Damals bei der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 haben einige wenige, und auch nur für kurze Zeit, versucht, die hiesige Öffentlichkeit damit zu beruhigen, dass “das bei uns” aufgrund hiesiger grossartiger deutscher Wertarbeit “selbstverständlich” überhaupt nicht passieren könne. Das zog nicht, haben die Betreffenden selbst schnell gemerkt. Und seitdem erfolgreich auf Spielverzögerung gesetzt: bis zum politischen Beschluss eines Atomausstiegs dauerte es noch 27 Jahre (und brauchte dafür noch einen japanischen GAU). Jetzt verseucht russisches Öl das Schwarze Meer. Werden sie es wieder versuchen? Alles der Putin, könnte bei uns nie passieren? Wir wissen es besser.
Vielleicht wird deswegen darauf verzichtet, schockierende Bilder von abgekratzten Delfinherden oder gar entsprechende Leichenberge im Bild zu zeigen? War was in der Tagesschau? Ich habe nichts gesehen.
Auch vom Grossbrand in Ghana nicht. Helena Kreiensiek/taz: “Großbrand zerstört Großmarkt in Ghana: In Schutt und Asche, aber das Geschäft geht weiter – Ein Feuer hat Westafrikas größten Markt für gebrauchte Kleidung zerstört. Der Kantamanto Market in Ghanas Hauptstadt Accra ist weitgehend abgebrannt.” Das wird in anderen deutschen Medien gar nicht erst erwähnt. Weil der Export von giftigem deutschem Elektronikmüll dadurch nicht gefährdet wird? Und sind womöglich gar keine Deutschen oder andere Weisse zu Schaden gekommen?
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe gute Nachrichten mehr als schlechte. Und fühle mich mit denen weit schlechter versorgt. Aus gesundheitlichen Gründen halte ich Mediendiät. Doch solche Beispiele zeigen, wie selektiv professionelle deutsche Medien unsere Öffentlichkeit versorgen. Die Lücken im Weltbild sind grösser als ein Scheunentor, mitunter so gross wie ein ganzer Kontinent.
Meine Lückenfüller waren heute:
Luca Schäfer/telepolis: “Schlachtfeld Jemen: Der neue, große Krieg? – Israel versucht, im Jemen militärisch Fakten zu schaffen. Nach Hisbollah, Assad und Hamas sollen nun die Huthis an die Reihe kommen. Was das für die Region bedeutet”.
Uwe Kerkow/telepolis: “Riesenstaudamm auf dem Dach der Welt – China genehmigt ein riesiges Staudammprojekt in Tibet. Doch wird der Nutzen die Risiken für die Umwelt und die zu befürchtenden Probleme mit Indien überwiegen?”
Und von Österreich lernen
Dort machen sie nicht nur besseres TV und Theater unter weit schwierigeren Bedingungen, sie gehen Deutschland mal wieder vorweg:
Magdalena Berger/Jacobin: “Für NEOS und ÖVP ist Herbert Kickl das geringere Übel – Liberale und Konservative liefern Österreich lieber den Rechtsextremen aus, als Zugeständnisse im Sozialbereich zu machen. Damit zeigen sie erneut, was Linke schon immer wussten: Hinter dem Faschismus steht das Kapital.”
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