“Märtyrer” im metaphorischen Sinne war ich zweinmal in meinem Leben, beide Male aussergewöhnlich erfolgreich. Einmal bin ich mit grosser Öffentlichkeit als Schülervertreter aus der Schulkonferenz zurückgetreten, weil mich das NRW-Schulgesetz seinerzeit zur “Verschwiegenheit” verpflichtete, und die Vorgänge dort mir so skandalös waren, dass ich das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Beim zweiten Mal hatte mich ein am rechten Rand der CDU angesiedelter Politikprofessor der Uni Bonn – hinter dem rechten Rand der CDU kam damals nur noch ein Nichts, schöne Zeit – zusammen mit fünf weiteren gewählten Fachschafter*inne*n wegen “Hausfriedensbruch und Nötigung” angezeigt. Das war selbstverständlich für uns und unsere dadurch besonders wachsende Zahl an Wähler*inne*n in der Studierendenschaft ein abzuwehrender Angriff auf unsere Meinungsfreiheit.

Diese Abwehr war ein Riesenerfolg. Das Strafverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gegen Zahlung eines Bußgeldes von 80 Mark eingestellt. Aber das Schöne war: erst nach geschlagenen zwei Jahren. Wir gewannen mit diesem PR-Hit als verfolgte Opfer also zwei Fachschafts- und ich ausserdem zwei Studentenparlamentswahlen. Das Bußgeld und unsere Rechtsanwaltskosten konnten durch gesammelte Spenden mehr als gedeckt werden. Sehr lehrreich für alle Beteiligten. Ich habe übrigens, um den Ganzen noch was draufzusetzen, mich bei diesem Professor zu einem Hauptseminar angemeldet und einen Schein gemacht. Er hatte mehr Angst von mir, als ich vor ihm. Er hätte wohl professionelle Hilfe gebraucht. Wäre er nicht so rechts gewesen, hätte ich Mitleid bekommen. Für mich ein politischer Riesenerfolg, der mich stärker machte.

Freitag nun verpasste ich wegen Krankheit eine Kolumne des Kollegen René Martens zu den Fällen “Kirk” und “Ruhs”. Während meine Fachschaft und ich seinerzeit selbst die Agenda bestimmten und also politisch erfolgreich waren, bestimmen in diesen beiden Fällen die Rechten auf beiden Seiten des Atlantiks das Thema und nähren und laben sich unersättlich und mit einer Mischung aus Freude und Gier daran. Darum widerstrebt mir persönlich geradezu körperlich alles, diese Themen unnötig zu verlängern. Aber ich habe heute erst gelesen, was Martens Freitag schrieb. Es ist geeignet, diese Akten der Widerlichkeit und Doofheit endlich zu schliessen. Darum weise ich Sie darauf hin, damit Sie es auch nicht verpassen:

René Martens/MDR-Altpapier: Rehe, die auf Laster starren – Amerikanische Medienunternehmen kapitulieren in atemberaubender Geschwindigkeit vor den Drohungen des Chefs der Medienaufsichtsbehörde. Carsten Linnemann will den Rundfunkbeitrag ‘einfrieren’, obwohl der bereits ‘eingefroren’ ist.”

Dennoch, ich weiss es, werden sowohl die intelligenten als auch die doofen Rechten weitermachen …

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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