Annäherung zwischen USA und China – sie erzielen im Handelsstreit vorerst eine Einigung. Das Abschlusspapier des G20-Gipfels markiert dagegen Stillstand und Rückschritte.

Die einzig konkrete Erfolgsmeldung aus Buenos Aires kam erst nach offiziellem Abschluss des G-20-Gipfels. Bei einem gemeinsamen Dinner am Samstagabend vereinbarten US-Präsident Donald Trump und der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping eine vorläufige Einigung in ihrem seit Monaten eskalierenden Handelsstreit. Die gegenseitigen Strafzölle werden vorerst nicht ausgeweitet. Stattdessen wird neu verhandelt. Allerdings nur 90 Tage lang, wie Trumps Sprecherin Sarah Sanders erklärte. Diese Frist wurde von China bislang nicht bestätigt.

Die USA versprachen, ihre bislang schon erhobenen zusätzlichen Zölle auf chinesische Einfuhren im Wert von 256 Milliarden US-Dollar anders als von Trump vor dem G-20-Gipfel angedroht, vorerst nicht zu erhöhen oder auszuweiten. Im Gegenzug sicherte China zu, seine Importe aus den USA zu erhöhen, um das Handelsungleichgewicht zu verringern. „Es war ein erstaunliches und produktives Treffen mit unbegrenzten Möglichkeiten sowohl für die USA als auch China“, erklärte Trump nach dem über zweieinhalbstündigen Abendessen mit Xi Jinping.

Der Burgfrieden ist nach Angaben des Weißen Hauses mit einer Frist verknüpft, in der China weitere Konzessionen machen muss. Beide Seiten wollen laut Trumps Sprecherin Sarah Sanders versuchen, ihre Differenzen innerhalb von 90 Tagen zu beseitigen. Wenn bis dahin keine Einigung erzielt werden könne, würden die USA ihre Pläne für eine Erhöhung der Sonderabgaben auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden US-Dollar von zehn auf 25 Prozent doch umsetzen.

Vorerst soll diese bisher zum 1. Januar vorgesehene Erhöhung aber ausgesetzt werden. China habe sich im Gegenzug bereit erklärt, eine nicht näher vereinbARTE, „aber sehr bedeutende Menge“ an Produkten aus der Landwirtschaft, dem Energie- und Industriesektor sowie anderen Wirtschaftszweigen aus den USA zu importieren, berichtete Sanders. „China hat zugestimmt, von sofort an landwirtschaftliche Waren von unseren Bauern zu kaufen.“

Die neuen Verhandlungen sollen sich mit „strukturellen Veränderungen“ hinsichtlich zwangsweisem Technologietransfer, Urheberrechtsschutz, Marktbarrieren, Cyber-Attacken, Dienstleistungen und Landwirtschaft beschäftigen, erklärte Sanders. Chinas Außenminister Wang Yi bestätigte die Vereinbarung, erwähnte aber die Frist von 90 Tagen nicht. Ziel der Verhandlungen sei es, „alle zusätzlichen Zölle zu beseitigen“ – auch die zu Beginn des Handelsstreits schon verhängten 25-prozentigen Zölle auf weitere Einfuhren aus China im Wert von 50 Milliarden US-Dollar. Mit beiden Schritten war die Hälfte aller Importe aus China im Gesamtwert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar betroffen. Auch würden keine zusätzlichen Abgaben auf weitere Importe erhoben, berichtete der Vizeminister. Wang Yi sprach von einer „wichtigen gemeinsamen Übereinkunft und „sehr positiven und konstruktiven“ Gesprächen.

Keine Verurteilung von Protektionismus

Vor der chinesisch-amerikanischen Verständigung verabschiedeten die Teilnehmer des G-20-Gipfels ein gemeinsames Abschlusskommuniqué, dessen in über 50 Verhandlungsstunden mühsam errungene Kompromissformeln Stillstand und Rückschritte markieren im Vergleich zu den Erklärungen früherer Gipfel.

Wegen des Vetos der USA fehlt in dem Kommuniqué erstmals die von allen anderen 19 Gipfelteilnehmern angestrebte ausdrückliche Verurteilung des Protektionismus. In der Gipfelerklärung heißt es lediglich, das multilaterale Handelssystem bleibe „hinter seinen Zielsetzungen zurück“, es gebe „Spielraum für Verbesserungen“. Zudem wird ein allgemeines Bekenntnis zur „Reform der Welthandelsorganisation“ aus früheren Gipfelerklärungen wiederholt.

