Emmanuel Macron hat sich offensichtlich sorgfältig auf seine Begegnung mit Donald Trump vorbereitet. Er hat sein Gegenüber mit Gesten, Auftreten und Handlungen auf der Ebene archaischer Verhaltensweisen zur Strecke gebracht. Einige werden sich erinnern: Der rüpelhafte Auftritt Trumps vor etwa fünf Jahren auf dem G 20-Gipfel, wo er mindestens zwei Präsidenten einfach beiseite schubste, seine Weigerung, Merkel die Hand zu reichen und andere arrogante Fiesheiten. Warum ist das für Europa wichtig?
Trump ist eine autoritäre und narzisstische Persönlichkeit. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er ein Problem mit Begegnungen auf Augenhöhe hat. Für ihn gibt es in der Regel nur Über- und Unterordnung – Sieg oder Unterwerfung. Alle Menschen, die er als rangniedriger oder minderwertiger betrachtet – und das sind fast alle, außer Diktatoren wie Xi, Putin oder Kim Jong Un oder Oligarchen wie Elon Musk, versucht er geradezu krankhaft, zu unterwerfen. Wer verstehen will, was es mit diesem Phänomen auf sich hat, dem sei Thomas A. Harris empfohlen, der 1967 ff. seine Erkenntnisse über die Transaktionsanalyse veröffentlichte. Das Buch ist 1971 unter dem Titel “Ich bin ok – Du bist ok” in Deutschland erschienen und ist seitdem ein Standardwerk und bewährter Ratgeber im Umgang mit diesem Problem.
Pantomime hilft verstehen
Ich hatte im Laufe meines politischen Lebens das Glück, von der Pantomimegruppe “Die Raben” in Bonn das nötige Verständnis für Körpersprache und auch Methoden zu erlernen, wie autoritäre Persönlichkeiten entwaffnet werden können. Ein Vorgesetzter, mit dem ich Anfang der 80er Jahre als Betriebsrat zu tun hatte, pflegte sich hinter einem Vorzimmer mit drei Mitarbeiterinnen und einem gepflegten Terminmanagement, Warte-, Telefontermin- und Antragsritual zu verbarrikadieren. Im Gespräch trumpfte er strategisch geschickt auf, indem er erst einmal versuchte, die Schwächen seinens Gegenübers aufzudecken und übergriffig anzugreifen. Mein Mittel dagegen war recht einfach: Übergriffigkeit. Ich pflegte ein gutes Verhältnis zu den Damen, die heimlich unter ihrer Aufgabe litten, “Vorzimmer” zu spielen, drang nach “pro Forma”-Klopfen in sein “Allerheiligstes” ein, ging mit ausgestrecktem Zeigefinger und der Frage: “….war hast Du wieder gemacht?” auf ihn zu. Infolgedessen brach regelmässig seine ganze Hierarchiemauer zusammen und wir konnten auf gleicher Augenhöhe verhandeln.
Genau so hat Macron gewonnen
Die gestrigen Nachrichtensendungen zu sehen, war für mich ein Fest. Macron hatte sich offenbar hervorragend vorbereitet und jede Geste, jeden Übergriff geplant und konzentriert durchgezogen. Die Begrüßung, das Handschüttel-Ritual, mit dem Trump versucht, jeden Gast zu unterwerfen, genau analysiert und gekontert. Macrons offensiven Händeschütteln, seine körperlichen Griffe in die Intimität Trumps – es war eine wahre Freude! Sogar am Oberschenkel packte er ihn, wie es Trump ähnlich wohl nur zu gerne selbst bei Frauen macht. Trump war entwaffnet und musste sich die Korrektur seiner lügnerischen Behauptung, die EU habe der Ukraine ihre Unterstützungsmilliarden “nur geliehen” in aller Öffentlichkeit gefallen lassen. Welch eine Demontage seiner Fassade, die er wohl erst am Abend vor dem Einschlafen im ganzen Umfang erkannt haben wird. Nur so kann und muss Europa mit ihm umgehen – und ihn entzaubern – Chapeau, Monsieur Macron!
Putin ist intelligenter und gefährlicher
Der autoritäre Mann in Moskau ist zwar ähnlich gestrickt, auch er setzt auf Pomp und Einschüchterung – siehe sein Treffen mit Angela Merkel – aber intelligenter und schwerer angreifbar. Hätte Angela Merkel damals so etwas versucht, wie Putin übergriffig anzufassen, hätte sie der Labrador mit großer Wahrscheinlichkeit angegriffen, denn als Hund versteht er die archaische Körpersprache sehr genau. Die Ironie von Olaf Scholz: “Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir beide in einem Jahrzehnt noch im Amt sein werden” prallte an Putin ab. Dass er sie nicht verstand, ist äußerst unwahrscheinlich. Das sollte auch Donald Trump berücksichtigen, wenn er “Deals” mit Putin zulasten von Europa und der Ukraine abschließt. Sie könnten auch für ihn nach hinten losgehen.
Schreibe einen Kommentar