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FDP ist weg

Wie es einer Partei ergeht, die dem Agendasetting der AfD hinterherrennt, zeigt die Avantgardepartei FDP. 1973-82 habe ich ihr selbst angehört. Seinerzeit fiel in dieser kleinen übersichtlichen Vereinigung die Entscheidung über politische Mehrheiten in der West-BRD. Als mir diese Entscheidung nicht mehr passte, verliess ich sie mit einigen tausend weiteren Mitgliedern. Geschadet hat ihr das erst viel später. Jetzt.

In der Koalition mit der CDU/CSU spielte die FDP die rechte neoliberale Lokomotive. Jürgen Möllemann, der schon 1972 Ingrid Matthäus als Bundestagsabgeordnete verhinderte (sie zog erst 1976 ein), hatte den Plan, die FDP nach dem Vorbild der österreichischen FPÖ nach rechts zu wenden, weil er dort – leider mit Recht – ein höheres Potenzial vermutete, als die FDP bis dahin ausschöpfen konnte. Mit knapp 10% führte er die NRW-FDP 2000 in den hiesigen Landtag zurück. Doch sein streng antisemitisch konnotierter Rechtskurs – u.a. hatte er sich als gutdotierter Lobbyist in der “Deutsch-Arabischen-Gesellschaft” betätigt – wurde u.a. von seinem stippenziehenden Ex-Mentor Hans Dietrich Genscher hart ausgebremst – es ging um “das Ansehen Deutschlands in der Welt”.

Das ist den gegenwärtigen Herrschenden in Deutschland wurst. Sie sind im Panikmodus, ökonomisch und politisch. Denn es geht bergab, mit beidem. Auch das repräsentiert die FDP bis heute – in jeder Hinsicht. Es funktioniert nicht mehr.

Ein letzter grosser “Erfolg” der FDP war die Vernichtung der deutschen Solarindustrie 2009-13. Xi Jinping kann sein Glück über so viel reaktionäre Doofheit bis heute nicht fassen. Zur Strafe warfen die Wähler*innen die FDP mit 4,8% aus dem Bundestag. 2017 kehrte sie erneut zurück. Ein letztes Mal. Es war der Herbst der Merkel-CDU. Nach der Solarindustrie war die nächste und letzte Kerbe der FDP die Vernichtung der Ampelkoalition 2021-25. Danach war das Mass voll. Der mächtige alles dominierende Bundesfinanzminister und Bundesvorsitzende Christian Lindner schlug sich in die Büsche. Wie alle Ex-Politiker wollte er endlich Geld verdienen. So, wie Merz es bis dahin bei Blackrock getan hatte. Und Schröder und Fischer in den Jahren zuvor.

Lindner hat sich wohl immer unverstanden gefühlt. Eine “Jamaika”-Koalition mit CDU und Grünen verhinderte er, weil er genau wusste, dass die FDP-Führung von idiotischen Nichtskönner*inne*n bevölkert war. Mit ihnen war cleveres Regieren unmöglich, viel zu riskant. Vier Jahre später bei der Ampel schien ihm die Konkurrenz von SPD und Grünen ausreichend leichtgewichtig. Stimmte ja auch. Und als Finanzminister kann mann mächtiger regieren, als der Kanzler.

Was die Mehrheit der Bevölkerung darüber denkt, war der FDP schon immer egal. Ihr politisches Ziel war ja nie 51% Zustimmung, sondern nur 5. Aber selbst das ist nun nicht mehr erreichbar. Im heutigen ZDF-Politbarometer ist die FDP demoskopisch nicht mehr auffindbar. Wie aktuell in 6 der 16 Bundesländer. Und nur in 2 Bundesländern (BaWü, Niedersachsen) werden ihr noch knapp 5% zugetraut.

Genscher im Fegefeuer wird sagen: “Ich wusste immer, dass ich von Idioten umgeben war.” Im Rückblick meine ich, war er der letzte hochwertige deutsche Aussenminister. Das ahnte ich zu seiner Amtszeit (bis 1992) noch nicht.

Die AfD hat übernommen. Möllemann sagt in der Hölle: “Siehste.” Mögen sie zu ihm fahren.

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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6 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Wikinaut

    @martin.boettger Staubtuchpartei genannt.

  2. Avatar-Foto
    Peter Lessmann-Kieseyer

    Nur eine kurze Anmerkung, lieber Martin Böttger: Genscher der „letzte hochwertige Außenminister“? – nun ja, im Vergleich zu dem, was folgte, sicherlich. Für mich war er aber keineswegs eine Lichtgestalt. Sein Verhalten im Zusammenhang der Fußball-WM 1978 unter den folternden und mordenden Militärs der Junta Videla, die auch die deutsche Staatsbürgerin Elisabeth Käsemann festgenommen und erschossen haben, ist/war eines Außenministers unwürdig. „Ach, das Mädchen Käsemann“, das soll der einzige Kommentar Genschers zu dem Fall gewesen sein. Keinen Finger hat er gekrümmt, der deutsche Aussenminister. Schließlich musste der ja Fußball rollen. Es gibt eine sehr gute Dokumentation von Eric Fiedler mit dem Titel „Das Mädchen“. Ich weiß nicht, ob sie noch irgendwo verfügbar ist. Mehr will ich jetzt über Genscher gar nicht sagen.

    Schönen Gruß aus Köln, Peter Lessmann-Kieseyer

  3. Avatar-Foto
    Saupreiss #Präparat500 🗽

    @martin.boettger ich würde eher sagen, der letzte große Erfolg der FDP war, die gefährlichste Regierung erfolgreich zu torpedieren und zu versenken und grüne Politik dauerhaft als Feindbild zu etablieren.

    Das hatte natürlich seinen Preis, der war es ihnen aber halt wert.

  4. Avatar-Foto
    Albert

    @martin.boettger
    Wie wahr. Dem kann man nur zustimmen.
    Es war der größte Fehler der Grünen, eine Koalition mit der FDP unter Lindner einzugehen.

  5. Avatar-Foto
    orbit

    @martin.boettger danke, noch eine kapitalistische Partei braucht niemand.

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