Beueler-Extradienst

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Noch ’n Manifest

Grundgütiger Himmel – wo soll das alles hinführen? Auf RTL wird zur Zeit eine Casting-Show mit dem Titel „Fuck on! Deutschland sucht seine Spitzenbellizisten“ vorbereitet. Im Wesentlichen geht es wohl um „Birne weich“ gegen „Rübe ab.“ Lustig! Und in ihrem Podcast wollen ein ZDF-Moderator und sein Hausphilosoph herausfinden, warum sich vor 80 Jahren Millionen Nazis zu überzeugten Demokraten wandelten und warum heute Millionen Demokraten zu überzeugten Nazis mutieren…

Das wird bestimmt eine hilflose Stotterei, wenn meine Ur-Ur-Ur-Enkelin mich dereinst fragt, wie das denn so war, damals, das Leben unter den Bekloppten… Ich werde, beim besten Willen, keine Antwort darauf wissen… Wer hat meinen Zeitgenossen das Abschalten des Denkapparates beigebracht? Wann ging das los? Ich weiß es nicht. Wer seinen Denkapparat nicht benutzt, sucht nicht nach Ursachen und braucht auch keine Entschuldigungen.

Bei der weiteren Standortbesichtigung fällt mir als erstes der Satz ein Si vis pacem para bellum – wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor – der von einem unbekannten Aufrüstungsanbeter des Römischen Reiches in die Welt gesetzt wurde. Ein bekannter oder sogar guter Autor war’s jedenfalls nicht, dem wir diese bescheuerte Aussage, die von Kriegshetzern als tiefe Weisheit gehandelt wird, verdanken. Denn Menschen sind von Geburt an weder kriegerisch noch sind sie friedlich. Es hängt von den Bedingungen ab, ob sie sich gezwungen sehen, zu kämpfen oder nicht.

Wichtiger als der Kampf waren den Steinzeit-Jägern und Sammlern, die in kleinen mobilen Gruppen lebten, Heiratsbeziehungen zu anderen Gruppen, es gab Regeln des Tausches oder der Kompensation, die relativ erfolgreich verhinderten, dass man sich gegenseitig ausrottete. Allerdings – die schwere Keule zur finalen Lösung seiner Probleme hatte jeder Steinzeitmann vermutlich auch schon Tag & Nacht im Kopf. Doch es gab keine Kriege, es gab nur Gewalt zwischen Personen. Die Professionalisierung des Kriegswesens ist demnach eine bedauerliche Fehlentwicklung im menschlichen Verhalten, und offenbar gibt es eine direkte Linie vom Gebiss des Schimpansen über Faustkeil und Holzkeulen für den Nahkampf bis zur römischen Bewaffnung mit Gladius, Pilum und Scutum und von da weiter bis zu Stalinorgel, MP und Kampfdrohne. Es lässt sich nicht abstreiten:

Wir sind noch genauso primitiv wie unsere Steinzeitverwandtschaft. Bis heute. Putin, Pistorius und die Kriegsherren in aller Welt – sie haben die gleiche primitive Totschlagmentalität im Kopf, sie sind immer noch genauso doof wie die Mörder vom Ötzi aus dem Endneolithikum. Und das in der Zeit von Digitalisierung und KI. Müsste man diese modernen Einrichtungen nicht einsetzen, um Friedenschancen auszurechnen und umzusetzen? Kann die KI nicht mal präzise herausfinden, wie sich Kriege optimal vermeiden lassen zugunsten gutnachbarlicher Beziehungen, kann die Ki in West und Ost nicht mal den Maximal-Kompromiss errechnen, der allen Menschen die Unsinnigkeit von Kriegen vor Augen führt? Meine Güte, wäre das erfreulich, wenn man imbezile Staatenlenker durch einen klugen Algorithmus ersetzen könnte…! Aber diese überaus wichtigen Spitzenpolitiker sind ja vermutlich viel zu eitel, um eine höhere Intelligenz anstelle ihres eigenen Unverstandes auszuprobieren…

Die Ukraine ist in den letzten Jahren von ihren Sponsoren mit Waffen und Geld vollgestopft worden, ohne dass sie Russland eine »strategische Niederlage« (Annalena Baerbocks Formulierung) beibringen konnte. Den russischen Präsidenten militärisch oder mit Sanktionen an den Verhandlungstisch zu zwingen, das ist ja wohl auch gescheitert. Und mit immer mehr Aufrüstung scheint das ebenfalls nicht zu funktionieren. Und wenn man Abrüstungsverhandlungen für nicht zeitgemäß erklärt, kommt man einem Ende des Blutvergießens schon gar nicht näher. Experten, Strategen und Hohlschwätzer erklären ununterbrochen: Russland will keine Gespräche führen. Eine Begründung dafür erfahren wir nicht. Hat man vielleicht was versucht, was wir nicht wissen? Wie lange will man den Denkapparat abgeschaltet lassen? KI, hilf!

