Ohne Strategie, fern der Realität, aber fest im Glauben: So bahnt sich totales Scheitern an – Eine Geschichte über europäische Vasallen und Stellvertreterkrieger
Auszug aus einer Email des Direktors der DNI, Jim Clapper vom 22. Dezember 2016 an die Chefs von NSA, CIA and FBI: “It is essential that we be on the same page and that are all supportive of the report in the highest tradition of ‘thats Our story and we are stickin to it’…That is one project that has to be a team sport.” Bei dieser Email ging um den Geheimdienstbericht vom 5. Januar 2017. Dieser Bericht erzählte eine Geschichte („Russiagate“). Die Geschichtenerzähler betrachteten sie als ihr „Projekt“, mit dem sie geeint auftreten würden, wie beim Mannschaftssport.
Die Geschichte war falsch, aber klug ausgedacht. Denn die Mär vom teuflischen Russland, Hand in Hand mit dem vermaledeiten Trump, wurde gern geglaubt. Das hatte globale Wirkungen. Nur ganz aufmerksame Zeitgenossen bemerkten sehr zeitig die Schwachstellen der Erzählung. Denn nichts ist schwerer, als eine in sich stimmige Lüge zu erzählen. Die Realität bricht sich durch die kleinste Ritze Bahn. Der Washington Post fiel im Jahr 2025 nichts anderes mehr ein, als sich darüber zu beschweren, dass durch die Offenlegung geheimer Dokumente über „Russiagate“ womöglich „geheimdienstliche Spionagetechniken und Quellen“ kompromittiert wurden. (Anmerkung: Wenn man darunter versteht, das man lernen kann, wie US-Geheimdienste ticken, stimmt diese Beschwerde.) Zum Inhalt schwieg sie, denn auch sie hatte bei der Geschichte mitgemacht, das Falsche zum Wahren erhoben. Weil auch sie das Falsche glauben wollte.
Wie viele andere Geschichten werden auf ähnliche Art entworfen und breit geglaubt? Die westliche Deutung des Ukraine-Kriegs gehört definitiv dazu. Ein „anlassloser“ Krieg, „völlig unprovoziert“, der dem aggressiven russischen „Wesen“ entspricht, der die Ukraine „vernichten“ soll, die Demokratie zunächst nur aus der unmittelbaren geographischen Umgebung Russlands ausmerzen soll, der vom Traum der Wiederherstellung der Sowjetunion getrieben ist. Dieser Krieg wird nicht bei der Ukraine Halt machen. Ist die erst fertiggemacht, kommen die europäischen Nato-Partner an die Reihe. Damit die Demokratie überall westlich der russischen Grenzen stirbt. Wenn sich der Westen nicht wehrt und die Ukraine als sein Schild und Schwert unterstützt, werden bald alle Russisch lernen müssen. Nichts davon hält einer sachlichen Prüfung, nichts der Realität stand. Aber das muss auch nicht sein, solange die Geschichte im „Team“ erzählt wird, sich keiner verplappert, alle das gleiche Mantra wieder und wieder wiederholen. Solange bis sie es selber glauben.
Immer viel zu schrill
Allein, auch das gelingt nicht. Immer verplappert sich einer. Der Teamgeist ist nicht so stark wie postuliert. Abwehrkämpfe gegen „Ungläubige“ (Idioten, Wasserträger des Kremls, Lumpenpazifisten und und und…) oder gegen den erklärten politischen Feind, sind nie selbstbewusst, gelassen. Sie sind immer viel zu schrill.
Die gefährlichste Klippe, an der alles zerschellt, ist die Realität. Die schlägt mit eiserner Faust zu. Das ist das unlösbare Problem der Verbreiter falscher Narrative. Die daraus entspringenden gesellschaftlichen Gefahren sind sehr hoch. Aus Sekten aber auch aus der Geschichte ist bekannt, dass Menschen so sehr im falschen Glauben gefangen sein können, dass sie den Tod vorziehen oder aber dem erkennbaren Tod anderer mit größter Mitleidslosigkeit begegnen, nur um weiter glauben zu können.
Die Annäherungsversuche zwischen der Trump-Administration und Russland offenbaren, dass der amerikanische Präsident dem Narrativ des westlichen „Ukraine-Projekts“ äußerst skeptisch gegenübersteht. Trump räumte ein, dass Russland Interessen verfolgt und nur ein Interessenausgleich dauerhaften Frieden bringen kann. Er erkennt, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um von der Ukraine noch zu retten, was zu retten ist. Trump ist klar, dass in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg verloren ging. Von Biden hat er den Krieg geerbt. Von der Niederlage will sich Trump so weit wie möglich entfernen.
