„Die Brandmauer steht“, „Niemals mit der AfD“ usw. – so tönt es offiziell aus der Christdemokratie. In ihren Taten macht die Partei jedoch immer mehr gemeinsame Sachen mit den Rechten und Rechtsextremen. „Normalisierung“ nennt man dieses Doppelspiel. So gestern der christsoziale EVP-Chef Manfred Weber im Europaparlament, wo er mit Rechtsaußen das europäische Lieferkettengesetz kippte. Zum ersten Mal zog er in einem wichtigen Punkt die ganz rechte Karte. Ist ja auch egal, ob europäischen Unternehmen die Produkte von Sklaven- oder Kinderarbeit zugeliefert werden!? Sehr christlicher und sehr sozialer Grundgedanke! )-:

Die europäische Christdemokratie arbeitet an ihrer Selbstabschaffung. Mit ihrer Einbindung der ganz Rechten „umarmt“ sie diese nicht strategisch, sondern macht deren Themen stark und legitimiert sie vor der eigenen Anhängerschaft, für die sie damit wählbar wird. Krasser politischer Dreifachfehler.

Ich senke deshalb mal meine mittelfristige Wahlprognose für die deutsche Christdemokratie heute ab. Vor ein paar Jahren habe ich auf 25% gesetzt (damals schielte die Partei ja noch auf die 40%-Marke). Die damalige Prognose hat sich inzwischen ja bewahrheitet. Mit dem Doppelkurs, den die Partei nun eingeschlagen hat, tippe ich für die Zukunft: es geht runter auf unter 20%.

Gute Verrichtung, könnte man als Nicht-Christdemokrat dazu sagen – wenn man nicht wüsste, wie wichtig die Partei für den Erhalt unserer Demokratie ist.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Avatar-FotoGeboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.