Während Politiker und Politikerinnen die Gefahren der Trump-Exzesse beklagen, wollen sie in Deutschland die stärkste konventionelle Armee Europas an den Start bringen. Ein neuer europäischer Imperialismus blüht auf. Die Umstellung der gesamten Gesellschaft auf „Kriegstüchtigkeit“ ist im Gange: Die Bundeswehr wirbt im Fernsehen, auf Werbetafeln, in Schulen und Schwimmbädern, sie würde jungen Menschen einen attraktiven Karrieresprung ermöglichen. Logo – mit der Verknappung der Jobmöglichkeiten wächst das Angebot zum Töten und Sterben. Dazu wird systematisch derselbe Feind benannt, mit dem schon Kaiser Wilhelm II. und Hitler eine schlimme Gefahrenlage herbeilogen: Das Böse landet immer in den frühen Morgenstunden und zwar überall da, wo wir’s nicht erwarten. Aber Kriege, an denen sich deutsche Truppen beteiligten, gelten als ganz normal – Afghanistan zum Beispiel oder Jugoslawien: Kanzler Schröder und Kriegsminister Scharping ließen damals zusammen mit dem olivgrünen Außenminister Fischer 78 Tage und Nächte Belgrad in einem völkerrechtswidrigen Krieg bombardieren… Diesen Krieg hat uns die deutsche Propaganda längst als humanitäre Selbstverständlichkeit und großartigen Friedenseinsatz verkauft…

Deutschland ist auf einem „Abschreckungsaufmarsch“ Richtung Osten. Und wie in der Hochphase des deutschen Militarismus, unter Kaiser und „Führer“, sollen Soldaten, also Veteranen, als Heroen eingesetzt werden. Vernagelte Holzköpfe und ewiggestrige Vollidioten mit Steinzeitkeule im Kopp brauchen wir angeblich dringend. Deshalb spendiert uns die Regierung in einem makabren Rollback den Nationalen Veteranentag.

Laut Definition des Bundesministeriums der Verteidigung gelten als „Veteranin oder Veteran der Bundeswehr“ alle, die „im aktiven Dienst“ stehen oder „ehrenhaft“ aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sind. Nach dieser Definition müssen wir rund zehn Millionen dieser uniformierten Patrioten ertragen – Paradedeutsche in einer Gesellschaft, die das Militär verehrt und den Krieg als profitable Chance ansieht. Ein „überfälliges Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung“ sei dieser Nationale Veteranentag, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dem eigentlich längst eine Pickelhaube wachsen müsste. Wertschätzung? Lachhaft! Wenn der Staat sich intensiv, großzügig und schnell um Pflege und Versorgung der physisch und psychisch Geschädigten kümmern würde – das wäre eine Wertschätzung. Allerdings, die Frage sei gestattet: Warum haben diese Veteranen den Bundeswehrquatsch mitgemacht und sich als williges Kanonenfutter missbrauchen lassen? Warum glauben sie, ihrem Staat irgendwo im Outback „dienen“ zu müssen?

So, wie es ausschaut, ist der Zweck des Veteranentages folgender: Die Zukunft soll vom Militarismus geprägt werden, die Bundeswehr soll „in der Mitte der Gesellschaft“ positioniert werden – da, wo rechtsradikale Polizei-Chatrunden und vom Rassismus infizierte Unionspolitiker als Platzhirsche wirken.
Das „Soldatentum“ soll wieder hohe Relevanz erlangen. Und wenn’s so weitergeht, sollen wir Zivilisten schon bald wieder vom Bürgersteig in die Gosse treten, wenn ein schneidiger Leutnant durch die Gasse zu flanieren wünscht… Andererseits: Veteranen der Bundeswehr zu mobben kann ja nur ein erster Schritt sein, auch wir Zivilisten werden, falls wir den nächsten Krieg überleben, zu Veteranen heranwachsen und haben dann einen Anspruch darauf, von Pistorius abgefeiert zu werden. Also – da ist noch Luft nach oben… Ich denke, die wichtigste Aufgabe für Journalisten wird es bis dahin sein, die Völker vor ihren Regierungen zu beschützen.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

Über Henning Venske:

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2 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Tino Sanders

    jedesmal ein Genuss, eine klar formulierende Stimme zu lesen, die den Wahn hinter der scheinbaren Alternativlosigkeit des “politischen Konsens” enthüllt.
    Danke Herr Venske.
    Wenn es nach mir ginge, dürften Sie jeden Abend Venske vor acht vortragen.

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      Martin Böttger

      Das würde in Arbeit ausarten. Der gute Mann ist im April 86 geworden. Seien wir froh und dankbar, dass er bei uns ist. Dank auch an Detlef zum Winkel, der uns den Kontakt zu ihm vermittelt hat.

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