Die Ukraine bestreitet ihre Niederlage. Die europäischen Alliierten wollen weiter glauben, dass die Kriegsstrategie gegen Russland irgendwann aufgehen wird. Deshalb soll der Krieg jetzt eingefroren, die Ukraine wieder hochgerüstet, die Gesellschaften in der EU bzw. Großbritannien „kriegstüchtig“ gemacht und Russland als Feind behalten werden. Ohne den Rückhalt der USA geht das nicht. Nach 18 Sanktionspaketen werden sie auch das 19., 20. oder 25. zusammenschustern, immer im Glauben, das werde zum Tropfen auf den heißen Stein, der schließlich Russland „ruiniert“. Weder die Ukraine noch die EU noch die USA haben die Mittel in der Hand, Glaube und Realität zu versöhnen. Nur Teile der Trump-Administration haben das alles in gewisser Weise verstanden.
So kam es, wie es beim Treffen in Washington kommen musste. Im öffentlichen Teil, am „runden Tisch“, gingen sie anscheinend alle nett und freundlich miteinander um. Der Dissens war deutlich. Trump griff durchaus zum verbalen Florett. Im nichtöffentlichen Teil wurde die Hackordnung klargestellt. Zwei Fotos, die das Weiße Haus auf Instagram veröffentlichte, bezeugen das. Der US-Präsident sitzt an seinem Schreibtisch. Davor, im Halbrund, sind seine Besucher drapiert.
Diese zwei Fotos erzählen mehr als 1000 Worte. Vergleicht man sie mit den Fotos vom Treffen zwischen Trump und Putin, wird es noch übler. In einem Treffen herrschte Augenhöhe. Im anderen Treffen präsidierte Trump, der unbestrittene Anführer der „freien Welt“.
Unwillkürlich denkt man zurück an den Auftritt von Selenskyj vor der Münchner Sicherheitskonferenz. Dort malte er das Gespenst einer US-Abkehr von „Europa“, über das demnächst Russland herfallen werde, an die Wand und forderte markig eine “europäische Armee“, selbstverständlich einschließlich der kampferfahrenen ukrainischen Armee: „Die ukrainische Armee wird nicht ausreichen, um Russland aufzuhalten. Das ist heute Realität… Nach drei Jahren umfassenden Krieges haben wir bereits die Grundlage für eine vereinte europäische Streitmacht geschaffen. Jetzt, da wir diesen Krieg führen und die Grundlagen für Frieden und Sicherheit legen, müssen wir die Streitkräfte Europas aufbauen, damit die Zukunft Europas nur von den Europäern abhängt und Entscheidungen über Europa in Europa getroffen werden.“
In diesem, von Selenskyj beschworenen „Europa” hat Russland keinen Platz, ist es der zu besiegende Feind und in diesem Prozess – so erklärte Selenskyj unumwunden – werden die Grundlagen für Frieden und Sicherheit gelegt. Ein „Siegfrieden”, nichts weniger.
Ein paar Monate später ist die in München proklamierte „Kriegstüchtigkeit“ der „Europäer“ völlig dahin. Gemeinsam mit sieben anderen Europäern (die polnische Abwesenheit ist sehr bemerkenswert) sitzt Selenskyj so wie alle, fein aufgefädelt, in sichtlicher Dankbarkeit vor Daddy. Der befürchtete „Liebesentzug“ ist nicht eingetreten. Aber sie müssen nun mehr für dessen Liebe tun, sich sehr viel mehr anstrengen, um sich seiner Liebe würdig zu erweisen. Das wollen sie auch, aus ganzem Herzen. Trump hat sie alle in der Tasche. Notfalls kann er sie den Neokonservativen in den USA zum Fraß vorwerfen. Wer nicht mehr die ganze Welt regieren kann, regiert soviel, wie er noch kann.
Wir werden zur zweiten “Frontlinie”
Den US-Neokonservativen passt es hilfsweise in den Kram, dass die EU-Europäer weiter aufrüsten und an der Feindschaft mit Russland festhalten wollen. Wir kaufen den USA die Waffen ab, wir kaufen ihr die teure Energie ab, wir ertragen alle US-Handelssanktionen, wir ertragen auch die negativen Rückwirkungen der Russlandsanktionen, und schmeicheln dem transatlantischen Anführer trotzdem wie Höflinge. Wir kläffen weiter gegen Russland, und im Idealfall werden wir nach der Ukraine zur zweiten „Frontlinie“, während die USA auf der anderen Seite des Teiches schön im Trockenen sitzen und sich auf den eigentlichen Feind, China, konzentrieren können.
