In über 300 Wahlkreisen in US-Städten gibt es seit Tagen und Wochen massive Proteste gegen den Versuch der Republikaner, Wahlkreise so zuzuschneiden, dass sich die Wahlchancen der Republikaner erhöhen. Computergestützt versuchen die Republikaner nun mit Methoden, die seit dem Skandal um Cambridge Analytica wohl bekannt sind, nun nicht allein auf internet-gestützte Wähler:innenmanipulation zu setzen. Sondern stattdessen  die Wahlkreise tatsächlich so zuzuschneiden, dass die REPs weiter Erfolge haben – von vornherein aufgrund der Strukturen.

Wie kann das funktionieren? Wenn in bestimmten Bezirken oder Stadtteilen große Mehrheiten von z.B. schwarzen oder eher gut ausgebildeten, also potenziell demokratisch wählenden Einwohnern so zugeschnitten werden, dass dort in ein oder zwei Wahlkreisen hohe und höchste Stimmenzahlen für die Demokraten zustandekommen, in acht oder neun anderen Wahlkreisen aber Einwohnerbezirke so zugeschnitten werden, dass jeweils eine knappe republikanische Mehrheit wahrscheinlich wird, ist es möglich, aufgrund des in den USA dominanten Mehrheitswahlrechts eine Niederlage der Trump-Regierung bei den Mid-term Wahlen zu verhindern.

Neue Form der Machtergreifung

Trumps Dreistigkeit ist dabei grenzenlos. Am Rande des Gipfels mit Selenskij und der EU kündigte er vor laufenden Kameras an, “dass wir in Texas wohl etwa fünf Wahlkreise zusätzlich bekommen werden”. Er hält dies offensichtlich für ebenso selbstvertändlich, wie er weiterhin behauptet, Joe Biden habe ihm 2020 “den Wahlsieg gestohlen” und er öffentlich von irgendwelchen Friedensschlüssen phantasiert, an denen er angeblich beteiligt gewesen sein will. Häufiges Golfspiel ohne Sonnenschutz in Zeiten des Klimawandels kann bekanntermaßen gefährliche Folgewirkungen wie unkontrolliertes Halluzinieren nach sich ziehen.  Diese weitere Form der Machtergreifung des Trump-Regimes findet in aller Öffentlichkeit unter aller Augen statt, ohne dass bisher größere Widerstände feststellbar waren.

Gleiches mit Gleichem vergelten?

Nun aber will die demokratische Mehrheit in Kalifornien den Manipulatoren mit gleicher Münze zurück zahlen und ebenfalls Wahlkreise neu zuschneiden. Der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Newsom, begründete den Schritt mit dem Vorgehen Präsident Trumps und der Republikaner. Newsom bat jedoch im Gegensatz zu den Republikanern in den Staaten, in denen sie tricksen, die Wähler um Zustimmung, um die durch Änderungen in Texas hervorgerufenen Gewinne für die Republikaner auszugleichen. Der Ausgang dieses Experiments ist offen. Seit Jahren manipulieren Republikaner die Wahlkreise in allen Staaten, in denen sie Mehrheiten haben oder erreichen können oder die entsprechenden Mechanismen beeinflussen können. Skrupel haben sie keine. Aber bisher haben die Demokraten zumeist mit ihren Skrupeln das Nachsehen gehabt. Auch wenn das die Demokratie nicht heilt: jetzt scheint es zumindest eine Chance auf Waffengleichheit zu geben. Unter dem Blickwinkel eines Notwehrrechts gegen den fortschreitenden US-Faschismus mag das zeitweilig entschuldbar sein. Eine Lösung ist es nicht.

Über Roland Appel:

Avatar-FotoRoland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net