Die Mehrzahl der Häuser steht völlig unbeschädigt am Straßenrand. Die Infrastruktur ist durchaus funktionstüchtig. Die Industrie wirft immer noch Gewinne ab. Die Ernährung der Bevölkerung ist gewährleistet. Die allgemeine Wehrpflicht ist obsolet. Deutschland ist in einem beklagenswerten Zustand. Vor allem, weil die Zivilbevölkerung zu lange lebt.

Um aus Ruinen blühende Landschaften auferstehen zu lassen, muss unbedingt ein Feind geschlagen werden. Aber auch, wenn der Feind uns schlägt – egal! – es muss ein richtiger Krieg her. Die Ukraine allein reicht nicht! Wer wirtschaftliches Wachstum will, muss einen Krieg in ganz Mitteleuropa befürworten.

Die kriegerische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik (Wadephulismus) und die Forderung der Rüstungsindustrie nach einem höheren Wehretat finden eine breite Zustimmung. Das vorzügliche deutsche Gesundheitswesen garantiert jeder Soldatin und jedem Soldaten das Überleben. Jung und Alt und alle Geschlechter (inkl. Inklusion) sehen dem obligatorischen Dienst an der Waffe und der Niederwerfung der Bösen freudig entgegen. Der nächste Krieg ist führbar, beherrschbar und gewinnbar!

Die Begeisterung über die Mobilmachung in Deutschland ist enorm, besonders bei den alten Bürgerinnen und Bürgern, die sich noch an den letzten Endsieg erinnern. Aus dieser Bevölkerungsschicht ist zu hören, die Senioren würden sehr gern gleich nach dem Renteneintritt zumindest ein soziales Pflichtjahr absolvieren. Es würde den jungen Menschen, die sich in den Schützengräben an der Ostfront den asiatischen Horden entgegenstemmen, gut tun, wenn sie sicher sein könnten, dass Oma und Opa in der Heimat zuverlässig die Bettpfannen wechseln.

An dieser Stelle ist aber auch auf die Ungerechtigkeit hinzuweisen, wenn im Ernstfall allein die Jungen das Land verteidigen müssen. Die Verfechter einer gerontokratischen Volksrepublik Deutschland halten es für absolut notwendig, schnellstens ein Wehrdienst-Pflichtjahr auch für Rentner und Rentnerinnen einzuführen. Generalfeldmarschall Pistorius erläuterte in einem Fernsehinterview schon mal, wie er sich die neue Wehrmachtsstruktur vorstellt:

In vorderster Front kämpfen Schwerhörigen-Bataillone, die zwar auf keinen Befehl reagieren, sich aber auch von feindlichem Kanonendonner nicht beunruhigen lassen. Für Flächenbombardements werden vor allem Sehbehinderte eingesetzt, streitsüchtige Greise werden in Demenz-Divisionen, die nicht wissen, warum und für wen sie kämpfen, zusammengefasst. Alte Säcke, die mit ihren kugelsicheren Gebissen sogar Stacheldraht und Bajonette durchbeißen können, werden auf Spähtrupp geschickt, und die Flotte wird mit Alzheimer-Matrosen bestückt, in denen die Vorstellung von festem Boden unter den Füßen längst untergegangen ist. Der Minen-Räumdienst wird von Rollatoren-Geschwadern wahrgenommen. Deutsche Panzer ohne Kindersitze und Gäste-WC kommen nicht mehr zum Einsatz, dürfen aber exportiert werden. Sitzplätze in den Schützengraben müssen auf Verlangen für Infanteristen mit Raucherbeinen frei gemacht werden. Beispielhaft: Die an Parkinson erkrankte 74jährige Babsi G. teilte im Berliner Tagesspiegel schon mit „Ich verlängere freiwillig. Mein Traumberuf ist Scharfschützin.”

Natürlich erfordert die Umstrukturierung der Wehrmacht auch ganz neue militärische Umgangsformen. Statt „Aaaachtung!“ heißt es in Zukunft „hallo? Jemand zu Hause?“ und „Stillgestanden!“ wird durch „entschuldigen Sie bitte, darf ich mal kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten“ ersetzt. Statt „Ich reiße dir den Arsch auf!“ wird höflich gefragt „Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?“ Klassische Kommissköppe werden zu teamorientierten Eventmanagern umgeschult. Der Schützengraben wird in „Sniper’s Lounge“ umgetauft. Jeder Greis muss seine Bewaffnung aus eigener Tasche bezahlen.

Um die Lust auf Krieg im Volk anzustacheln, haben die politischen Entscheider, also die Verursacher von Rüstung und Krieg, angeboten, nach dem nächsten Krieg im Namen der Kriegsgräberfürsorge persönlich auf der Straße mit Sammelbüchsen zu klappern, um die Kosten für die Pflege vorhandener und zwangsläufig hinzukommender Gräber der sogenannten Gefallenen zu erbetteln. Und dabei wollen sie ununterbrochen „Ich hatt’ ein’ Kameraden“ singen…

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

Über Henning Venske:

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