Es ist ein rundherum gutes Geschäft, nur nicht für den europäischen Kontinent.
Das alles muss man nicht an den Haaren herbeiziehen. Der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth beschrieb die Aufgabenverteilung zwischen den USA und den europäischen Alliierten am 12. Februar 2025 beim Treffen der Kontaktgruppe. Erst plädierte er für ein Kriegsende und „dauerhaften“ Frieden, abgesichert mit Sicherheitsgarantien, allerdings ohne die USA. Dann kam er zu des Pudels Kern und verlangte: „Die Wahrung der europäischen Sicherheit muss für die europäischen NATO-Mitglieder oberste Priorität haben. In diesem Zusammenhang muss Europa den überwiegenden Teil der künftigen tödlichen und nicht tödlichen Hilfe für die Ukraine bereitstellen.“ Dann sprach Hegseth noch von der notwendigen Steigerung der Nato-Ausgaben auf fünf Prozent und darüber, dass die USA andere, größere Sicherheitsprobleme zu lösen hätten.
Hegseth, so wie andere US-Neokonservative und die allermeisten Politiker in der Bundesrepublik, bzw. der EU bemerkt nicht den der Strategie zugrundeliegenden Widerspruch. Sie reden von „dauerhaftem“, oft auch vom „gerechten Frieden“. Sie meinen immer nur die Ukraine, nie den Kontinent, und schon garnicht Russland. Sie mogeln sich um die Erkenntnis herum, dass ein dauerhafter Frieden nicht gegen, sondern nur mit Russland gelingt. Gelingt dieser Friedensschluss nicht diplomatisch, so wird er, getreu der vom Westen in den Ukraine-Krieg hineingetragenen Logik des „Siegfrieden“, unverhandelt hergestellt werden. Vom Kriegssieger. Also von Russland.
Aus westlicher Sicht hat Russland keine Sicherheitsinteressen
Dabei lässt Russland immer wieder erkennen, dass es Verhandlungen um ein Kriegsende bevorzugt. Auf der Basis von Forderungen, die Russland seit Jahren erhebt, und nun auch auf Grundlage der vom Krieg geschaffenen Realitäten. Keine der Äußerungen von Lawrow oder von Putin lässt darauf schließen, dass die russischen Truppen den Krieg um des Kriegs willen führen oder die ganze Ukraine einnehmen wollen. So war das auch schon vor der russischen Entscheidung zum Krieg.
Aber alle diplomatischen Angebote und Forderungen Russlands wurden von westlicher Seite über Jahre immer wieder abgewiesen. Aus westlicher Sicht hat Russland keine Sicherheitsinteressen zu haben bzw. entspringen russische Sicherheitsbeschwerden reiner Paranoia. Aus westlicher Sicht lügt Russland immer, oft absichtlich, im übrigen intuitiv. Das ist die KGB-Natur des russischen Präsidenten und der mit ihm verbandelten Clique. Die haben nichts anderes im Sinn, als die westliche Demokratie zu unterminieren. Mit einem solchen Russland darf es keine Diplomatie, schon gar keine Verständigung geben.
Dieses Mantra durchbrach Trump in Alaska. Er scheut, und da unterscheidet er sich nicht von Biden, den direkten militärischen Konflikt mit Russland. Im Unterschied zu Biden will er die Normalisierung der Beziehungen zu Russland. Er weiß, dass zwischen zwei atomaren Supermächten ein Gesprächsfaden bestehen muss, damit der Konflikt nicht nuklear entartet. Es ist zu hoffen, dass in Alaska auch die Frage nötiger Abrüstungsmaßnahmen aufgeworfen wurde.
