Geht von hier Staatsfeindschaft aus? Oder ist es “der Staat” selbst?
Kannzedieuhrnachstellen. Wenn die taz mit ihrem Standortnachteil am Ostrand der Republik jemand zum Zoobesuch ins Ruhrgebiet schickt. Weil ihr landeskundiger Mitarbeiter und seriöser Journalist Andreas Wyputta vielleicht im verdienten Urlaub ist? Dann passieren kommunikative Verkehrsunfälle. In Berlin haben sie vielleicht richtig gedacht, dass sie zu weit weg sind. Und Hamburg (“taz Nord”) ist ja satte 150 km näher dran – in diesem Fall an Gelsenkirchen-Horst, meinem Geburtsort.
Dort residiert ein mittelständischer (nach der Mittelstandsdefinition unseres Bundeskanzlers) Immobilientrust, der sich als linksradikale Partei tarnt. Die haben weniger Mitglieder, als ihr Immobilienbesitz Fenster hat, aber umgekehrt proportional viel Immobilienkapital. Woher wohl?
Um die Medienöffentlichkeit mal so richtig zu erregen, haben sie in Österreich ein paar alte Statuen gekauft, und sich vor die Haustür gestellt. Damit noch irgendjemand sie bemerkt. Hat geklappt. Auch die taz ist drauf reingefallen. Doch die quasi auf der Strasse liegenden Fragen werden nicht erörtert.
Das Gebäude, das hier im Hintergrund eines Fotos aus dem Spiegel zu sehen ist, das war zu meiner Kindheit und Jugend die Stadtsparkasse. Sogar die Strassenbahnhaltestelle vor ihrer Tür wurde nach ihr benannt “Horst Sparkasse”. In dieser Sparkasse habe ich als 6-jähriger mein erstes Sparbuch eröffnet, mit den 5 Mark, die die Sparkasse seinerzeit allen Einschulungskindern schenkte. Um sie zu ködern natürlich.
An der genannten Strassenbahnhaltestelle konvertierte ich zum Fahrradfahren. Denn dort wartete ich immer von Essen kommend auf die Anschlussbahn der “Vestischen Strassenbahnen” nach Gladbeck zu meiner Schule. Das war im Winter so kalt, und dauerte so lange – 45 Minuten Fahrt – dass es auf dem Fahrrad wärmer und schneller (25 Minuten für 8 km) war. Nach meiner Schulzeit wurde der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gegründet. 30 Jahre nach meinem Abitur testete ich, was sich verändert hat. Die “Vestischen Strassenbahnen” haben durch die Abschaffung ebendieser zur Verödung ihrer Mitgliedsstädte beigetragen. Und die Busse fahren exakt so langsam, wie es 1969-76 schon war.
Gegenüber dem Anwesen des Immobilientrusts steht das Schloss Horst. Dem Förderverein, der es vor dem Verfall gerettet hat, gehörte mein heute 93-jähriger Vater als zeitweises Vorstandsmitglied an. Es gibt der gleichen Strassenbahnhaltestelle heute ihren Namen.
Es handelt sich hier um die Demarkationslinie zwischen zwei völlig unterschiedlichen Kulturen: Rheinland und Westfalen. Diese Linie habe ich in 7 Schuljahren bis zu viermal täglich überfahren – Leben zwischen zwei Kulturen mal ganz praktisch. Und bis heute mit zwei verschiedenen Strassenbahnspurweiten.
Sie denken, ich schweife ab. Keineswegs. Die politische Frage, die sich hier stellt, ist, warum linksradikale Parteien in diesen Orten, die von der zeitweise in Bund, Land und Kommune gleichzeitig regierenden SPD sehenden Auges in die Grütze gefahren wurden, so wenig politischen Erfolg hatten. Gut, in Gladbeck und Bottrop gelang der DDR-abhängigen DKP der Einzug in die Stadträte. Einer der Gladbecker Ratsherren machte später als MdL in Sachsen-Anhalt Karriere in der faschistischen AfD. Vielleicht ist das schon ein Teil der Antwort. Zur Ehrenrettung westdeutscher Kommunisten sei erwähnt: nicht alle waren so abgefahrene Irrlichter. Clemens Kraienhorst in Bottrop z.B. war ein vielgeachteter Kommunalpolitiker über alle Parteigrenzen hinweg.
Andererseits, und jetzt nähere ich mich langsam meiner Pointe: ein SDAJler (= Jugendorganisation der DKP), mit dem ich als damaliges FDP-Mitglied in Essen-Altenessen zusammenarbeitete, der berüchtigte Willi Nowack (damals Juso) tat es auch (er bekam aber wohl einen Hinweis, und beendete die Zusammenarbeit mit fetten Lokalpresse-Schlagzeilen, “kommunistische Steuerung” etc.), entpuppte sich wenig später als Mitarbeiter des westdeutschen Inlandsgeheimdienstes. In Wahrheit also antikommunistisch gesteuert. Das Haus an der Ecke Altenessener/Heßlerstr. , in dem er wohnte, wurde (vorsichtshalber?) abgerissen. War es so verwanzt, wie der “Palast der Republik” und das “Palast-Hotel” in Berlin-Hauptstadt der DDR?
Die Häuser des als Partei getarnten mittelständischen Immobilientrusts in Gelsenkirchen-Horst dagegen blieben stehen. Die schon erwähnte Sparkasse, und das voluminöse bildschöne Ex-Polizeirevier gleich daneben. Und das ehemalige Postamt in der Buerer Strasse, unmittelbar vor meinem Geburtskrankenhaus gelegen, hat sich der Trust ebenfalls unter den Nagel gerissen.
Ich rekapituliere: Sparkasse (Eigentümer Stadt Gelsenkirchen); Polizei (Eigentümer oder Mieter: Land NRW); Bundespost/Post AG (Bund). Was mag das einigende – höhere? – Interesse der Staatsorgane gewesen sein, ihre Immobilien dieser angeblich staatsfeindlichen Partei anzuvertrauen?
Der erwähnte SDAJler, damals nannte er sich “Uwe Winkelmann”, der müsste es wissen. Doch wo sind die “investigativen” Journalist*inn*en geblieben? In meiner Jugend hiessen sie noch Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich, die sich den Hass der SPD-Kanalarbeiter ehrlich verdienten. Horst Tomayer berichtete darüber im Kritischen Tagebuch (beide tot, 2013, bzw. 2003).
Schreibe einen Kommentar