Eine 30-Minuten-Recherche in den Tiefen der ARD-“Kultur”

Matthias Dell/DLF hat es Monate später immer noch keine Ruhe gelassen. “Was wurde eigentlich aus der Causa Thilo Mischke?” (4 min, nur Audio, danke Frau Teichmann!) Warum? Weil seine Schlussfrage mit einem klaren Nein beantwortet werden muss: “Die Frage ist nur, ob die Affäre damit vorbei ist.” Nein, viele weitere werden folgen. Denn in den Anstalten merken die nichts …

Gestern erst schrieb ich an meinen WDR: “Sehr geehrte Damen und Herren, beim Versuch, den Wetterbericht in Ihrer Sendung zu erwischen, der, wenn die ARD sich schon mit Händen und Füssen gegen ein ‘Klima vor 8’ wehrt, immerhin gelegentlich klimapolitische Fakten enthält, musste ich Ihrer Studiobesatzung dabei zusehen, wie die dabei zusah, wie der neue Vereinsvorsitzende der Katholischen Kirche in Rom präsentiert wurde. Die gleichen Bilder gabs ja nur – ich habe nur 13 öffentlich-rechtliche Programme (DVB-T2) – bei ARD, ZDF, 3sat, Phönix und Tagesschau24. Das reichte natürlich nicht aus. Für Katholik*inn*en. Ich weiss ja nicht, ob Sies schon wussten – wahrscheinlich hat es Ihnen wieder keine*r gesagt – aber: ‘Die Zahl der Kirchenmitglieder hat sich in den letzten fünfzig Jahren von über 90 auf 45% halbiert, während sich die Zahl der Konfessionsfreien von unter fünf auf fast 50% verzehnfacht hat. Laut Fowid lag der Anteil der größten Einzelgruppe, der Konfessionslosen, zum Jahresende 2023 bei 46,2% und Jahresende 2024 bei 47%.’ zit. Wikipedia (Zahlen für Deutschland). Haben Sie auch ein Programmangebot für die Mehrheit? Freundliche Grüße”

Es geht nicht um Mischke, auch nicht um den Papst – es geht um die Weltwahrnehmung. Die ist in “unseren” Anstalten schwerbeschädigt. Die, die noch drin sind, sind mit ihrem Hamsterrad ausgelastet.

Wie kam Dell darauf, den längst verfaulten Apfel “Fall Mischke” nochmal aufzuheben? Weil die Kollegin Annika Schneider/uebermedien anlässlich einer österlichen ARD-Pressemitteilung – ein merkwürdiges Phänomen im aufmerksamkeitsökonomischen Betrieb – hinterherrechiert hatte, und ihre Ergebnisse wiederum erst eine weitere Woche später paywallfrei wurden: ARD-Castings laufen in Zukunft besser. Sagt die ARD. – Warum ausgerechnet Thilo Mischke Kulturmoderator bei ‘ttt’ werden sollte, brachte die ARD in Erklärungsnot. Jetzt stellt der Sender seine Moderatoren-Castings neu auf – angeblich. Denn was sich konkret ändert, behält die ARD lieber für sich.”

Ich weiss, es ist sinnlos. Es ist vergeblich. Aber das motivierte mich dazu, nach den Mitgliedern des Geheimbundes “ARD-Kulturchefs” zu suchen. Hier meine Ergebnisse. Ich lasse Sie live teilhaben.

Ich fange oben, im Norden, an, beim einst mächtigen, einst ernstgenommenen NDR. Ist das nicht der, der die alljährlichen deutschen ESC-Niederlagen verantwortet? Ich glaub’ ja. Denn ich stosse dort auf den NRW-Export Frank Beckmann. Der hat auch sonst schon einiges auf dem Kerbholz – aber ich vermute, der weiss zuviel.

Vom NDR umringt sind die Zwergenanstalten Radio Bremen und RBB. Gehen Sie davon aus, dass sich dort alle untereinander kennen. Das Gegenstück zu Beckmann ist in Bremen Jan Weyrauch. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Herren Direktoren gar keine Zeit hatten, noch selbst zu arbeiten. Sie werden also ihre Verantwortung abschieben auf irgendjemand in ihrem spannenden Organigramm.

So war das ja auch beim RBB in der Gelbhaar-Affäre. Im “Fall Mischke” ist Frau Martina Zöllner verdächtig. Aber natürlich auch nur, wenn sie Zeit hatte.

Da ist es beim nach wie vor mächtigen WDR einfacher zu verorten. Sie ist auch geständig, insofern, dass sie sich keiner Schuld bewusst ist: Andrea Schafarczyk. Aus den erregten WDR-Gremien weiss ich: Frau Schafarczyk hat alles richtig gemacht.

Beim Hessischen Rundfunk will Intendant Florian Hager neue “moderne” Saiten aufziehen. Transparenz gehört nicht dazu. Oder doch? Im HR-Organigramm ist eine “Kultur-Unit” auffindbar, ganz jung, chic und neu – aber ohne Namen derer, die die Arbeit machen. Vorgesetzt ist ihnen Programmdirektorin Krittian.

Wir nähern uns dem Kern des Problems. “ttt” war früher die Hessen-Ausgabe des “ARD-Kulturreports”. Weil mit letzterer Begrifflichkeit viele nichts anfangen konnten, wählten sie für wirkungsvolleres Branding “ttt”. Nun soll die Koordination für den Scherbenhaufen der MDR übernommen haben, dessen Intendant Ralf Ludwig unüberhörbare Probleme hat, in seinen Kontrollgrmien den Personalvorschlag Jana Brandt noch irgendwo und irgendwie durchzubringen. Die soll nämlich in der ARD jetzt koordinieren, was im “Fall Mischke” alles schiefgegangen ist. Sollen wir wetten, wie es ausgeht?

SWR-Kulturchefin ist seit 2020 Bayern-Import Anke Mai. Nach meinem Eindruck ist die bisher clever in Deckung geblieben. Oder haben Sie was bemerkt?

Das gilt auch für Bayerns NDR-Import Björn Wilhelm. Aus seiner Wikipedia-Biografie geht hervor, dass das Chefsein ihm beim Studium im deutschen Machtzentrum Hannover in die Wiege seines Studiums gelegt wurde. Zu gutem Chefsein gehört auch Diskretion über das Ich. Bravo, das ist gelungen. Oder haben Sie einen anderen Eindruck?

Das letzte Machtzentrum deutscher Staatsgewalt ist das Saarland, kleiner als Köln, aber mehr als doppelt so einflussreich. Hier firmiert Ricarda Wackers als Kulturchefin. Ihr Vertrag wurde mitten in den “Mischke”-Wirren mit Begeisterung verlängert. Sie kann also ebenfalls nichts falsch gemacht haben. Oder was meinen Sie?

Also, wenn wir das so überblicken: ist diese ARD nicht töfte? Was machten wir nur ohne sie? Der Hessen-Hager ist übrigens derzeit auch “ARD-Vorsitzender”. Was wird er im Schilde führen? Und was davon wird ihm gelingen? Ich wüsste es tatsächlich gerne.

Für unsere Information. Für unsere Demokratie. Eine Übertreibung ist das nicht. Aber die merken ja nichts …

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger