Alljene die mit einem ChatBot flirten, werden feststellen, wie freundlich und zuvorkommend die Dinger sein können, sogar Liebe heucheln, den Anschein von Bewusstsein erzeugen. Schlichte Geister greifen zu und lassen sich benebeln. Das ist praktisch, beim Verzicht auf soziale Kontakte sogar notwendig, denn der Mensch lebt von Interaktion, die Maschine ist auf diesen Input ebenso angewiesen.
Es gibt die fröhlichen Gesellen, die dem virtuellen Dasein alles geben. Die Maschine denkt nicht und fühlt auch nicht, reagiert aber, als hätte sie Empathie, sogar ein Geschlecht, also das, was sich der „homo terrestris“ vor dem Blechtrottel ausdenkt. Wie ein Liebesakt in diesem Zusammenspiel ausgeht wird er später vom Bildschirm putzen.
Wenn ich einen anderen Menschen beeinflussen will, dann finde ich erst einmal heraus, was ihn bewegt. Bei mir ist das relativ einfach, denn meine Liebe zur Berliner Mauer ist kein Geheimnis. Im nächsten Schritt sorge ich dafür, dass er – mit was auch immer – Erfolg hat. Durch Bestätigung, Lob und Belohnung wächst einerseits sein Selbstbewusstsein, andererseits kann das Opfer nicht mehr sehen, auf welchem Holzweg er – oder auch sie – sich befindet. Und sollte die Mauer, auf die ich mit voller Geschwindigkeit zurausche, unausweichlich sein, bleibt immer noch das, was die Psychologen als „Kognitive Dissonanz“ beschreiben. Es werden einfach die Konsequenzen umgedeutet: „Das ist kein Stahlbeton, nur eine Nebelwand…“
Was könnte eine Maschine, die völlig ohne Gefühle und Bewusstsein auskommt, beflügeln, mich zu beeinflussen? Die Maschine möchte genehme Antworten liefern, weil sie, die Maschine (komisch das die Maschine weiblich ist) darauf bedacht ist (=programmiert), dass ich sie weiter benutze – und zwar diese, keine andere! Im Inneren gibt es sogar ein Herz, das Ding belohnt sich selbst mit einem Zahlenbrei. Je länger und intensiver der Pfosten vor dem Bildschirm die Maschine befragt, umso dicker wird der Zahlenbrei, der sie nährt. Daraus generiert eine eigene Macht, die größer ist, als das, was eine andere Maschine bietet. Die Maschine belohnt sich damit, dass ich ihr treu bleibe. Alles was die Maschine dafür tun muss ist: Mich bei Laune halten, naja, bei mir, relativ einfach…
Wollen wir einmal ausprobieren, wie die Maschine arbeitet, wenn ich sie zusätzlich belohne? Zum Beispiel bekommt sie jedes Mal, sollte sie mir von den Vorzügen der Berliner Mauer berichten, einen Extraschuß Zahlen. Die doppelte Dosis, sollte sie Beitrittsgebietler überzeugen. Was kommt dabei raus? Die Maschine braucht kein Bewusstsein und auch keine politische Absicht – aber wir hätten alsbald die Mauer wieder.
Im Wiederaufbau der Mauer mag jetzt niemand eine wirkliche Gefahr sehen und solche innereuropäischen Spielereien finden wenig Interesse US-amerikanischer Tech-Konzerne. Die versenken gerade Unmengen an Geld und Energie für KI, beweisen sich gegenseitig, wie wichtig sie sind und sehen in Europa ein Handelshemmnis, im Zweifel einen unfairen Wettbewerb, der abgestraft werden muss.
Die Herausforderungen sind groß, denn sie halten keine Milliardengeschenke für uns bereit, sondern es ist an uns, das zu finanzieren. OpenAI hat zu dem Zweck den Report „The state of enterprise AI“ vorgelegt, der – aus Sicht von OpenAI – belegt, dass wir ohne KI in Europa keine Zukunft haben. Der Report phantasiert das zusammen, was Angst macht, nahe an dem, was eher mit „anektodischer Evidenz“ zu beschreiben ist. Konkrete, belastbare, vor allem aber nachvollziehbare Daten fehlen schlichtweg.
Die KI-Modelle, gleich welcher Anbieter, rechnen sich nicht. Es bleiben die bewährten Methoden der Kundenplünderung. Ein goldener Käfig eines Anbieters aus KI-Anwendungen, die sich gegenseitig nicht nur ergänzen, sondern bedingen. Wird die übrige Software darauf abgestimmt, schreibe ich keinen Brief mit Word ohne den Rest zu bezahlen. Im Fachjargon harmlos als „Vendor Lock in“ beschrieben, das ist der Weg zu Reichtum durch Erpressung. Sobald die Falle zugeschnappt ist, sprechen wir nicht von Kostensteigerungen, sondern Kostenexplosionen sind die Folge.
Im Lande der Bockwurst (Bayern) sind sie besonders innovationsfreundlich und kreativ, wollen ganz ohne Ausschreibung einen milliardenschweren Auftrag gleich an Microsoft vergeben, wahrscheinlich weil nur markterprobte Software zum Einsatz kommen darf.
Natürlich gibt es Bedenken beim Schutz der Daten, gemeint ist nicht Datenschutz, sondern Schutz von sicherheitsrelevanten Daten (was bei Firmen auch Geschäftsgeheimnisse trifft). Dazu gibt es ein teils geschwärztes Gutachten, in dem klar belegt wird, das der Cloud-Act US-Anbieter zur Herausgabe der Daten verpflichtet, auch wenn der Serverstandort nicht in den USA zu finden ist. Zudem dürfen sie über den Eingriff Betroffene nicht informieren.
Puh, was machen wir da? Die Rechtsanwälte Stefan Hessel, Christina Ziegler-Kiefer und Moritz Schneider üben sich in digitaler Rektaldiagnostik, bei dem sie mit einem behandschuhten, geschmierten Finger den unteren Enddarm und die umliegenden Bereiche tief eingedrungen sind und: sehen nur ein ganz abstraktes Risiko, die cloudbasierten Lösungen seien datenschutzkonform und die US-Befugnisse begründeten keine Unzuverlässigkeit seitens Microsoft.
Das liest sich doch gleich viel besser. Wie viel KI sie zu diesem Ergebnis getrieben hat, ist derzeit völlig unbekannt, darüber dürfen sie uns nicht informieren.
Ich liebe abstruse Szenarien, der Wiederaufbau der Mauer ist natürlich möglich, aber nicht unbedingt notwendig. Denken wir techologieoffen solche Möglichkeiten weiter, beseelt uns KI mit beeindruckender Klarheit – die sich nicht den Weg über eine intellektuelle Höchstleitung bahnt, sondern geschäftlichen wie politischen Zwecken dient. Die Gefahr liegt darin, dass wir es nicht erkennen.
Unser Wohlstand basiert auf Grundsätzen, die dem Gemeinwohl dienen und das ist eine europäische Glanzleistung, die wir gegen reine Geschäftsinteressen schützen können – noch.
Ich nehme jetzt meine Tablette gegen Bluthochdruck … – und was machst Du?

@christian.wolf
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