Der “allmächtige Weltenlenker” als Rohr im Wind
Andererseits zeigt Trump die gleiche Schwäche wie schon in der ersten Amtszeit. Er ist wie ein Rohr im Wind: voller guter Vorsätze und verheerender Entscheidungen. Er steht auch in seiner zweiten Amtszeit weitgehend allein im Bestreben, sich mit Russland zu verständigen. Demzufolge agiert er auch weitgehend allein, aber womöglich auch verdeckt. Inzwischen ist er zwar befreiter, da „Russiagate“ als politische Verschwörung gegen ihn enttarnt wurde. Nun kann niemand mehr „Vaterlandsverrat“ schreien, weil Trump mit Putin spricht. Aber das reicht nicht hin. Die US-Neokonservativen sind stark, und sie sind auch in der Umgebung von Trump präsent. Trumps Wähler erwarten, dass er tatsächlichen Frieden bringt, so wie versprochen, und die schier endlosen militärischen Abenteuer der USA stoppt. Aber das wird Trump wahrscheinlich genauso wenig gelingen, wie die Uhr zurückzustellen und den ökonomischen und sozialen Verfall der USA zu stoppen. Denn vom Bild des allmächtigen Weltenlenkers, der allen bescheidet, wo es langzugehen hat, kann auch Trump sich nicht befreien. Im Gegenteil, er inszeniert sich in solcher Pose. Nicht nur als kapitaler Illusionist. Trump teilt auch völlig rücksichtslos globale Peitschenschläge aus: durch Bombardements, Zölle, Sanktionen, Erpressung und die uneingeschränkte Unterstützung von allem, was aktuelle israelische Politik im Gaza-Streifen betrifft.
Was sie nicht sehen, ist, wie sehr der Zustand endloser Kriege die USA beschädigte – die eigene Position wird zur Falle
Die europäischen Alliierten glauben, auch Trump-2 aussitzen zu können, so wie sie schon Trump-1 ausgesessen haben. Vielleicht folgt wieder ein netter, freundlicher US-Demokrat neokonservativer Statur? Was sie nicht sehen, ist, wie sehr der Zustand endloser Kriege die USA beschädigte. Sie sind augenscheinlich unbesorgt, dass eine Militarisierung der EU-Gesellschaften die ihnen von den Wählern zur Führung anvertrauten Länder vergleichbar beschädigen könnte, mit allen gesellschaftlichen Folgen. Offenbar lesen sie die Umfragen nicht. Was sie ebenfalls nicht sehen (wollen), ist die Katastrophe, die über der Ukraine hängt.
Fast alle, die wie Kinder vor dem präsidialen Schreibtisch im Oval Office (bei „daddy“) saßen, waren einst Hoffnungsträger. Aber ob sie nun Macron, Merz, Selenskyj oder Starmer heißen, das öffentliche Vertrauen in sie ist dramatisch geschwächt. Sie haben sich in eine politische Position manövriert, die ihnen zur Falle wird, weil sie die legitimen Interessen des eigenen Landes oder gar des Kontinents nicht an die erste Stelle setzten, und sich für Knechtschaft entschieden. Nun, so sagt ihnen der neue Herr im Weißen Haus, sollen sie als Knechte ein bisschen weniger Knechte sein.
Der tragische Fall heißt Selenskyj. Der wollte nach seiner Wahl 2019 seinen Pflichten genügen, aber er scheiterte im eigenen Land und schließlich an sich selbst. Er gab die Verwirklichung der ukrainischen Verpflichtungen des Minsk-II- Abkommens auf. Nach dem russischen Angriff 2022 wollte Selenskyj mit Russland Frieden verhandeln, versprach die Neutralität der Ukraine. Beide Seiten kamen sich im Frühling 2022 sehr nahe. Dann aber glaubte Selenskyj den leeren Versprechungen der westlichen Alliierten, der Krieg gegen Russland ließe sich gewinnen. Sein damaliges Sprachrohr Arestowitsch war ganz unverhohlen: Wir gewinnen den Krieg, spätestens 2023. Dann folgt die Nato-Mitgliedschaft. So stellten sie sich den Siegespreis vor.
Von Biden wurde bekannt, dass er nie an einen militärischen Sieg der Ukraine über Russland glaubte. Doch er schützte die Ukraine nicht. Er hat sie kühl benutzt. Warum auch nicht? Imperien sind keine Wohlfahrtsorganisationen, keine Mutter Theresa.
Als die RAND Corporation 2019 ihre Vorschläge auf den Tisch legte, wie man Russland aus dem „Gleichgewicht“ bringt, um das Land als Rivalen der USA zu schwächen, wurde diese Studie öffentlich beworben. Unter anderem mit Unterstützung von Boeing. Die US-Armee hatte RAND gefragt, wie sie diesen „Krieg“, den Wettbewerb der Großmächte (USA, Russland) gewinnen könne. RAND lieferte. Man müsse die russischen Schwächen ausnutzen, sprich die russische Abhängigkeit vom Energieexport, lautete eine RAND-Antwort. (Anmerkung: Später wurde das umgemünzt in: Russland dürfe nicht die Kriegskasse gefüllt werden, bzw. Russland benutze Energie als Waffe).
