Milliarden für die Aufrüstung von Bundeswehr und NATO sind Merz und seinem Ziehsohn Spahn offensichtlich nicht genug: Eine “Führungsrolle” will Jens Spahn in Europa und in der EU spielen und eine “Führungsrolle”, so Spahn, solle Deutschland bei der atomaren Aufrüstung Europas bzw. der Entwicklung eines atomaren “Verteidigungsschirms” spielen. Ob es nationale Großmannssucht oder einfach persönliche Selbstüberschätzung gepaart mit Geltungsdrang sein mag: Der CDU-Spitzenpolitiker scheint in die Fußstapfen von Adenauers  Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß treten zu wollen, der bereits mit der Wiederbewaffnung der Bundeswehr 1955 auf eigene Faust Pläne verfolgte, die Bundeswehr atomar zu bewaffnen.

Damals – 1957 – haben das die erste Friedensbewegung “Kampf dem Atomtod”, die FDP und die Alliierten verhindert. Zwar konnte “FJS” den so legendären wie umstrittenen “Starfighter F 104 G” anschaffen, der Atomwaffen tragen konnte, von dem über 200 Stück abstürzten und mit dem sogar der Sohn von Strauß’ Nachfolger, Verteidigungsminister von Hassel (CDU), sein Leben verlor.

Atomwaffensperrvertrag und “atomare Teilhabe”

Aber die in Deutschland im “kalten Krieg” in Deutschland stationierten Atomwaffen standen allein unter der Kontrolle der US-Army, die die Codes für Atombomben, die Schlüssel für die Bunker mit atomarer Munition der 155 mm-Haubitzen und in den 80er Jahren die Kontrolle über die Lafetten für den Abschuß der Pershing-2 Mittelstreckenraketen hatten. Das nannte man “atomare Teilhabe” und das gilt bis heute so. Das kann auch nicht ohne den Bruch internationalen Rechts geändert werden. Denn beide Deutschlands haben den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Das war eine der Bedingungen dafür, dass  die Bundesrepublik und die DDR 1974 in die UNO aufgenommen wurden. Ein Austritt oder eine Kündigung dieses Vertrages wären eine Verletzung des Völkerrechts.

Sinnhaftigkeit atomarer Aufrüstung zweifelhaft

Der Atomwaffensperrvertrag dient der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Dass die US-amerikanische Garantie, im Falle eines Nuklearangriffs auf ein europäisches NATO-Mitglied zur gemeinsamen Vergeltungsstrategie zu stehen, möglicherweise nicht mehr eingehalten werden könnte, ist ein Worst-Case Szenario, für das es bisher nur Vermutungen gibt. Dass in einem solchen Spannungs- oder Kriegsszenario Europa alleine stünde, ebenfalls. Angesichts der Unberechenbarkeit Donald Trumps allerdings auch nicht ausgeschlossen, aber kein Grund, daraus völlig falsche Schlüsse zu ziehen.

Nukleare Drohungen verschärfen die Vernichtungsgefahr Europas

Ein Rückfall jedoch in die Konfrontation des kalten Krieges kann doch nicht ernsthaft eine taugliche Strategie sein, um mittelfristig mehr Sicherheit und irgendwann wieder eine europäische Friedensordnung zu schaffen, die unumgänglich ist, weil Russland unverrückbar unser Nachbar auf dem Kontinent bleiben wird. Für jede neuartige Atombewaffnung gilt im Übrigen eine gegenüber den US-amerikanischen und russischen Atomwaffen eine auf unter sieben Minuten reduzierte Vorwarnzeit, was das Risiko eines Nuklearkriegs drastisch erhöht. Es ist keinesfalls so, wie Merz und Spahn suggerieren wollen, erforderlich dass eine Verstärkung der europäischen Verteidigungsbereitschaft auch eine nukleare Komponente der Vernichtung verlangt. Ein “Iron Dome” der Flug- und Raketenabwehr wäre dagegen essentiell.

Spahn will die “Gunst der Stunde” nutzen

Darüber hinaus ist es keinesfalls so, dass Europa dank der französischen “Force de Frappe” und der britischen Atomwaffen ohne atomare Abschreckung dasteht. Und auch Schreckensszenarien, dass die USA britische Atomwaffen unbarauchbar machen oder die von der Bundeswehr bestellten F-35 Atomwaffenträger im Verteidigungsfall abschalten könnten, beruhen auf Spekulationen. Jedenfalls nichts, was in der Substanz nicht durch gegenseitige Verträge und NATO-Statuten ausgeschlossen werden könnte. Aber selbst unterstellt, Europa müsste sich mittelfristig ohne die USA und selbständig konventionell und nuklear verteidigen können, kann eine “Führungsrolle” Deutschlands bei einer Lösung dieses politischen Problems durch Nuklearbewaffnung nicht in Betracht kommen.

Führungsphantasien können schnell nach hinten losgehen

Die führende Rolle, die Deutschland mit Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble vor wenigen Jahren in der EU-Finanzkrise gespielt hat, scheinen sowohl Merz, als auch Spahn vergessen zu haben. Als Ländern wie Griechenland und Spanien Sparmaßnahmen diktiert wurden, provozierte das Erinnerungen an Deutschlands Rolle im 2. Weltkrieg und Reaktionen von erheblichem Widerstand bis zu offenem Hass bei Teilen der Bevölkerung nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen EU-Staaten. Dies ist im Bereich der militärischen Aufrüstung in Zukunft keineswegs ausgeschlossen und muß im Interesse einer handlungsfähigen EU und Einfluss der US-Oligarchen auf Wahlen in der EU mitbedacht werden. Wer die derzeitige Situation, ausgelöst durch einen irrlichternden US-Präsidenten Trump und vor allen Dingen durch die Aggression Russlands gegenüber der Ukraine, nutzen will, um eine militärische “Führungsrolle” der Bundesrepublik in Europa anzustreben, ist von allen guten Geistern verlassen.

Spahns unkontrollierte Ambitionen stoppen

Solche Ambitionen, von Spahn geäußert, sind selbst in der Union umstritten und werden bisher allein von einer politisch nicht zurechnungsfähigen AfD unterstützt. Diese Tatsache muss schon alarmieren. Dabei kommt jetzt gerade ans Licht, dass insbesondere der Gesundheitsminister Spahn in der Maskenaffaire gezeigt hat, dass er unkontrolliert Macht an sich zieht und dann nicht zu stoppen ist. Seine Beauftragung des Logistikers Fiege aus seinem Wahlkreis im Rahmen der Beschaffung macht deutlich, dass er keine Hemmungen hat, – und das verbindet ihn wiederum mit Franz-Josef Strauß, – Vetternwirtschaft in Kauf zu nehmen oder gar anzustreben. “Stoppt Spahn” muss deshalb ein politisches Gebot der Opposition im Parlament und außerhalb sein. Noch ist es möglich, zu verhindern, dass er politisch wie ökonomisch in die Fußstapfen von “FJS” tritt.

 

Über Roland Appel:

Avatar-FotoRoland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net