Wundersame Bahn CCXXIX

Beuel ist schon seit einigen Jahren nicht nur dank seiner Wäscherinnen das Auge im Sturm des rheinischen Karnevals, sondern steht nun auch unmittelbar davor, zum Zentrum aller Verkehrsadern zu werden. Seit der Kommunalwahl ist nun auch entschieden, welche die Hauptschlagader wird. Zunächst mal mobilisieren Sie bitte alle Potenziale Ihres Humors, um das hier zu lesen.

Für Ortsunkundige sei angemerkt: der Hauptstadtbeschluss des Bundestags datiert von 1992. Der Umzug erfolgte 1999. Das, was diese Mitteilung blumig beschreibt, ist eine sog. “Ausgleichsmassnahme” dieses Beschlusses. Unfassbar, dass die nun schon nach 34 Jahren vollendet werden soll (8km, 5 Haltepunkte). Allerdings nur für Beuel, noch nicht für Oberkassel. Zunächst bedeutet das für alle, die bis dahin überleben: im 2. Halbjahr 26 fährt hier nichts.

Nun wurde ruchbar, dass nach der “Generalsanierung” der Sonnenseite des Rheins zwischen Köln und Wiesbaden 2026 die gleiche Katastrophe für die linke Rheinseite 2028 eintreten soll: sie nennen es “Generalsanierung”. Für uns Fahrgäste heisst das Komplett-Stilllegung.

Das fügt sich auf wunderbare Weise mit dem Neubau des “Tausendfüsslers”, der nun angeblich 2026 tatsächlich begonnen werden soll. Mann gönnt sich ja sonst nichts. Wenn der dann fertig ist – wer weiss schon, wann? – dann ist die Nordbrücke dran. Weil auch die “Rodenkirchener Brücke” im Kölner Süden absehbar das zeitliche segnen soll, träumt der NRW-Ministerpräsident, von dem nur noch die wenigsten wissen, dass er 2017-21 Landesverkehrsminister war (das war die Zeit, als Lärmschutzwände auf Autobahnen fielen und ein Mensch dabei zu Tode kam), von einer “neuen Brücke” zwischen Köln und Bonn.

Ich bin jetzt 68. Die Fertigstellung dieses Beton-Irrsinns werde ich mutmasslich nicht mehr erleben. Aber wir alle werden noch erleben, wie sich die deutschen Autokarawanen neue Wege suchen. Meine Vorhersage: es werden die Niederkasseler und die St. Augustiner Strasse, der Konrad-Adenauer-Platz und die Kennedybrücke sein. Dann werden nicht nur die Häuser an der St. Augustiner fallen (“Beschleunigung der Linie 66” = SCHERZ!), sondern dann kann auch der Bertha-von-Suttner-Platz grossflächig abgerissen werden. Wenn CDU und AfD bis dahin das Verbrenner-Aus kippen, gibt es in Bonn auch kein Problem mehr mit der Sterbehilfe. Aber ich schweife ab.

Nehmen wir nur mal an, die “Generalsanierung” der Sonnenseiten-Bahnstrecke wird nicht Weihnachten 2026, aber vielleicht doch irgendwann in 2027 fertig. Dann bin ich 70. Dann soll ja 2028 auf der Bonner und Kölner Seite alles von vorne losgehen. Und wenn das fertig ist, dann werden in Köln die Brücken gemacht (= Sperrungs-Fortsetzung) – geplant (!) für 16 Monate. In der Zeit sollen (geplant!) auf unserer Sonnenseite Züge fahren (und halten? in Beuel, an einem menschenleeren Bahnhof? aber dann mit Fahrstühlen und sicher auch “Kameraüberwachung”) – in Bonn Hbf. jedoch keinesfalls.

Und jetzt die Denksportaufgabe für Beueler Bezirksvertretung und Gewerbegemeinschaft: was hätte Beuel denn dann den reisenden Menschenmassen so alles anzubieten? Eine grössere Chance für die Obere Wilhelmstrasse wird es in diesem Menschheitszeitalter nicht mehr geben. Und für die nahegelegene Brotfabrik und das Pantheon auch nicht. Und Vorsicht vor Immobilienhaien!

Wenn nur das Management der Deutschen Bahn AG nicht so autistisch wäre … Alles neu? Allein mir fehlt der Glaube.

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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