Man müsse an die Ängste von Russland anknüpfen, die bestehen, weil es in der Umgebung „Farbrevolutionen“ gab. (Anmerkung: Diese Farbrevolutionen waren nicht genuin, wie der Guardian 2004 berichtete. Sie waren westlich induziert.) Aber Vorsicht, sagte RAND 2019, vor regime-change-Operationen in Belarus. Das könne schnell eskalieren.
Auch die Ukraine spielte eine Rolle, als Teil der US-Interessenpolitik sowieso. Bei all dem, auch in Sachen Ukraine, so RAND, müsse man in Rechnung stellen, dass es große Risiken gibt. Darunter, dass Russland zurückschlagen, ukrainisches Territorium verloren gehen könnte. Aber, was soll’s: Die USA werden kein „Frontstaat“ sein, nur ihre europäischen Alliierten.
Sich eines der zwei Videos der Öffentlichkeitsarbeit von RAND zu Gemüte führen, reicht vollkommen: Aus RAND spricht die Supermacht, die weiß, dass sie von Russland nicht angegriffen werden wird. Also kann sie nach Belieben zündeln. Den Preis zahlen andere.
RAND beschäftigte sich nicht mit Menschenrechten, Völkerrecht, Moral. RANDs Auftrag war die Verteidigung des US-Imperiums. Das war unter Trump-1. Ob dieser vom Auftrag des Pentagon etwas wusste, sei dahingestellt.
Heute brüstet sich Trump, er habe der Ukraine als erster Javelins (ein Panzerabwehr-Waffensystem) gegeben, Obama nur Bettlaken. So sage man. Er hat den Slogan selbst erfunden. Warum? Weil ein kurzes Moratorium von Trump zu Waffenlieferungen an die Ukraine und ein Telefonat zwischen Trump und Selenskyj in der ersten Trump-Präsidentschaft umgehend von der Demokratischen Partei benutzt wurde, um ein Impeachment zu starten. Immer ging es um „Russiagate“. Immer ging es darum, wie es damals so schön hieß, die Russen „dort“ zu schlagen, damit wir sie nicht „hier“ schlagen müssen (Fiona Hill, Adam Schiff).
Kommt jemandem diese Argumentation heute bekannt vor?
Auch bei RAND spielte 2019 „Russiagate“ eine Rolle: Die russische Desinformation müsse bekämpft werden: Man dürfe den Russen nicht die Einmischung in die US-Demokratie erlauben. Manchen bei RAND sei das am wichtigsten gewesen.
Als Hörige der USA machten EU-Staaten, auch Deutschland, bei der Konflikteskalation gegen Russland mit. Über Jahrzehnte. Sie hatten keine Manschetten, als der KSZE/OSZE-Prozess unterminiert und die Nato-Erweiterung promoviert wurde. Angeblich im Namen eines Europas „ganz und frei“. Tatsächlich wurde der Kontinent gespalten und ein hochriskanter Konfliktkurs eingeschlagen, vor dem Kennan, immerhin geistiger Vater der Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion 1997 vergeblich warnte. Er betrachtete eine Erweiterung der Nato als „folgenschwersten Fehler der amerikanischen Politik“ nach 1990.
Die späteren Ereignisse gaben Kennan recht. Aber zum Nachdenken oder zu einer Kursänderung gegenüber Russland hat das nicht geführt. Allein Russland beschwerte sich, dass drei EU-Staaten ihren Plan zur friedlichen Lösung der politischen Konflikte in der Ukraine im Februar 2014 dem gewaltbereiten Teil des Maidan opferten. Der hatte die ihnen genehme ukrainische Opposition, die immer anti-russisch war, an die Macht gebracht. Die meisten EU-Staaten hatten und haben kein Problem mit der Neonazi-Szene in der Ukraine, kein Problem mit dem ukrainischen Bandera-Kult. Sie machen ihn mit. Sie sehen die reale Ukraine überhaupt nicht. Sie hatten kein Problem mit dem militärischen Einsatz, den Kiew gegen die eigenen Landsleute im Donbas befahl. Sie beschwerten sich nicht, dass die Ukraine nach dem Umsturz 2014 faktisch unter US-Kontrolle geriet (nach dem Motto: besser die Amis als die Russen, denn letztere hatten die Krim 2014 der neuen Ukraine entrissen). Aber vor allem aber gaben sie ihre Manieren auf, also die Kunst, sich aus fremder Perspektive zu sehen, und erteilten so der Diplomatie im Umgang mit Russland den Todesstoß.
