Für Annegret Kramp-Karrenbauer läuft’s: tolle Fernsehbilder, gute Presse. Genau das ist auch das Problem der CDU-Vorsitzenden.

Es war eine ziemlich gute Woche für Annegret Kramp-Karrenbauer. Schöne, harmonische Fernsehbilder mit Markus Söder, die von einer neuen Innigkeit zwischen den Vorsitzenden der Schwesterparteien CDU und CSU zeugen sollen. Zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer war das Verhältnis ja nicht so nett.

Dann noch ein Einzelauftritt bei „Maischberger“, über den wiederum andere Medien breit berichteten. Annegret Kramp-Karrenbauer war in den Schlagzeilen. Besser kann es für die CDU-Vorsitzende derzeit nicht laufen.

Das ist allerdings genau ihr Problem: Besser kann es für sie nicht laufen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat kaum eine andere Möglichkeit als Fensterreden zu halten. In mehrfacher Hinsicht ist sie in einer ausweglos erscheinenden Situation.

Ohne Mandat im Bundestag oder das Amt einer Ministerpräsidentin verfügt die CDU-Vorsitzende weder über legislative noch über exekutive Macht. Sie hat kein Parlamentsmandat, kann also die Bühne des Bundestages nicht nutzen. Und sie kann schon gar nicht den Zeitpunkt beeinflussen, zu dem Angela Merkel großzügig die Kanzlerschaft in ihre Hände gibt.

Sollte es denn überhaupt je dazu kommen. So ohnmächtig Annegret Kramp-Karrenbauer auch tatsächlich ist – für schlechte Wahlergebnisse wird sie dennoch in Mithaftung genommen werden. Man stelle sich vor, die AfD würde in Sachsen stärker als die CDU: Dann wäre die neue Vorsitzende vermutlich ganz schnell weg.

Wer Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz für den besseren Kandidaten hielt, hat übrigens keinen Grund zur Schadenfreude. Der hätte genau dasselbe Problem.

Es ist ja nicht so, als sei Annegret Kramp-Karrenbauer nicht kampfeslustig. Vor gut einer Woche ließ sie zwei Rechtsprofessoren über Angela Merkels Migrationspolitik streiten. Die Kanzlerin war bei dem so genannten Werkstattgespräch gar nicht erst anwesend. Fast zeitgleich zündelte die CDU-Vorsitzende ein bisschen am Koalitionsvertrag. Sie möchte noch einmal in aller Ruhe über die geplante Abschaffung von „sachgrundlos befristeten“ Arbeitsverträgen diskutieren.

Viele Medien befassen sich gar nicht erst mit der Frage, wer real über welche Macht verfügt.

Erinnern Sie sich an die Überschriften? „Schon wieder Krach in der Koalition“ und „Neue Krise im Regierungsbündnis“. Sie erinnern sich nicht? Kein Wunder. Es hat sie nicht gegeben. Wenn diejenigen, die derzeit über reale Macht verfügen, keine Lust haben, über ein Stöckchen zu springen, das ihnen die CDU-Vorsitzende hinhält, dann springen sie eben nicht. Sondern zucken mit den Achseln und gehen außen herum. Oder woanders hin.

Hätte Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der Union, derlei gesagt: Hei, was für eine Balgerei! Chaos, Getümmel, Nachtsitzungen, Pressekonferenzen. Er verfügt nämlich über eine Hausmacht bei Abstimmungen, bei denen es wirklich um etwas geht. Bei Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen verpufft jede Initiative, wenn niemand außer ihr gerade eine Konfrontation wünscht.

Fällt das auf? Es fällt erstaunlich wenigen auf. Viele Medien befassen sich gar nicht erst mit der Frage, wer real über welche Macht verfügt. Ein süffiges Zitat reicht für die Meldung des Tages. Wenn daraus nichts folgt, dann verstärkt das den Eindruck, Politik werde überwiegend in Hinterzimmern gemacht. Das ist schädlich für das Ansehen der parlamentarischen Demokratie.

So nett viele Klicks auch sind: Irgendwann müssen Medien prüfen, ob sie eigentlich ihre – vom Grundgesetz geschützte – Aufgabe im System hinreichend wahrnehmen. Im Hinblick auf reale Machtfragen scheint mir das derzeit nicht der Fall zu sein.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.

Über Bettina Gaus:

Bettina Gauss ( † ) war politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Ihre Beiträge sind Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.