„Als Waffenliebhaber empfehle ich Dir heute eine Grundschule in direkter Nachbarschaft, die von einer Freundschaftsklasse aus Frankreich besucht wird. Für anstehende Freizeitaktivitäten bietet sich morgen der Nachmittag, Deine Frau kommt schon gegen 11:00 Uhr von einem Arztbesuch und die Kinder sind noch in der Schule, es ist schließlich ganze drei Wochen her, dass Du genug Zeit hattest, sie in Ruhe zu verprügeln.”
Das könnte rauskommen, wenn mein persönlicher Assistent, neudeutsch „Agent“, meine Vorlieben und Interessen kennt. Und den gibt es jetzt „ChaGPT Pulse“ heißt das Ding. Trauriger Beigeschmack: diesen Service gibt es nur mit dem teuren „Pro-Abo“ von openAI. Sie schreiben dazu: „Dies ist der erste Schritt zu einem nützlicheren ChatGPT, das Ihnen proaktiv das bietet, was Sie brauchen, und Ihnen hilft, weitere Fortschritte zu erzielen, damit Sie Ihr Leben wieder in den Griff bekommen.“
Das hätten wir geklärt, mein Leben habe ich nur im Griff, wenn ich alles, wirklich alles von mir über den Teich schiebe. Um diesen unermesslichen Fortschritt zu nutzen, gebe ich meine Mails, meinen Terminkalender und mein Adressbuch an ChatGPT. Was sie mir am Morgen präsentieren, das hat „ChaGPT Pulse“ über Nacht zusammengesucht, mit meinen Kontakten und Terminen – beruflich, wie privat – kombiniert und mit meinen persönlichsten Interessen gepaart. Nicht nur das: damit zusammenwächst, was zusammengehört – also Mensch und Maschine – fragt „ChaGPT Pulse“ zu möglichen weiteren Einzelheiten, das Ding will schließlich dazulernen, um passende Empfehlungen zu geben. Also Dir und denen, die mit diesem Wissen ein paar ansehnliche Produkte anbieten können oder Urlaubsreisen buchen, die Deiner Finanzkraft nur begrenzten Schaden zufügen.
Was natürlich weitere Vorteile hat! Im frei gewählten Beispiel oben würde sofort die Polizei und der zuständige Frauenschutzbeauftragte informiert.
Wer nichts zu verstecken hat, der hat auch nichts zu befürchten. Wirklich nicht!
Das gilt auch für die liebreizenden Interessen, die Microsoft hat. Wer seinen alten Windows-Hobel noch nicht fachgerecht entsorgt hat, der darf mit dem alten Schätzchen noch ein Jahr länger rumpusseln, schreiben sie in ihrem Windows-Blog für Windows 11 (weiter unten, kaum zu finden) mit dem Halbsatz für Privatkunden „receive critical and important monthly security updates for one year after support ends in October.“
Geht leider nicht, ohne einen umfassenden dauerhaften Datenaderlass und einem eigenen Microsoft-Konto. Deren wunderbare KI braucht schließlich Futter für ihren Dumpfsinn, den sie uns später teuer verkaufen werden. Und es wird teurer, viel teurer. Jetzt lassen sie noch „lernen“ – mit und von unseren persönlichen Eigenarten.
Höchstrichterlich wurde übrigens festgestellt, dass Daten keinen Geldwert haben, bei uns. Die Verbraucherzentrale hatte geklagt, weil Lidl ihre App als kostenlos bezeichnet hat, aber in Wahrheit jede Menge Daten ihrer Kunden abgreift. Das Gericht sagt dazu, dass die Opfer in den Teilnahmebedingungen alle Informationen zu der Verarbeitung erhalten – die 18 Seiten müssen sie sich eben vorher durchlesen, bevor sie die App benutzen. Machen alle, sicher.
Und die Richter halten fest, dass nur ein zu zahlender Geldbetrag ein Preis sei, der aber nirgendwo genannt wird, weil eben die eigenen Daten kein Preisschild tragen.
Die Datenerpressung und Gewinnmaximierung der nordamerikanischen Konzerne ist somit geltendes Recht.
Eine Revision zum BGH hat Oberlandesgericht Stuttgart (Aktenzeichen 6 UKl 2/25) allerdings ausdrücklich zugelassen, das war denen wohl doch zu heiß. Holt ‘ne Tüte Popcorn raus und ein Bier, das wird spannend, warten wir es ab.
Datensparsamkeit ist der einzige Weg alledem auszuweichen, eine umfassende Entdigitalisierung wäre wünschenswert. Es gibt aber Licht am Ende des Tunnels, unsere Kinderärzte profitieren als erste von dieser fortschrittlichen Entwicklung. Zum 20. Oktober 2025 schaltet die Kassenärztliche Vereinigung ihr KV-Safe-Net ab, weil sie über KIM (Kommunikation im Gesundheitswesen) mehr abwickeln können. Nachteil: unser „Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen“ kann mit KIM nix anfangen, aber Kinderärzte müssen die Ergebnisse der Früherkennungsuntersuchungen U5 bis U9 melden – ohne KV-Safe-Net bleiben nur bewährte, markterprobte Lösungen übrig und das wäre (such, papierraschel, stöhn, ah, ja, hier:) das Fax. Na, habe ich zu viel versprochen? Geht doch, weg mit dem ganzen digitalen Geraffel. Details zum Digitaldesaster hier!
Wir lernen: unsere Daten haben keinen Wert, den Rest regelt Apple, Facebook, Instagram, WhatsApp, X, Microsoft ….
Sollte ich Linux erwähnen? Nöh! Wer Windows 10 hat, der hält Linux sowieso für eine geschmeidige Latex-Matratze. Mein Gott, dann bleib doch liegen …
Mahlzeit.
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