Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Weltordnung in freiem Fluß

Nach den Auftritten des amerikanischen Vizepräsidenten und des Verteidigungsministers in Brüssel bzw. München dürfte auch in Deutschland weithin klar sein, dass sich die Weltordnung in freiem Fluß befindet: Good bye regelbasiertes und halbwegs berechenbares Handeln der USA.

Der chinesische Außenminister Wang Yi hat das begriffen und präsentiert sein Land in München sogleich als Garanten einer stabilen internationalen Kooperation, des Multilateralismus und einer regel- und vertragsbasierten Politik. Ziemlich clever und auch rhetorisch geschickt, und natürlich nicht ganz aufrichtig, wenn man sich Chinas Unterstützung für den alles andere als völkerrechtskonformen Angriffskrieg Russlands ansieht. Aber trotzdem gelingt es ihm, auf all jene Knöpfe zu drücken, die bei einem verunsicherten Europa derzeit Resonanz erzeugen können.

Dazu gehört auch Wang Yis überaus höfliches und diplomatisches Auftreten, das einen Unterschied macht zu den Schulhofschlägern, die nun für die USA sprechen. Und ein bisschen witzig ist er auch, wenn er vorschlägt, einmal mit DeepSeek zu suchen, ob sich bei den interprationsbedürftigen Metaphern, mit denen die Diplomatie hantiert, nicht auch gemeinsame Interpretationen zwischen China und Europa finden lassen.

Europa sollte vorsichtig sein und nicht gleich auf vermeintlich neue Großverbündete setzen, die die USA ersetzen können. Das wäre eine Fortführung einer falschen und bornierten Politik, die nach dem, was unter Kanzler Kohl erreicht wurde, viel zu unambitioniert war. Für Europa geht es darum, endlich auf eigene Füße zu kommen. Dafür ist gerade die Bundesrepublik zentral.

Bei Merz, der ja mit seinen Ideen zur Grenzschließung gerade die CDU-Traditionslinie Adenauer-Kohl abwickelt, habe ich da wenig Hoffnung auf neue Europa-Impulse. Bei Scholz, dessen SPD Deutschland und Europa mit ihrer Russland-Politik mit in die strategische Malaise manövriert hat, noch weniger. Halbwegs konsistent agieren in den letzten Jahren nur Habeck und Baerbock. Es wäre gut, wenn von ihrer Pro-Europa-Politik mehr in Deutschland und Europa ankäme.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

Ein Kommentar

  1. Roland Appel

    Lieber Reinhard, wie kommst Du darauf, dass eine Allalena Baerbock und Robert Habeck, deren ideologiegetriebenen Sprüche “Die Ukraine muss siegen” usw. in den letzten zwei Jahren weit neben der Realität des Kriegsgeschehens lagen, realistischer und glaubwürdiger für eine neue Europäische Positionsfindung beispielgebend sein könnten? Was Europa nun braucht, ist eine neue, glaubwürdige und realistische, vor allem eigenständige Position. Die Zeitenwende geht viel tiefer, als wir heute erkennen. Wir könnten erleben, dass das Trump-Regime nicht nur Völkerrecht bricht, sondern auch aus der UNO austritt und sie zu zerstören sucht. Der Kampf um die Demokratie weltweit hat erst begonnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2025 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