Auf Verlangen der USA wurde auch der Begriff des „Multilateralismus“, auf den vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel großen Wert gelegt hatte, aus dem ursprünglichen Entwurf des Dokuments gestrichen. Stattdessen bekunden die G20 nur, „eine regelbasierte internationale Ordnung zu verbessern, die wirksam auf eine sich schnell verändernde Welt reagieren kann“. Beim Thema Klimaschutz wird in dem Papier die Formulierung des Hamburger G-20-Gipfels von 2016 wiederholt.

Die 19 Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens bekräftigten, dass das Übereinkommen „unumkehrbar“ sei. Trump ließ seinerseits in dem Kommuniqué festhalten: „Die Vereinigten Staaten bekräftigen ihre Entscheidung, sich aus dem Übereinkommen von Paris zurückzuziehen.“ Mitglieder der US-Delegation verspotteten das Abkommen als „Jobkiller“ und wiesen voller Genugtuung darauf hin, auch die Türkei, China, Russland und andere G-20-Mitglieder würden einen Rückzug aus Abkommen erwägen.

Putin: Ukraine nicht an Frieden interessiert

Auch der russisch-ukrainische Konflikt war ihm Rahmen des G20-Gipfels Thema. Merkel und die Präsidenten Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Emmanuel Macron vereinbarten neue gemeinsame Verhandlungen mit der ukrainischen Regierung zur Deeskalation des russisch-ukrainischen Konflikts. Putin erklärte mit Blick auf die Regierung in Kiew allerdings auch: „Der Krieg wird weitergehen, solange sie an der Macht bleibt.“

Zum ebenfalls heftig umstrittenen Thema Migration erklären die G20-Staaten in zwei Sätzen, große Flüchtlingsströme seien ein „globales Anliegen mit humanitären, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen“. Sie betonten zudem, gemeinsam Fluchtursachen bekämpfen zu wollen.

Für den saudischen Machthaber Mohammed bin Salman gab es beim G20-Gipfel einen freundlichen Empfang – trotz seiner höchstwahrscheinlichen Verantwortung für die Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi, von der im Gegensatz zu Präsident Trump auch der US-Geheimdienst CIA überzeugt ist. Trump und seine Tochter Ivanka unterhielten sich am Rande des Gipfels freundlich mit dem Kronprinzen.

Fast schon überschwänglich fiel die Begrüßung zwischen Salman und Putin aus, die sich kumpelhaft in die Hände klatschten. Anschließend nahmen die beiden Männer nebeneinander Platz und unterhielten sich angeregt. Berichten zufolge haben sich die beiden Ölförderländer Russland und Saudi-Arabien auf eine Verringerung der Fördermengen verständigt, um den Rohölpreis zu stabilisieren.

Gute Stimmung zwischen China und Saudi-Arabien

Freundlich äußerte sich auch Chinas Staatschef Xi Jinping gegenüber Prinz Mohammed. Xi Jinping unterstütze die Reformpläne der Führung in Riad ausdrücklich, berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. China werde zudem mit dem Königreich weiter in Bereichen zusammenarbeiten, die ihre Kerninteressen berührten, versicherte Xi Jinping dem Prinzen demnach.

Kritischer war die Begrüßung des saudischen Machthabers durch Macron. Frankreichs Präsident sprach Salman laut Elysée-Palast auf den Fall Khashoggi und die von Saudi-Arabien angeführte Militäroffensive im Jemen an. Der französische Präsident verlangte demnach, internationale Experten in die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod von Khashoggi einzubeziehen, und betonte die Notwendigkeit einer „politischen Lösung“ im Bürgerkriegsland Jemen.

In einem von Mikrofonen aufgenommenen Wortwechsel der beiden ist zu hören, wie Prinz Mohammed zu Macron auf Englisch „keine Sorge“ sagt. Macron antwortet darauf: „Ich bin besorgt.“ Unklar war jedoch, worauf sich diese Äußerungen bezogen.

Die Forderung des türkischen Präsidenten Erdogan nach unabhängigen internationalen Ermittlungen durch die UNO zum Tod von Khashoggi fand in Buenos Aires keine Unterstützung. Stattdessen bekräftigt das Abschlusskommuniqué, dass der übernächste Gipfel 2022 in der saudischen Hauptstadt Riad stattfinden soll.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.