Weltweites Aufsehen erregt, dass der Clan der Sauds als Gastgeber der ersten Gespräche zwischen den USA und Russland über die Ukraine fungiert. Im Rheinland sagen wir dazu: mann kenntsisch, mann hilft sisch. Das Welt- und Menschenbild dieser Männer ähnelt sich. Die verstehen sich untereinander und können gemeinsame Interessen identifizieren. Mit Letzterem haben demokratische Politiker*innen zunehmende Auffassungsprobleme. Das stärkt sie nicht. Weitgehend ignorieren sie parallele Machtvorgänge im Profifussball der Herren. Diese sind aufgrund ihrer Massenattraktivität und Reichweite entscheidend für die Eroberung von Medienmacht. Die in Riad wissen das. Und ihre Kasse ist voll. Vollgemacht von “uns”, mit unserem Benzin- und Heizungsgeld.

In der Eroberung der (Fussball-)Medienmacht hat der Oligarch Len Blavatnik (Dazn) den an der Kante zum Grab wandelnden Reaktionär Rupert Murdoch (ehem. Sky) abgelöst. Letzterer ist zu sehr mit seinem Testament und seinen widerspenstigen Blagen beschäftigt, und braucht das Geld, um es unter ihnen aufzuteilen. Blavatnik hat mittlerweile knapp 7 Mrd. $ oder € verbrannt, um den Markt zu erobern. Recherchen deutscher Medien, wie er das Kapital mit seiner eigenen Hände Arbeit rechtschaffen akkumulieren konnte, stehen nun schon seit vielen Jahren aus. Und das wird wohl auch so bleiben – weil alle ja so total unabhängig sind.

Verschiebung einer Saudi-Milliarde – Kleingeld für die Fifa

Nun sind die Sauds Blavatnik zuhilfe gekommen mit einer Milliarde Einlage in sein Medienunternehmen. Kleingeld für ihn, und erst recht für sie. Spekuliert wird in der Branche, dass das die Gebühr an die Fifa für die WM-Zuteilung 2034 ist. Denn Blavatnik reicht die Milliarde dorthin weiter für die Senderechte an der sog. “Club-WM” im Sommer in den USA, ein Kirmesturnier, für das einfach kein anderes ernstzunehmendes Medienunternehmen Geld auf den Tisch legen wollte. Und die jetzt auf dem Tisch liegende Summe ist nur ein Viertel dessen, was Fifa-Pate Infantino kalkuliert hatte.

Deutsche Fussballkonzerne sind ganz schmerzfrei, was diese anrüchigen Schiebereien betrifft. Der Konzern aus dem süddeutschen und der aus dem westfälischen Raum, der deutsche Tabellenerste und Tabellenelfte, gelten für Infantino als “qualifiziert” und erwarten jeweils 40 Mio. Antrittshonorar, zzgl. Prämien, wenn sie dort irgendwas gewinnen.

Ihre Konkurrenten in der Bundesliga sind wenig amüsiert. Sie ist von Wettbewerbsgleichheit um Galaxien entfernt. Der Erste hat 1 Mrd. Jahresumsatz, der Letzte 40 Mio. So sieht auch die Tabelle aus. Der Erste hat 12 Spiele vor Schluss schon 8 Punkte Vorsprung vor dem Zweiten, und 13 vor dem Dritten. Und dann wundern sie sich, dass sich im Ausland niemand für diesen Wettbewerb interessiert.

Sportliche Langeweile durch unsportliche Kapitalverteilung

Zum Vergleich die Punktabstände anderer Ligen (jeweils zum Zweiten, zum Dritten, zum Vierten und zum Fünften):
Deutschland: 8-13-18-19
England: 7-13-16-17
Schottland: 13-31-32-35
Spanien: 0-1-6-10
Italien: 2-5-10-10
Frankreich: 10-16-16-18
Tschechien: 10-13-17-23
Polen: 0-1-5-5
Dänemark: 0-5-6-6
Österreich: 0-5-9-9
Schweiz:1-3-3-6
Niederlande: 2-11-14-14
Belgien: 8-14-15-17
Türkei: 6-17-23-25
Griechenland: 2-5-8-14
Portugal: 2-6-8-14
zum Vergleich Deutschlands 2. Liga, publikumsattraktiv und spannend: 1-1-3-3 – das ist Wettbewerb!

Aus diesem Überblick ergibt sich: Polen, Dänemark, Österreich und Schweiz haben echten Wettbewerb. Spanien mit dem ewigen Kampf zwischen Barcelona und Madrid sowie Italien können noch mithalten. Der Rest ist jetzt schon zum Einschlafen. Noch extremistischer als Deutschland ist Frankreich mit den Qatar-Milliarden für PSG. Qatar hat längst die europäische Uefa in der Hand.

Was Qatar kann, so denken die Sauds in Riad, das können wir schon lange. Vor allem mit noch längerem Kapitalatem. Ob dann am Ende in $ oder 人民幣 abgerechnet wird, warten die Feudalclans gelassen ab. Gelassener als dieser Wicht in Washington. Wenn er in Not ist, kaufen sie den auch.

Niemand zwingt “uns” und “unser” Grosskapital, diese Spiele mitzuspielen. Aber die, die hier grosse Kapitalmengen bewegen, wollen das. Bürgerliche Demokratie ist dabei Spielmaterial. Sie dürfen sich das wie beim Monopoly vorstellen. Dieses Brettspiel hatte eine ganz ähnliche Geschichte, wie sie heute die Eroberung des Volkssports Fussball durch das grosse Kapital schreibt.

Lesen Sie ergänzend, was alles ohne Rechtsstaat, Gewaltenteilung, dazwischenredende Bürgerinitiativen und mit einer Bürokratie nach Kommandoprinzipien möglich ist: Werner Pluta/heise: The Line: Versteckter Hafen wird erster Bauabschnitt – The Line ist ein umstrittenes Megaprojekt in der saudi-arabischen Wüste. Der erste Bauabschnitt, der den Hafen umfasst, soll bereits in fünf Jahren fertig sein.” Die Saud-Prinzen verkaufen das Projekt als klimaneutral und nachhaltig. Das liegt wohl daran, dass sie bei ihrem teuren Studium an westlichen Universitäten ohne Aufsicht ihrer gestrengen Familie zu viel unzertifiziertes Zeug geraucht haben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net