Die Welt hat genug von „Cyber-Kriminellen“, es gibt jetzt einen „Cyber-Apostel“, heute am 7. September 2025 wird Carlo Acutis (1991 – 2006) heiliggesprochen. „Ein Heiliger für die Jugend“ titelt das Bistum Regensburg

Die Reliquien des toten Jungen wurden auch in Deutschland ausgestellt, am 22. Juli 2024 pilgerten viele Menschen zu den Acutis-Reliquien. Im Kloster Weltenburg wurden sie mit einer Andacht und einer Prozession gewürdigt. Der „Gottes Influencer“ erfährt seine Heiligsprechung heute auf dem Petersplatz in Rom. Für die katholische Kirche sei das Leben des kleinen Computergenies Vorbild, um vor allem jüngere Menschen wieder an den katholischen Glauben heranzuführen.

Vor der Verheiligung kam natürlich erst seine Seligsprechung, das war bereits 2022. Zuvor wurde sein Leichnam exhumiert, und weil es dem Publikum vor dem gläsernen Sarg schaudern würde, beim Anblick einer verwesten Leiche, wurde der Junge mit Silikon und Formalin sauber aufgehübscht – und das ist so gut gelungen wie bei Mao. Der wesentliche Unterschied ist das Herz, anders als bei Mao wurde es dem Leichnam entnommen und die Reste in ein Goldgefäß umgefüllt, weil es sich als Reliquie hervorragend eignet.

Beim Blick, auf das, was das kleine Computergenie erschaffen hat, um die Jugend zu begeistern, finden wir leider keinen Facebook-Auftritt, nichts von ihm auf Instagram, TikTok oder X. Was jetzt nicht sonderlich verwunderlich ist, es gab es einfach noch nicht. Er hätte es wohl gekonnt, auf der Seite für „Eucharistische Wunder“  heißt es ausdrücklich über ihn „Am Computer beschäftigte sich Carlo aber nicht nur mit Programmierung, er montierte auch Videos, gestaltete Webseiten und gab Comic- Hefte heraus, um deren Layout er sich selbst kümmerte.“ Geblieben ist davon.. nichts – außer ein paar PDF-Dokumente auf der nachgebildeten Wunderseite.

Wie soll damit die heutige Jugend begeistert werden? Nun, erhellend findet sich auf der Hinweis: „Die Modernität Carlos verband sich harmonisch mit seinem eucharistischen Leben und seiner tiefen Marienverehrung und machte aus ihm einen ganz besonderen Menschen, der von allen bewundert und geliebt wurde.“ Das wird wohl so sein, wenn ich mir die Influencer für Marienverehrung auf den verschiedenen Plattformen so ansehe, hat die Kirche einen Treffer gelandet. Wer zu dem Thema noch ein paar unappetitliche Details sucht, dem sei bei der taz der Artikel „Auch tote Jungen kann man noch missbrauchen“ empfohlen oder der Wikipedia-Eintrag dazu.

Positiv sollten wir sehen, dass die katholische Kirche die Frist für eine Heiligsprechung gesenkt hat, denn die betrug mindestens 50 Jahre nach dem irdischen Ableben. Wenn die katholische Kirche so schwungvoll mit der Zeit geht, dann wäre die Heiligsprechung noch lebender Frauen und Männer der logische nächste Schritt – auch wenn sich sofort eine lange Schlange bilden würde, die allesamt so unerschütterlich im Glauben verwurzelt sind, wie zum Beispiel Donald Trump.

Der glaubt nämlich, dass seine nordamerikanischen Digitalkonzerne von der EU unfair behandelt werden und verkauft deshalb Ablassbriefe (vormals Zölle genannt). Nur deshalb, weil die Ungläubigen in Europa Google mit einer drei Milliarden-Strafe aufgrund von Verstößen gegen Wettbewerbsregeln maßregeln wollen. Trump sieht, dass damit „ein großartiges amerikanisches Unternehmen“, Google, Schaden nehmen könnte. Schließlich muss er in diesen Glaubensfragen einschreiten, wenn einzelne Teile der Welt Regeln haben, die die nordamerikanische Wirtschaft ausbremsen könnten. Nordamerikanisches Recht für die Welt, Artikel 301 des US-Handelsrechts sieht Zölle also Reaktion auf unfaire Handelspraktiken vor.

Unter dem Strich bedeutet das nichts anderes als, US-Recht bricht EU-Recht, das müssen wir einsehen. Den Treibstoff für diese Geschäftsmodelle liefern wir kostenfrei in Form von Daten, üppig. Es wäre vermessen, wenn wir eigene Vermarktungsformen in diesem Rahmen etablieren wollen, auch das schadet der US-amerikanischen Wirtschaft.

Seinen Ablasshandel mögen wir als grotesk empfinden, aber als Führer einer starken Glaubensgemeinschaft hat er alle Mittel in der Hand, auch in Europa mitzuregieren – ganz ohne Wahlen, nur vom Glauben gelenkt.

Wir könnten uns vielleicht weniger materiellen Glaubensfragen widmen und die eigenen Leistungen sehen. Der schnellste Supercomputer Europas steht in Jülich, er kann das, was US-amerikanische Supercomputer in der Wissenschaft nicht mehr dürfen, zum Beispiel Klimamodelle berechnen und er kann KI-Modelle mit riesigen Datenmengen verarbeiten, nach EU-Regeln und nicht nach Vorgaben von Facebook für deren ChatBots.

Wir sind zwar Spitze, wissen leider dennoch nicht, wo wir stehen, denn Amazon, Microsoft oder Google veröffentlichen die Kennzahlen ihrer noch leistungsfähigeren Großgeräte nicht. Sicher dürfte jedoch sein, dass sie nicht für Wissenschaft und Forschung eingesetzt werden und somit der Allgemeinheit zugutekommen, sondern ausschließlich der US-amerikanischen Wirtschaft.

Ich weiß jetzt nicht was besser ist…, für uns.

Über Christian Wolf:

Avatar-FotoChristian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)