausenden prekär als Scheinselbstständige beschäftigten Paketboten, Gebäudereiniger und Sicherheitsdienstleister dazu sagen, die oft für die gesetzliche Rente keinen Cent übrig haben, und wer in 30 Jahren deren Lebensabend bezahlt, auch nicht.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net