Jund, mutig, vielfältig — Sechs junge Mitglieder erzählen, was sie bewegt, was sie überrascht hat – und wie es sich anfühlt, plötzlich mittendrin zu sein statt nur nebenher zu scrollen.

Fast jedes zweite neue Mitglied ist heute unter 35. Die „Neuen“ bringen frische Perspektiven und neue Formen des Aktivismus mit – von Meme-Kampagnen, bis Reddit-Vernetzung und Boots-Protesten. Sie kamen aus Wut, Neugier oder Solidarität – und sind geblieben. Sechs junge Mitglieder erzählen, was sie bewegt, was sie überrascht hat – und wie es sich anfühlt, plötzlich mittendrin zu sein statt nur nebenher zu scrollen

Sonthaya (31), Qualitätsanalystin bei TikTok (DACH) , Berlin

Ich arbeite als Qualitätsanalystin für Shortvideos im Quality Team (DACH). Ich checke nochmal die Videos, die schon einmal geprüft wurden – von KI oder Menschen, inhouse oder outsourced.

Ich bin in Berlin geboren, meine Mutter kommt aus Thailand, und ich sag mal so: Gewerkschaften funktionieren da anders, oder kaum – wir haben eine konstitutionelle Monarchie mit König, und es kommt immer wieder zu Militärputschen, was politische Instabilität und wenig gelebte Demokratie bedeutet.

In meiner Familie gab es aber trotzdem Berührungspunkte: Mein Vater war Gewerkschaftsmitglied. Durch ihn habe ich früh verstanden, wie Gewerkschaften arbeiten.

2019 habe ich bei Amazon gearbeitet, im Development Center (Tech, nicht Logistik). Mein Mentor aus dem Betriebsrat erklärte mir, wie Amazon arbeitet: Überwachung, Tracking, Kameras. Sie fanden heraus, dass Kameras sogar auf Toiletten gerichtet waren. Das war meine erste richtige Arbeitserfahrung nach der Uni – da habe ich verstanden: Gewerkschaftliche Unterstützung ist wichtig. Ich trat dann ver.di bei – zunächst wegen Rechtsschutz, aber auch aus Überzeugung. Dann kam Corona, mein Vertrag lief aus; ich blieb aber Mitglied – als Absicherung.

“Bei dem Boot-Protest bekam ich spontan das Mikro, direkt vor dem TikTok Gebäude, wo Kolleg*innen die Fenster öffneten. Seitdem habe ich keine Angst mehr vorm Streiken.”

Als ich dann bei TikTok war, war es erst das Gegenteil von Amazon: ein Freiheitsgefühl. Die ersten Jahre liefen gut. Dann kamen Themen wie Tracking und Return to Office. Als Kolleg*innen fragten: “Sollen wir einen Betriebsrat gründen?”, fing alles an. Wir saßen im ersten Zoom-Meeting zur BR-Gründung – plötzlich waren Leute aus der Personalabteilung unter anderen Namen drin. Jemand sagte: “Du bist doch HR – warum bist du hier?” Sehr merkwürdig alles.

Ich würde sagen, heute bin ich eher Mitglied als “richtige Gewerkschafterin”. Ich helfe hier und da freiwillig. Vor dem ersten großen Streik aber war so viel los, dass ich mich wirklich aktiv fühlte. Bei dem Boot-Protest an der Spree bekam ich spontan das Mikro, direkt vor dem TikTok Gebäude, wo Kolleg*innen die Fenster öffneten, als sie uns hörten – ein starker Moment. Seitdem habe ich keine Angst mehr vorm Streiken.

Und egal wie alles am Ende ausgeht. Es hat sich gelohnt – auch mental. Handeln ist besser als Ohnmacht. Ich habe viel gelernt. Für manche mag das nicht reichen; für mich ist es ein Gewinn.

Dieser Beitrag von Protokollantin Rita Schuhmacher ist eine Übernahme aus ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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