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Digitaler Wochenrückblick 09. November 2025

Das „Social-Scoring“ der Volksrepublik China ist die totalitärste Massenüberwachung, die es nur geben kann. „Social-Scoring“ ist übrigens nicht ganz richtig, sie nennen es „Social Credit System“ oder zu Deutsch „Sozialkreditsystem“ – klingt schon viel besser. Dieses wirkungsvolle Instrument einer sozialverträglichen Lenkung mit all seinen wegweisenden Vorzügen können wir nicht pauschal verteufeln.

Als innovatives Erfassungs- und Bewertungssystem trägt es zur Harmonisierung des Verhaltens der Bürger, Behörden und Firmen mit den moralischen, sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Ansprüchen der Führung ganz entscheidend bei.

Mit Blick auf die Lebenssituation wird durch ein permanentes „Rating and Scoring“ ein aktueller „citizen score“ (oder eben auch „social scoring“) ermittelt, der einen direkten Einfluss auf das Sozialverhalten bewirkt, zudem können Verwaltungs- und Wirtschaftsaktivitäten effektiv gesteuert werden.

Technisch sind heutzutage kaum Grenzen gesetzt. Vernetzte Datenbanken sowie Bild- und Tonsysteme in Verbindung mit Big-Data-Analysen und Methoden der Künstlichen Intelligenz ermöglichen gewünschte Verhaltensmuster zu erkennen und zielgerichtet zu belohnen.

So wie wir im öffentlichen und privaten Raum unsere Umwelt wahrnehmen, wird durch Kombination verschiedener technischer Hilfsmittel eine staatlich gelenkte digitale Teilhabe ermöglicht. Die Identifizierung, Quantifizierung, Qualifizierung und Evaluierung in öffentlichen Bereichen, etwa über Sprach-, Stimm- und Gesichtserkennung, verbunden mit Emotionserkennung in Echtzeit sind keine Hürden, sondern Alltag, finden wir im Wirtschaftslexikon Gabler

In der Volksrepublik China ist es kein Problem solche innovativen, zukunftsweisenden Projekte umzusetzen und ein „moralisch und soziales Bonitätssystem“ zu etablieren. Es gilt nicht zu bestrafen, sondern Anreize für ein angemessenes Wohlverhalten zu erschaffen. Dies sogar im Einklang mit dem „Personal Information Protection Law“ (PIPL), der Datenschutzordnung der Volksrepublik China, in die große Teile unserer DSGVO eingeflossen sind.

Solch wegweisende Konzepte sind in der westlichen Welt weniger elegant zu realisieren, immer wieder werden neue Hürden aufgebaut, wie zum Beispiel in Kalifornien.

Browser wie Google Chrome oder Microsoft Edge haben nur noch bis Anfang 2027 Zeit, eine neue Richtlinie umzusetzen, bei der eine Opt-out-Funktion zu integrieren ist, die Webseitenbetreiber automatisch darüber informiert, dass persönliche Daten nicht an Dritte übermittelt werden dürfen. Also ein Klick und es gilt für alle Seiten, spart die Cookie-Banner und schützt die Daten, äh, auch falsch, es schützt die Menschen hinter den Daten.

Wir hier, sind in diesen Zug ganz anders, sagen wir „kreativ“. Die EU-Kommission plant Änderungen, die so breit angelegt ist, dass nicht nur Cookie-Banner verschwinden könnten. Das hehre Ziel ist, digitale Verwaltungsvorschriften zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, was den Unternehmen Kosten sparen könnte.

Juristen haben sich des Artikels 6 der DSGVO angenommen, der regelt, was ein berechtigtes Interesse an den Daten darstellt. Das lässt sich dehnen. Derzeit müssen wir (die Cookie-Banner!)  erlauben, dass der Webseitenbetreiber meine Daten weltweit zu seinen Gunsten vermarkten darf. Für berechtigtes Interesse soll es reichen, unternehmerische Ziele anzuführen.

Was im gleichen Zug ebenfalls vereinfacht wird und deshalb fürderhin geplant, das KI-Training mit personenbezogenen Daten wird ebenfalls auf der soliden Basis eines berechtigten Interesses der Tech-Konzerne geführt.

Um dem zu entgehen, muss ein Widerspruch in Form eines Opt-out erfolgen – aber wer macht denn so was?

Problemstellung ist das digitale Grundwissen des Internet-Eleven vor dem Monitor, also Du, der das elende Cookie-Banner wegklicken muss. Das stört und muss weg! Das heißt so viel wie, ich habe keine Ahnung, ich will auch keine Ahnung haben, ich will Google, Facebook, ChatGPT.

Wie gesagt, es geht nicht darum, Daten zu schützen, sondern Dich. Und was wollen die Techkonzerne (oder auch die Chinesen)? Die wollen Deine Daten, damit sie Dich haben. Sie belohnen Dich für ein angemessenes Wohlverhalten beim Kauf oder Konsum, denn Deine Entscheidung über das, was, wie viel und woher haben sie bereits getroffen, für Dich – ohne Dich. Aber Du, Du empfindest es als Freiheit. Weil die Cookie-Banner weg sind?

Paul Nemitz ein Vater der DSGVO und ehemaliger Kommissionsdirektor, steht den Änderungen weniger gelassen gegenüber, sagt

Von Datenschutz wird nichts mehr übrig bleiben, da KI allgegenwärtig ist. Aufgrund der Allgegenwärtigkeit von KI ist dies das Ende der Menschenwürde und greift den Kern des Grundrechts auf Datenschutz an.

Bleibt ein Blick auf das chinesische „Social-Scoring“, das ist zwar nicht menschenwürdig, aber ehrlich. Wenn ich weiß, dass ich überwacht werde und warum, dann verhalte ich mich konform oder protestiere (sofern möglich). Im gleichen Zug suche und finde ich Möglichkeiten dem zu entgehen.

Wenn ich nicht weiß, dass ich „gesehen“ werde und wie ich überwacht werde, kann ich mich nicht dagegen wenden. Fehlt mir zudem die technische Expertise, ist es an den Entscheidungsträgern, den Politikerinnen und Politikern, zu lenken.

Als unbedarfter User muss ich nicht unbedingt wissen, warum es diese Cookie-Banner gibt. Eine Regulierung dazu müssen diejenigen finden, die ich für diese Aufgabe gewählt habe – das waren aber keine nordamerikanischen Tech-Konzerne.

Und Schluss als Krönchenaufgabe, ergänze den Satz: „Datenschutz schützt keine Daten, sondern…

Über Christian Wolf:

Avatar-FotoChristian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)

Ein Kommentar

  1. Avatar-Foto
    MarS

    „Wenn ich nicht weiß, dass ich „gesehen“ werde und wie ich überwacht werde, kann ich mich nicht dagegen wehren“ – Das ist für mich der Kernsatz und die wichtigste Botschaft. Danke dafür.
    Es betrifft ebenso die Pressefreiheit (Wenn ich nicht weiß, über was NICHT berichtet wurde, kann ich es auch nicht vermissen) und auch die Meinungsfreiheit (Wenn ich nicht weiß, welche anderen, abweichenden Meinungen es noch gibt, kann ich mir keine eigene Meinung bilden) und rückt die dem Mainstream oder der Ausgewogenheit verpflichteten Medien in ein kritisches Licht.

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