„So einen Tag brauchen wir,“ durchschnitt Legus peinlich werdende Stille ostentativ aufmunternd, „ein klares Abkommen mit Petrus und den Rheintöchtern, ihr da unten! Ihr werdet eueren Schatz zurückbekommen.“
In Bacharach und Oberwesel waren die Busparkplätze gut belegt. Dieser Sonntag versprach zumindest für die Restaurants, Cafés und Souvenirläden mit Andenkenkugelschreibern und in denen ganzjährig auch Schwarzwalduhren sowie Christbaumkugeln feilgeboten wurden, wenn man als asiatischer Tourist schon mal da war, zumindest ein Verkaufserfolg zu werden.
Schroffe Felsenkanten lugten kurz vor der Loreley aus dem Wasser. Zwei Schlepper zogen einen für die immer enger werdende Fahrrinne viel zu klobigen Autotransportkahn durch die rote Gefahrenzone. Auf der Aussichtsplattform oben auf der Loreley erkannte Alwys mehrere aufgespannte Regenschirme als Wimpel der Touristenscharen, die sie blind folgten.
Direkt gegenüber des Loreleyfelsens lag eine weniger malerische Baustoffhandlung mit großem Außengelände für Steine aller Art, schließlich ist das hier auch das rheinische Schiefergebirge. Der schon reichlich mit Mobilheimen belegte Campingplatz Wasser lag lang und schmal ausgestreckt direkt am Wasser. Die Ausflugslokale hatten ihre Terrassen adrett bestuhlt und die Tische mit klobigen Aschenbechern bestückt. Jeden Tisch schmückte eine Papiertischdecke mit Stickereiaufdruck von der Loreley und ein kleines Sträußchen Waldmeister in Blüte aus Plastik. „Typisch geschmacklos deutsch?“, fragte sich Alwys.
Aus dem raschen Rumpeln des Motors war unterdessen ein polyphon-gedämpftes Klopfen geworden, es klang wie ein Traktororchester im Piano, meinte Alwys und erinnerte sich dabei an die samstäglichen Traktoren in seinem Geburtsort im Westerwald, die in schöner Regelmäßigkeit an seinem Elternhaus vorbeifuhren, um wilde Müllkippen im Wald mit Bauschutt, altem Hausrat und schon mal auch einer ausgeschlachteten PKW-Karrosse wuchern zu lassen, bevor der Gemeinderat das zu Bauerwartungsgrundstücken umwidmete.
„Claus, dein Traktororchester wäre auch noch eine schöne Klangfarbe für unsere Performance. Das klingt ja so, als hättest du unter der Motorhaube die Lehrwerkstatt einer Schlosserei sitzen und die müssten heute ihre Ambosse testen,“ stanzte Alwys mit etwas zu lauter Stimme in den Fahrgastraum.
„Gute Idee,“ antwortete Legu gleich, „vielleicht bekommen wir die Bauern auf dem oberen Rheingraben tatsächlich dazu, ihre Ferraris ans Ufer zu fahren und die Kolben wie nächtlich am Busento leise lispeln zu lassen. Merk dir das mal.“
Claus bog von der Straße abrupt auf den ersten Parkplatz ab, der sich ihm bot. Eine ziemlich lange Wagenschlange passierte danach die kleine Abenteuerreisegruppe, die wegen fehlender Überholmöglichkeiten notgedrungen den Klang-Aktivisten folgen mussten. Manche hupten sofort wie in Beirut, andere zeigten Claus einen Vogel – stand das nicht unter Strafe? Eine ziemlich lange Kolonne war das zwischen Bingen und St. Goar geworden. Claus blickte etwas verlegen zu Jelena.
„Du kannst machen, was du willst,“ meinte Josh angesichts des Autotorsos vorwitzig zu Legu, „am Rhein wird es immer ein Umzug!“
„Langsam zu fahren, reicht schon,“ reagierte Claus gelassen aber fest in der Stimme. Die letzten Worte gingen im Lärm eines vorbeifahrenden Güterzugs unter, irrsinnig metallen laut, getaktet vom fächernden Fahrtwind der einzelnen Waggons, fünfzig, sechzig waren es bestimmt.
„Bei dem Lärm ginge ich auch einmal beichten,“ sagte Jelena trocken.
Claus schloss den Hanomag sorgfältig ab. Jelena zog sich ihre Schuhe an, die sie während der Fahrt ausgelassen hatte. Angel redete auf Josh wegen ihres aufgefalteten Alphabets ein. Es gab scheinbar Probleme mit der Bürgerinitiative, die die Recyclingpappe finanzieren wollte.
„Dann machen wir eben eine Menschenkette,“ hörte Alwys Josh hastig zur ziemlich genervten Angel sagen, „ist auch eine Auffaltung, wenn die in Wellenform verläuft.“
Am Zebrastreifen gegenüber dem Kirchhof kamen das Häulein nun wieder Entschlossener erst einmal zum Stehen. Mittlerweile war das Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße derart angeschwollen, dass an eine banale Straßenüberquerung gar nicht zu denken war. Die Fahrzeuge hatten Simmerner oder Koblenzer Kennzeichen. Deren Fahrer saßen steif wie Gipsbüsten hinter dem Steuer, manche mit Hut, und stierten stoisch geradeaus, um bloß nicht anhalten zu müssen.
Die „Die „Komödie des Geldes” von Arthur Zupf erscheint mit freundlicher Genehmigung vom 16. bis 24. Dezember 2025 als Erstveröffentlichung exklusiv im Extradienst.

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