Wozu zuhören, wenn man angeblich doch schon alles über dieses Russland und diesen Putin weiß und ständig postuliert, dass Russland nur „Stärke“ verstehe, einen „Preis zahlen müsse“?
Wie lange wehrten sich Macron und Scholz gegen die US-Strategie „Siegfrieden“ im Ukraine-Krieg 2022? Die Zeitspanne zwischen der Zustimmung zu einem zügig verhandelten Kriegsende und der Rolle rückwärts zur Akzeptanz eines militärischen „Siegfrieden“ gegen Russland lag bei unter 30 Tagen.
Eine solche Wahl bleibt nicht folgenlos. Dominiert die Sprache der Waffen, entscheidet das Schlachtfeld, egal, wer den Krieg suchte bzw. auslöste. Dann hat man ganz schlechte Karten, wenn man, in die Ecke gedrängt, nach Waffenstillstand ruft. Dann bleibt nur noch, davon zu träumen, die Ukraine zum „Stachelschein“ zu machen (Ischinger), noch einmal hoch zu rüsten. Wovon? Mit wem? Oder wie Macron bei NBC zu behaupten, sie alle hätten vom ersten Tag des Krieges an Frieden gewollt.
Trösten sich die Kriegshasardeure heute mit dem Glauben, dass laut ukrainischen Angaben vor allem Russen in diesem Krieg sterben? Schon über eine Million? Oder mit dem Glauben, in diesem Krieg sterben vor allem Zivilisten? (Anmerkung: Das stimmt für einen anderen Krieg.) Deutsche Politik und deutsche Medien zeigen ein bemerkenswertes Desinteresse daran, wieviele Opfer dieser Krieg die Ukraine kostet. So als gelte: Die ukrainische Armee kämpft für unsere, also die gerechte Sache. Daher sind ihre Verluste ganz minimal.
Alle (westlichen) Berichte zum militärischen Kräfteverhältnis sagen das Gegenteil. Alle Berichte aus der ukrainischen Armee zur Lage an der Front sagen das Gegenteil. Das Zahlenverhältnis der ausgetauschten Toten zwischen der Ukraine und Russland ist zutiefst erschreckend: so viele ukrainische Opfer, so wenig russische. Wo sind die vielen russischen Toten geblieben?
Ukraine nicht mehr stabil – Zusammenbruch droht
Nüchtern betrachtet, ist die Ukraine, egal in welchen Grenzen man sie sich künftig vorstellt, nicht mehr stabil. Inzwischen kann nichts mehr ausgeschlossen werden, weder eine Kapitulation, noch ein Militärputsch oder ein völliges Zusammenbrechen der öffentlichen Ordnung, weder ein wirtschaftlicher noch ein demographischer Kollaps. Vom fatalen Hang bestimmter ukrainischer Kreise zu Terrorakten ganz zu schweigen. Was immer am Ende des Krieges steht, könnte für alle in Europa, einschließlich für Russland, zur andauernden Sicherheitsproblematik werden. Aber darüber denkt hierzulande auch kaum einer nach. Wer keine Sorge vor einem Nuklearkrieg hat, kann auch andere Gefahren nicht mehr verlässlich abschätzen. Selenskyj bejubelt immer noch die Aktion “Spinnennetz“.
Daher ist es auch nicht überraschend, dass jene, die nach Washington reisten, weiter der Kompassnadel folgten, die gen andauernden Krieg gegen Russland weist. Nur Selenskyj ahnt womöglich, dass die sieben „Willigen“ zu nächsten Stellvertreterkriegern auf ukrainischem Boden werden könnten. Er kann, er wird sie nicht warnen. Er muss die ukrainische Tragödie zur europäischen machen. So wundert es auch nicht, dass er zum Unabhängigkeitstag der Ukraine verkündete, dass „die Ukraine die Einheit zwischen Europa und den USA wiederhergestellt (habe) und nun als Grundlage dieser Allianz diene.“ An anderer Stelle hieß es, dass heute die USA und Europa darin übereinstimmen, dass die Ukraine den Krieg „noch nicht ganz gewonnen habe, aber verlieren werde sie ihn bestimmt nicht.“
Ein „Diener des Volkes“ ist er längst nicht mehr, so komplett eingesponnen in die eigene Propagandawelt. Dort ist er nicht allein.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog der Autorin, mit ihrer freundlichen Genehmigung.
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