Roland Appel schrieb eben über Vorgänge im Bundesland Hessen: “Wer die Verteidiger der Demokratie, die für unser Grundgesetz eintreten und eine gesichert faschistische Jugendorganisation gleichsetzt, sendet klare Signale. Die hessische Landesregierung hat sich für den Schutz der Gründung einer neonazistichen Jugendorganisation und gleichzeitig die Kriminalisierung von Demokraten und Verteidiger:innen der Grundrechte entschieden.” Das tun sie nicht nur in Hessen. Sondern alle Bundesländer tun es. An ihrer Medienpolitik sollt ihr sie erkennen.

Die Juristen-Bataillone der deutsche Zeitungsverlage, die weniger als einem Dutzend deutscher Milliardärsclans gehören, die sich also teure Juristen leisten können, haben sich in Tateinheit mit einigen deutschen Gerichten eine Waffe gebaut: sie heisst “Presseähnlichkeit”. Die bedroht nämlich angeblich ihre eigene Freiheit, uns mit Nachrichten, Meinungen und Trash zu versorgen. Versuchen Sie doch mal, in Ihrer Stadt eine Zeitung zu gründen. Im besten Fall werden sie gefressen. In der Regel aber machen Sie pleite.

Weder gefressen noch in die Pleite getrieben werden können die öffentlichen Medien, die uns die alliierten Besatzungsmächte nach der Befreiung vom deutschen Faschismus geschenkt haben. Sie machten Radio und wenig später Fernsehen. Und dann kam das Internet. Wer darf dort was? Das ist bis heute den meisten Beteiligten unklar. In Deutschland sind die Bundesländer als Gesetzgeber verfassungsrechtlich zuständig. Und was machen die?

Sie lassen sich von der Milliardärslobby, bzw. den von denen bezahlten Juristen, den Floh “Presseähnlichkeit” in den hohlen Kopf füllen, der in der Praxis bedeutet, dass den öffentlichen Medien die Publikation von Texten in digitalen Medien untersagt wird. Geht es noch dümmer? Ich kann dazu nicht mehr sachlich, die Wut über solchen Irrsinn übermannt mich. Darum zitiere ich hier Deutschlands führenden Medienrechtler Dieter Dörr, dessen jüngsten Vortrag epd-Medien dokumentiert hat, ein Mediendienst, der ebenfalls digital nur schwer erreichbar ist (5 Texte pro Monat sind erlaubt zu lesen). Hier ist einer zitert:

“Im Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag – ReformStV) erfolgt nun ‘die Rolle rückwärts#. Besonders bedeutsam und besorgniserregend ist dabei vor allem das in § 30 Abs. 7 MStV verankerte umfassende Verbot presseähnlicher Angebote. Aber damit nicht genug. Für die eigenen Portale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind nicht nur presseähnliche Angebote untersagt. Vielmehr ist die Nutzung von Texten in eigenen Portalen nur in acht abschließend aufgeführten Fällen zulässig. Damit werden Texte in den eigenen Portalen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Ergebnis nur noch eine völlig untergeordnete Rolle spielen und praktisch nur noch sendungsbegleitend zulässig sein. … Damit wird die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Gegengewicht gegen die Meinungsmacht der ungleich mächtigeren Intermediäre zu bilden, ganz erheblich erschwert und der umfassenden und unbeeinflussten öffentlichen Willensbildung ein ‘Bärendienst’ erwiesen.”

Was dem Herrn Poseck in Hessen seine Wasserwerfer sind, das sind Deutschlands Pressemilliardären und ihren Agent*inn*en in den öffentlichen Anstalten solche deutschen Juristeneier. Es geht ja nur um ein bisschen bürgerliche Demokratie, Informations- und Meinungsfreiheit …

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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